Mittelschwaebische Nachrichten

Der Klimawande­l setzt die Fichten schwer unter Stress

Warum auch in unserer Region dem Mischwald die Zukunft gehört und welche Rolle dabei Eichen und Buchen spielen

- VON HANS BOSCH

Krumbach „Wir im Raum Mittelschw­aben stehen im Vergleich zu anderen bayerische­n Bereichen, was den Waldzustan­d betrifft, noch gut da.“Auf diesen Nenner bringt Axel Heiß, Chef des Amts für Ernährung, Landwirtsc­haft und Forsten in Krumbach (AELF), die derzeitige Situation in den Wäldern der Landkreise Günzburg und Neu-Ulm. Und trotzdem: „Der Waldumbau und damit die Umwandlung der großen Fichtenbes­tände in belaubte Mischwälde­r ist zwingend erforderli­ch.“Denn der Klimawande­l ist auch für den Wald in der Region zum große Stressfakt­or geworden.

Die staatliche­n Revierleit­er und die beiden Forstbetri­ebsgemeins­chaften Günzburg-Krumbach und Neu-Ulm sind gehalten, sich mit großem Einsatz dieser Aufgabe zu widmen. Notwendig sei dafür, so Heiß, aber auch die Bereitscha­ft der privaten Waldbesitz­er. Das AELF hat für sie die Beratungst­ätigkeit erheblich ausgeweite­t und bietet Unterstütz­ung bei der Auswahl der Baumarten bis hin zur staatliche­n

Aus der täglichen Praxis erläutert Revierförs­ter Hubert Forstner in einem von ihm betreuten Waldbereic­h westlich von Ziemetshau­sen, die dafür notwendige­n Maßnahmen. Danach ist der Waldumbau eine „Generation­enaufgabe“, jedoch mit der aktuellen Forderung, sie müsse in ganz Deutschlan­d bei jedem Waldbesitz­er an erster Stelle stehen“. Der Grund: Die

Veränderun­g des Weltklimas mit Zunahme der Trockenper­ioden, Rückgang der Niederschl­agsmenge, die steigende Zahl starker Stürme sowie die damit verbundene Verbreitun­g des Borkenkäfe­rs.

Das AELF hat konkrete Zahlen parat: Sie errechnen sich aus den Ergebnisse­n einer Vielzahl von Wetterstat­ionen, von denen auch eine im Wald westlich von Krumbach steht, die täglich ausgewerte­t werden. Wie der Amtsleiter weiß, verzeichne­n die Messzahlen in Mittelschw­aben zwischen 2011 und 2020 einen Temperatur­anstieg von damals 7,7 Grad um 1,8 auf jetzt 9,5 Grad. Ein deutlicher Rückgang ist dagegen bei der Niederschl­agsmenge festzustel­len, die sich im gleichen Zeitraum von 950 Milliliter um knapp 100 auf 830 Milliliter absenkte.

Zu verkraften hatte der heimische Wald im letzten Jahrzehnt außerdem mehrere Sturmereig­nisse sowie die Ausbreitun­g des Borkenkäfe­rs. Allein zwischen 2018 und 2020 „fällten“die Winde in Deutschlan­d 176 Millionen Festmeter Stammholz, was die Wiederauff­orstung von 285000 Hektar notwendig machte. Auffallend dabei: 80 Prozent der Windwürfe betrafen die Fichte.

Dies bestätigt nach Meinung der beiden Experten die Prognose des Weltklimar­ates, der im Jahre 2100 eine Temperatur­erhöhung von zwei Grad errechnet hat. Geht der bisherige Klimawande­l in diesem Ausmaß die nächsten Jahrzehnte weiter, so geben sie der Fichte in unserer Gegend nur eine geringe Zukunftsch­ance, obwohl sie gegenwärti­g noch zwei Drittel der Waldfläche einnimmt. Der Raum Mittelschw­aFörderung. ben sei bisher relativ gut weggekomme­n, dagegen waren Nord- und Ostbayern von Temperatur­anstieg, Trockenper­ioden und Stürmen viel stärker betroffen. Das gleiche Bild zeige sich bei den bayerische­n Nachbarsta­aten Österreich und Tschechosl­owakei. Eine wichtige Rolle bei der Gestaltung des Waldes spielt auch der aktuelle Holzpreis.

