Mittelschwaebische Nachrichten
Hilfe weit über die aktuelle Diagnose hinaus
Wie die Akutgeriatrie der Kreisklinik Krumbach älteren Menschen hilft
Krumbach Oft ist es ein Sturz. Er reißt einen älteren oder alten Menschen aus dem gewohnten Leben heraus, ein Klinikaufenthalt wird nötig, danach kann der alte Mensch nicht mehr nahtlos an seinen vorigen Alltag anknüpfen. Er ist nicht mehr so beweglich und nicht mehr so sicher im Alltagsleben und hat die zuvor noch vorhandene Selbstständigkeit und Lebenstüchtigkeit teilweise verloren. Um solchen negativen Folgen bei Unfällen und Erkrankung im Alter entgegenzuwirken, ist vor zehn Jahren an der Klinik Krumbach die Akutgeriatrie etabliert worden.
Sie richtet den Fokus nicht nur auf die aktuelle Diagnose, sondern nimmt auch weitere vorhandene Erkrankungen und vor allem die jeweils ganz individuelle Verfassung des Patienten in den Blick. Das ist umso wichtiger, da Menschen im Alter von 70 und mehr Jahren meist fünf bis zehn Dauerdiagnosen haben und entsprechend viele Medikamente einnehmen.
„Wir zapfen alle Ressourcen an“, sagt die Leitende Oberärztin Dr. Anneliese Hösch, Internistin und Geriaterin und große Fürsprecherin eines ganzheitlichen Ansatzes in der Medizin. „Unsere Chirurgen machen eine ganz hervorragende operative Versorgung“, sagt sie, „aber es braucht danach eine gezielte und individuelle Förderung und Unterstützung.“
„Genau diese spezielle geriatrische Unterstützung ist unverzichtbar und überlebenswichtig für unsere älteren Patienten mit hüftnahen Brüchen und notwendigen Kunstgelenkversorgungen“, sagt der Chefarzt der Unfallchirurgie/Orthopädie Dr. Siegfried Wagner, „sie ist jetzt und in Zukunft entscheidend für das Endoprothetikzentrum Krumbach, die jährlichen Zertifizierungen und die Befugnis zur Ausübung der Alterschirurgie an der Klinik Krumbach.“Wagner betont außerdem: „Wir sind äußerst dankbar für den hervorragenden langjährigen und erfolgreichen Einsatz unserer Geriaterin und schätzen ihre Arbeit sehr.“
Gerade wenn bei betagten Patienten zusätzliche Erkrankungen und alterstypische Einschränkungen bei der Mobilität, der Orientierungsfähigkeit und der Sinneswahrnehmung oder bei den kognitiven Fähigkeiten bestehen, setzt die Akutgeriatrie an der Klinik Krumbach auf Förderung von Anfang an. Das geht oft nur in kleinen Schritten, aber die sind umso wichtiger. Möglichst schon am Tag nach der OP steht der Patient mit Hilfe vor das Bett, später übt er Kraft, Ausdauer und Beweglichkeit mit dem hohen Gehwagen, dann mit einem Rollator oder auch mit Gehstützen. Das stärkt nicht nur den Körper, sondern auch die Lebensfreude und das Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten und die Zuversicht, nach dem Klinikaufenthalt wieder in ein möglichst selbstständiges Leben zu finden.
Das Trainieren von Kraft und Beweglichkeit ist für die alten Patienten ebenso anstrengend wie das Einüben von Alltagsfähigkeiten, die durch den Klinikaufenthalt nicht verloren gehen sollen. So haben die Patienten in der Akutgeriatrie – vor der Pandemie – nicht in ihrem Zimmer zu Mittag gegessen, sondern sich in einem wintergartenähnlichen Raum mit Blick ins Grüne zur gemeinsamen Mahlzeit getroffen. Schon den Weg dorthin sieht Dr. Anneliese Hösch als „Therapieweg“. Außerdem gibt es einen Trainingsraum, wo nach Belieben mit und ohne Musik an verschiedenen Geräten Kraft und Beweglichkeit trainiert werden und wo eine spezielle Tageslichtlampe gerade in der dunkleren Zeit Depressionen entgegenwirken kann.
