Mittelschwaebische Nachrichten
Erneute Wende im KokainProzess
Der vermeintliche Haupttäter zieht sein Geständnis zurück. Gegen die drei Mitangeklagten fallen aber die Urteile
Memmingen/Landkreis Dank eines „Deals“und des daraus resultierenden weitgehenden Geständnisses des vierten Angeklagten am zweiten Verhandlungstag – die übrigen drei hatten ihre Beteiligung schon zuvor eingeräumt – sollte der Kokain-Prozess am Landgericht Memmingen schneller zu Ende gehen als geplant. Statt fünf waren eigentlich nur drei Verhandlungstage nötig, am Montag sollten die Urteile gegen die vier jungen Männer aus dem Landkreis Günzburg gesprochen werden. Es geht unter anderem um die illegale Einfuhr von und den Handel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge beziehungsweise die Beihilfe (wir berichteten). Doch der Angeklagte B. widerrief zu Beginn der Verhandlung sein Geständnis.
Als der Vorsitzende Richter Thomas Hörmann sein Unverständnis darüber zum Ausdruck brachte und fragte, inwiefern B. unter Druck gesetzt worden sei – das hatte er durch seine Anwältin erklären lassen –, sagte der Angeklagte, die von der
Staatsanwaltschaft vor dem „Deal“in Aussicht gestellte Gefängnisstrafe sei der Grund. Statt einer Verurteilung zwischen drei Jahren und sechs Monaten sowie vier Jahren und sechs Monaten hatte die Staatsanwältin vor der Verständigung sechs bis sieben Jahre gewollt.
Wegen des widerrufenen Geständnisses wurde das Verfahren gegen B. abgetrennt, es geht am Freitagmorgen weiter. Gegen die drei anderen Beteiligten konnten aber die Urteile gesprochen werden. Während die Angeklagten K. und W. keine Vorstrafen haben, gibt es bei R. vier Einträge, vor allem wegen Betäubungsmitteln, wenngleich es kleinere Fälle waren.
Staatsanwältin Ramona Haupt forderte für den direkten Komplizen des Hauptangeklagten, den 1997 geborenen R., eine Freiheitsstrafe von vier Jahren und vier Monaten
sowie die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt. Bei K., 2001 geboren, wäre aus ihrer Sicht grundsätzlich das Jugendstrafrecht anzuwenden. Doch eine Verwarnung und eine Geldauflage von 4500 Euro solle reichen, da der junge Mann vor allem mitgemacht habe, weil er schnelle Autos fahren wollte. Bei dem 1999 geborenen W. reichten auch eine Verwarnung und eine Geldauflage von 2500 Euro.
R.s Verteidiger Kai Wagler plädierte auf drei Jahre und sechs Monate sowie die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt. Für K. forderte Anwalt Michael Bogdahn eine Verwarnung, die Höhe der Geldauflage solle das Gericht bestimmen. Und Ws. Anwalt Bernd Scharinger forderte einen Freispruch dafür, dass sein Mandant sein Auto einmal ausgeliehen hatte, für die Abgabe von Betäubungsmitteln in einem Fall reichten eine Verwarnung und eine Geldauflage von 500 Euro.
Das Schöffengericht verurteilte R. wegen der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in zwei Fällen, dem unerlaubten Erwerb und dem Handel zu vier Jahren und drei Monaten Gefängnis, der Haftbefehl bleibt bestehen. Außerdem muss er in eine Entziehungsanstalt. K. kommt wegen der unerlaubten Einfuhr von Drogen und der Beihilfe mit einer Verwarnung und einer Geldauflage von 1500 Euro davon – dass er kurz in Untersuchungshaft saß, habe eine erzieherische Wirkung gehabt. Und W. erhielt wegen der Beihilfe und der unerlaubten Abgabe von Drogen in einem Fall ebenfalls eine Verwarnung und 1500 Euro Geldauflage. Er und K. nahmen das Urteil bereits an, wie in diesen Fällen auch die Staatsanwältin.
Gegen den Mann, der den Prozess gewissermaßen erst ins Rollen brachte, laufen übrigens noch die Ermittlungen. Sein Telefon war abgehört worden, dadurch kam die Polizei letztlich den nun Verurteilten und B. auf die Spur. Wie Oberstaatsanwalt Thorsten Thamm unserer Redaktion sagte, könne man ihn nach dem derzeitigen Stand aber nicht als den „Hintermann“bezeichnen. Er habe den „Status“eines (Mit-) Beschuldigten.