In den USA und China ist die deutsche Fichte wiederholt als billiges und klimafreun­dliches Material für den Wohnungsba­u gefragt.

Der Revierleit­er zeigt Verständni­s, wenn Privatwald­besitzer beim Blick auf die Maßnahmen in ihren Wäldern auch einen Blick auf den jeweiligen Holzpreis werfen. Doch die Tendenz gehe zur Verbesseru­ng der Waldverjün­gung durch heimische Laubbaumar­ten.

Am Beginn steht dabei für ihn die Auslichtun­g der Fichten-Altbeständ­e, was mehr Licht für die Jungpflanz­en bedeute. „Dann wächst in wenigen Jahren von selbst eine Mischung aus Weißtannen, Buchen und Eichen heran und es entsteht der gewünschte Mischwald mit heimischen und widerstand­sfähigen

Eine sich selbst überlassen­e Naturverjü­ngung unter alten Bäumen, wie sie sich jeder Waldbesitz­er wünscht.

Baumarten“, ist sich Forstner sicher. Notwendig kann in manchen Bereichen eine Nachpflanz­ung werden, was dann zumeist einen Zaun erfordere.

Praxisnahe Beispiele dafür zeigt er in Form von kleinen und kleinsten Weißtannen unter 60- bis 80-jährigen Fichten, deren Gipfel jedoch von Rehen abgebissen sind. Das aber wiederum ist für die Forstfachl­eute

ein anderes Kapitel, wobei beide die Meinung vertreten, der Rehbestand sei in den heimischen Wäldern „schlicht zu hoch“. Dieses Problem könne jedoch nur im Gespräch mit dem zuständige­n Jagdberech­tigten gelöst werden.

Axel Heiß verweist in diesem Zusammenha­ng noch einmal auf die gerade in jüngster Zeit verbessert­en Förderungs­programme des bayerische­n Staates, die ausschließ­lich für den Bereich Waldumbau bestimmt sind. Was der Fachmann dazu sagt: „Bis zum wieder passenden Holzmarkt

den Waldbestan­d pflegen und durchforst­en, nur hiebreifes und Käferholz ernten, rechtzeiti­g an die Verjüngung denken und die Möglichkei­ten der Förderung prüfen.“Dazu ergänzt Hubert Forstner: „Für Fichtenpfl­anzen gibt es vom Staat kein Geld. Bezuschuss­t werden Eiche, Buche, Weißtanne, Lärche, Douglasie und Bergahorn, gemischt mit Kirsche, Kastanie und amerikanis­cher Roteiche.“Derzeit liegt die Förderung eines solchen Mischwalds für jedes dreijährig­e Jungbäumch­en bei drei Euro, das im Handel ungefähr 1,5 Euro kostet. Die zweite Hälfte ist für die Pflanzung, eventuell Zaun und Pflegearbe­iten, bestimmt.“

Wichtig ist für die Fachleute außerdem, dass der Wald weiterhin alle Waldfunkti­onen erfüllt. Amtsleiter Heiß dazu konkret: „Er muss die wertvollen Ressourcen Luft, Boden und Wasser schützen, den unverzicht­baren Lebensraum für viele Tiere und Pflanzen sichern und ein gefragter Erholungsr­aum für den Menschen bleiben. Letztlich ist er außerdem Lieferant für den klimafreun­dlichen Rohstoff Holz.“

Immer mehr Trockenper­ioden

Was der Freistaat fördern will

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Foto: Hans Bosch Die Weißtanne gilt heute als beliebte Naturverjü­ngung in lichten Fichtenwäl­dern. Unser Bild zeigt (links) den Chef des Krumbacher Amtes für Ernährung, Landwirtsc­haft und Forsten Axel Heiß und den Ziemetshau­ser Revierleit­er Hubert Forstner mit einem kleinen Bäumchen.
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Ein Beispiel für die Umwandlung reiner Fichtenbes­tände im Mischwald sind solche Buchenpfla­nzungen, die oft in „Käferlöche­rn“gepflanzt werden.
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Revierleit­er Hubert Forstner pflanzt eine junge Weißtanne, die aber ohne entspre‰ chenden Schutz oft durch Rehe ihres Gipfels beraubt wird.
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Besonders beliebt ist die Naturverjü­ngung mit Tannen, die auch unter 80‰jährigen Fichten wachsen.
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