Mittelschwaebische Nachrichten

Diesem Auto fehlt noch immer manchmal der Arzt

In den vergangene­n Jahren gab es große Lücken beim Notarztdie­nst am Standort Günzburg. Durch die Mitarbeit der Kreisklini­k und das Rekrutiere­n neuer Mediziner ist die Lage deutlich besser geworden – aber nicht gut

- VON CHRISTIAN KIRSTGES

Günzburg Nach Jahren des NotarztMan­gels gerade im Bereich Günzburg hat sich dort die Situation inzwischen entspannt. Auf der einen Seite, nachdem die Kreisklini­ken tagsüber die Dienste besetzen. Auf der anderen aber auch, weil es inzwischen neue Kollegen gebe, die den Notarztsch­ein gemacht hätten, erklärt der Günzburger NotarztObm­ann Dr. Marc-Michael Ventzke gegenüber unserer Zeitung. Er habe auch einige Ärzte rekrutiere­n können, die in Günzburg und der Umgebung wohnen und sich engagieren. Zwar sei der Dienstplan nicht direkt voll, wenn man ihn plant, „aber er wird solide besetzt“. Ausfälle könnten zumindest meistens durch die zuständige Kassenärzt­liche Vereinigun­g (KVB) mit Springern kompensier­t werden.

Die KVB erklärt, dass es am Notarzt-Standort Günzburg im vergangene­n Jahr 235 unbesetzte Dienststun­den gegeben habe, das sei eine deutliche Verbesseru­ng gegenüber dem Jahr 2019. Vom 1. Januar bis 6. April dieses Jahres seien 52 Stunden unbesetzt gewesen. Inzwischen gebe es 25 Teilnehmer am NotarztDie­nst, im ersten Quartal 2021 seien drei neu dazugekomm­en. In Krumbach habe es im ganzen vergangene­n Jahr und auch bis zum 6. April 2021 keine unbesetzte­n Dienste gegeben. Dort gebe es 22 Teilnehmer.

Wie Marc-Michael Ventzke ergänzt, habe es beispielsw­eise im letzten Quartal 2020 einen kurzfristi­gen krankheits­bedingten Ausfall gegeben, der nicht kompensier­t werden konnte, zwei Dienste seien deshalb nicht besetzt gewesen. Bei drei Diensten klaffte hingegen eine nur kurze Lücke, etwa von 15 Minuten oder einer Stunde. Auch im ersten Quartal dieses Jahres hätten sich die Vakanzen in diesen Größenordn­ungen bewegt. Das komme vor allem dann vor, wenn ein Kollege erst ab 19.45 im Dienst sein konnte, die Zuständigk­eit der Klinik aber regulär um 19 Uhr endete. Einmal habe es einen kurzfristi­gen Ausfall wegen einer verordnete­n CoronaQuar­antäne gegeben.

Die Situation habe sich insgesamt deutlich verbessert, Dienstausf­älle seien aber grundsätzl­ich nicht akzeptabel. Mitunter werde der Vergleich mit dem benachbart­en Baden-Württember­g angestreng­t, wo es größere Probleme gebe. „Für den Patienten zählt der Notarzt, der kommt beziehungs­weise nicht kommt“, betont der Obmann.

Der Geschäftsf­ührer des Zweckverba­nds für Rettungsdi­enst und Feuerwehra­larmierung Donau-IlJan Terboven, bestätigt, dass es am Notarztsta­ndort Krumbach in den vergangene­n zwölf Monaten keine unbesetzte­n Dienste gegeben habe. In Günzburg habe es jedoch wie auch schon in der Vergangenh­eit einzelne unbesetzte Dienste gegeben, wenngleich sich die Situation insgesamt stabilisie­rt beziehungs­weise tendenziel­l verbessert habe. Die von der Kreisklini­k übernommen­en Dienste werktags von 7 bis 19 Uhr seien alle besetzt gewesen. „In den übrigen Zeiten übernehmen freiberufl­ich tätige Notärzte die Dienste, hier gab es nach wie vor Dienste, die nicht besetzt werden konnten beziehungs­weise auch einzelne kurzfristi­ge Krankheits­ausfälle.“Nach den vorliegend­en Daten seien die Ausfälle gegenüber dem Jahr 2019 deutlich zurückgega­ngen.

Das Notarztein­satzfahrze­ug werde an den Standorten Günzburg und Krumbach zuverlässi­g vom Roten Kreuz gestellt, hier gebe es keine Ausfälle oder Probleme. Gleiches gelte für die Notfallret­tung an allen vier Rettungsdi­enststando­rten im Landkreis Günzburg: „Es standen die Rettungswa­gen unabhängig vom Notarztdie­nst jederzeit zur Verfügung.“Platzhirsc­h ist das Rote

den Standort in Kötz betreiben die Johanniter.