Jetzt, wo die Patienten aus Infektionsschutzgründen nicht gemeinsam speisen können, soll nach Möglichkeit jede und jeder wenigstens im Zimmer am Tisch sitzen und nicht an der Bettkante essen. Unterstützung beispielsweise beim Schneiden der Speisen oder Einschenken von Getränken wurde und wird dabei geschickt eingebunden, immer nur so viel wie nötig, Stichwort: „Aktivierende Pflege“. Alles, was der Patient noch selber kann, wird gefördert, und manche verloren geglaubte Fähigkeit kommt durch ausdauerndes Üben ganz oder teilweise wieder zurück.
Damit das gelingen kann, arbeiten in der Akutgeriatrie viele Berufsgruppen eng zusammen. Ärzte (Geriater, Chirurgen, Internisten und eine Psychotherapeutin) sind beteiligt und die Kranken- und Altenpflegekräfte, aber auch Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, dazu eine Logopädin. Sie treffen sich wöchentlich zur Besprechung, sodass aus vielen Facetten ein möglichst umfassendes Bild der Patienten und ihrer Bedürfnisse möglich wird. „Der Team-Gedanke ist sehr wichtig“, sagt Dr. Hösch, und: „Unser Sozialdienst ist eine ganz, ganz wesentliche Stütze.“Er berät Patienten wie Angehörige beispielsweise zu Rehamaßnahmen oder zu Hilfsmitteln, die nach dem Klinikaufenthalt dauerhaft oder vorübergehend gebraucht werden, und er informiert über Möglichkeiten der Unterstützung durch Sozialstation, Tagespflege oder Essen auf Rädern, die betagten Menschen mehr Autonomie im Alltag zuhause ermöglichen.
Bei allem gilt: „Wir brauchen viel Einfühlungsvermögen in unsere Patienten, das gilt ganz besonders für die Pflegekräfte, die teilweise eine geriatrische Zusatzqualifikation haben. Und wir legen unser Augenmerk auch auf Demenzpatienten und Delirgefährdete und versuchen gezielt vorzubeugen“, sagt Dr. Hösch, „das gelingt aber nicht immer.“Auch in diesem Bereich ist die Klinik Krumbach mit stationären und ambulanten Angeboten für Menschen mit demenziellen Erkrankungen bestens aufgestellt, unter anderem mit der Teilnahme am Bayerischen Modellprojekt „Menschen mit Demenz im Akutkrankenhaus“(2014 bis 2017). Dr. Hösch hat die Krumbacher Geriatrie anfangs in der Traumatologie aufgebaut, jetzt profitieren auch Patienten der Bauchchirurgie von diesem Angebot.
Noch auf Eis liegt derzeit das Projekt „Mobilität und Sicherheit im Alter (MoSi). Zwei Physiotherapeuten der Klinik Krumbach haben die entsprechende Fortbildung für das fünfwöchige Trainings- und Präventionsprogramm schon gemacht, das vom Geriatrie-Zentrum Erlangen am Malteser Waldkrankenhaus
St. Marien entwickelt worden ist und bayernweit etabliert werden soll. Sobald es die Pandemie-Vorgaben erlauben, können an der Klinik Krumbach Patienten und externe Teilnehmer mit „MoSi“etwas für stabile und sichere Bewegung im Alter tun.
Die Geriaterin Dr. Hösch ist dann vielleicht nicht mehr dabei, denn sie wird in absehbarer Zeit in Ruhestand gehen und ihre Aufgaben in die Hände von Dr. Natasha Kostadinovska legen. Derzeit arbeitet sich die Nachfolgerin ein und Dr. Hösch sagt: „Ich denke, dass die Akutgeriatrie an der Klinik Krumbach eine gute Perspektive hat.“