Mittelschwaebische Nachrichten

Erneute Wende im Kokain‰Prozess

Der vermeintli­che Haupttäter zieht sein Geständnis zurück. Gegen die drei Mitangekla­gten fallen aber die Urteile

- VON CHRISTIAN KIRSTGES

Memmingen/Landkreis Dank eines „Deals“und des daraus resultiere­nden weitgehend­en Geständnis­ses des vierten Angeklagte­n am zweiten Verhandlun­gstag – die übrigen drei hatten ihre Beteiligun­g schon zuvor eingeräumt – sollte der Kokain-Prozess am Landgerich­t Memmingen schneller zu Ende gehen als geplant. Statt fünf waren eigentlich nur drei Verhandlun­gstage nötig, am Montag sollten die Urteile gegen die vier jungen Männer aus dem Landkreis Günzburg gesprochen werden. Es geht unter anderem um die illegale Einfuhr von und den Handel mit Betäubungs­mitteln in nicht geringer Menge beziehungs­weise die Beihilfe (wir berichtete­n). Doch der Angeklagte B. widerrief zu Beginn der Verhandlun­g sein Geständnis.

Als der Vorsitzend­e Richter Thomas Hörmann sein Unverständ­nis darüber zum Ausdruck brachte und fragte, inwiefern B. unter Druck gesetzt worden sei – das hatte er durch seine Anwältin erklären lassen –, sagte der Angeklagte, die von der

Staatsanwa­ltschaft vor dem „Deal“in Aussicht gestellte Gefängniss­trafe sei der Grund. Statt einer Verurteilu­ng zwischen drei Jahren und sechs Monaten sowie vier Jahren und sechs Monaten hatte die Staatsanwä­ltin vor der Verständig­ung sechs bis sieben Jahre gewollt.

Wegen des widerrufen­en Geständnis­ses wurde das Verfahren gegen B. abgetrennt, es geht am Freitagmor­gen weiter. Gegen die drei anderen Beteiligte­n konnten aber die Urteile gesprochen werden. Während die Angeklagte­n K. und W. keine Vorstrafen haben, gibt es bei R. vier Einträge, vor allem wegen Betäubungs­mitteln, wenngleich es kleinere Fälle waren.

Staatsanwä­ltin Ramona Haupt forderte für den direkten Komplizen des Hauptangek­lagten, den 1997 geborenen R., eine Freiheitss­trafe von vier Jahren und vier Monaten

sowie die Unterbring­ung in einer Entziehung­sanstalt. Bei K., 2001 geboren, wäre aus ihrer Sicht grundsätzl­ich das Jugendstra­frecht anzuwenden. Doch eine Verwarnung und eine Geldauflag­e von 4500 Euro solle reichen, da der junge Mann vor allem mitgemacht habe, weil er schnelle Autos fahren wollte. Bei dem 1999 geborenen W. reichten auch eine Verwarnung und eine Geldauflag­e von 2500 Euro.

R.s Verteidige­r Kai Wagler plädierte auf drei Jahre und sechs Monate sowie die Unterbring­ung in einer Entziehung­sanstalt. Für K. forderte Anwalt Michael Bogdahn eine Verwarnung, die Höhe der Geldauflag­e solle das Gericht bestimmen. Und Ws. Anwalt Bernd Scharinger forderte einen Freispruch dafür, dass sein Mandant sein Auto einmal ausgeliehe­n hatte, für die Abgabe von Betäubungs­mitteln in einem Fall reichten eine Verwarnung und eine Geldauflag­e von 500 Euro.

Das Schöffenge­richt verurteilt­e R. wegen der unerlaubte­n Einfuhr von Betäubungs­mitteln in zwei Fällen, dem unerlaubte­n Erwerb und dem Handel zu vier Jahren und drei Monaten Gefängnis, der Haftbefehl bleibt bestehen. Außerdem muss er in eine Entziehung­sanstalt. K. kommt wegen der unerlaubte­n Einfuhr von Drogen und der Beihilfe mit einer Verwarnung und einer Geldauflag­e von 1500 Euro davon – dass er kurz in Untersuchu­ngshaft saß, habe eine erzieheris­che Wirkung gehabt. Und W. erhielt wegen der Beihilfe und der unerlaubte­n Abgabe von Drogen in einem Fall ebenfalls eine Verwarnung und 1500 Euro Geldauflag­e. Er und K. nahmen das Urteil bereits an, wie in diesen Fällen auch die Staatsanwä­ltin.

Gegen den Mann, der den Prozess gewisserma­ßen erst ins Rollen brachte, laufen übrigens noch die Ermittlung­en. Sein Telefon war abgehört worden, dadurch kam die Polizei letztlich den nun Verurteilt­en und B. auf die Spur. Wie Oberstaats­anwalt Thorsten Thamm unserer Redaktion sagte, könne man ihn nach dem derzeitige­n Stand aber nicht als den „Hintermann“bezeichnen. Er habe den „Status“eines (Mit-) Beschuldig­ten.

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Foto: Ralf Lienert Am Montag sind die Urteile im Prozess gegen drei junge Männer aus dem Kreis Günz‰ burg gefallen. Der Hauptangek­lagte (zweite Reihe von rechts, am nächsten zum Rich‰ tertisch stehend) widerrief sein Geständnis.

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