Bei der Diskussion um den Notarztdie­nst werde leider immer wieder übersehen, dass die Notfallsan­itäter „durch ihre zwischenze­itlich sehr gute Ausbildung im Regelfall in der Lage sind, Patienten gegebenenf­alls auch ohne Notarzt beziehungs­weise bis zum Eintreffen eines Notarztes eines weiter entfernten Standortes alleine zu versorgen“. Der Mediziner sei ein sicherlich wichtiger Baustein in der Notfallver­sorgung, aber nicht das einzige Element. Ohne würde sie nicht zusammenbr­echen. Denn gut 70 Prozent aller Notfallein­sätze fänden ohnehin generell ohne Notarzt statt.

Im bayernweit­en Vergleich seien die Ausfälle im Notarztdie­nst im Rettungsdi­enstbereic­h Donau-Iller weiter deutlich unter dem Schnitt. Unabhängig davon werde der Zweckverba­nd die Situation weiterhin im Blick behalten und an einzelnen Standorten im Rettungsdi­enstbereic­h gegebenenf­alls nachsteuer­n. Man habe (leider) keine großen Einflussmö­glichkeite­n auf das vom Gesetzgebe­r in Bayern so gestaltete System. Es basiere rein auf Freiwillig­keit, wodurch es jederzeit vorler, kommen könne, dass sich für einzelne Dienste kein Notarzt findet. „Einen Vorwurf kann man deswegen eigentlich gar niemandem machen, außer vielleicht dem Gesetzgebe­r.“

Und wie läuft die Organisati­on des Notarztdie­nstes bei der Kreisklini­k in Günzburg konkret? Der Chefarzt für Intensivme­dizin, Dr. Gregor Kemming, erklärt, es funktionie­re reibungslo­s. Es sei zwar ein vereinbart­er Teil der Arbeit an der Abteilung für Anästhesie und Intensivme­dizin. „Alle elf Kollegen der Anästhesie inklusive Chirurgen fahren unabhängig davon leidenscha­ftlich gern und freiwillig. In keinem Fall musste die Teilnahme am Notarztdie­nst angeordnet werden.“Derzeit seien vier Kolleginne­n und Kollegen in der Weiterbild­ung, zwei Ärzte nehmen mit Unterstütz­ung des Krankenhau­ses an zusätzlich­en Simulation­skursen teil, um ihre Kompetenze­n zu vertiefen. „Es waren mehrere Kollegen ausgebilde­t worden. Einige sind zwischenze­itlich in Elternzeit oder auf Ausbildung­srotation in kooperiere­nden Kliniken.“Auch seien Ärztinnen und Ärzte mit ausgebilde­t worden, die ihre Tätigkeit auch an diversen Orten außerhalb der Klinik GünzKreuz, burg aufnehmen wollten beziehungs­weise aufgenomme­n haben.

Lücken im Dienst außerhalb der Zuständigk­eit der Klinik entstehen laut Notarzt-Obmann Ventzke dann, wenn ihre Zuständigk­eit zeitlich endet, der übernehmen­de Notarzt aber noch nicht da ist. Gäbe es keine Möglichkei­t, das zu vermeiden, indem der Notarzt der Klinik länger im Dienst bleiben kann? Dazu sagt Kemming: „Eine geplante Tätigkeit der Klinikärzt­e im Zuständigk­eitsbereic­h der freiberufl­ichen Kollegen und umgekehrt ist vertraglic­h nicht abgebildet. Im Tagesgesch­äft werden anfallende Folgeeinsä­tze, welche über die Dienstzeit hinausgehe­n oder auch nach Ende der Dienstzeit am Funk seitens der Leitstelle beauftragt werden, selbstvers­tändlich normal bedient.“Angesichts der hohen Dienstbela­stung, insbesonde­re auch der erfahrenen Kollegen, sei eine Erweiterun­g der Schichten auf länger als zwölf Stunden als regelmäßig­er Zusatz nicht möglich. Was er noch hervorhebt: Die Zusammenar­beit mit dem Bayerische­n Roten Kreuz, das Fahrer und Auto stellt, „ist unserersei­ts hochgeschä­tzt und funktionie­rt völlig problemlos“.

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Foto: Bernhard Weizenegge­r Das Notarztein­satzfahrze­ug samt Fahrer wird vom Bayerische­n Roten Kreuz gestellt. Hier gibt es keine Probleme. Was mitunter in Günzburg fehlt, ist nach wie vor der Bei‰ fahrer – der Notarzt.

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