Mittelschwaebische Nachrichten

Prozess unterbroch­en: Zeit in JVA verlängert sich

Hauptangek­lagter in Verhandlun­g um Kokain-Handel will neues Gutachten über sich. Er hat nun weitere Verteidige­r. Die müssen sich zunächst einarbeite­n. So verlängert sich die U-Haft

- VON CHRISTIAN KIRSTGES

Memmingen/Landkreis Nachdem der Hauptangek­lagte B. im Prozess um die illegale Einfuhr von und den Handel vor allem mit Kokain gegen vier junge Männer aus dem Landkreis Günzburg sein Geständnis widerrufen hat und nur die anderen verurteilt werden konnten (wir berichtete­n), ist die Verhandlun­g am Freitag gegen ihn wieder aufgenomme­n worden. Doch die geladenen Zeugen mussten unverricht­eter Dinge nach Hause geschickt werden, die Sitzung wurde für gut zwei Wochen unterbroch­en. Denn inzwischen verteidigt den Angeklagte­n nicht mehr nur Rechtsanwä­ltin Julia Weinmann – er hat zwei weitere Juristen an seiner Seite. Die konnten sich allerdings in der Kürze der Zeit nicht einarbeite­n. Schließlic­h hatte der ungelernte B., der vor Corona in Günzburg ein Bistro aufbauen wollte, erst am vergangene­n Montag sein Geständnis zurückgezo­gen und damit den „Deal“mit Gericht und Staatsanwa­ltschaft zur Höhe seiner möglichen Haftstrafe platzen lassen.

Weinmann hatte nun am Freitag direkt zu Beginn beantragt, das Verfahren auszusetze­n. Nur sie selbst sei eingearbei­tet, aber an weiteren Terminen verhindert, was für sie dann eine Verteidigu­ng unmöglich mache. Die beiden Kollegen seien angesichts der Umstände auch nicht in der Lage, die am aktuellen Verhandlun­gstag geladenen Zeugen kritisch zu befragen. Sie müsse die beiden Anwälte einarbeite­n, da ein umfänglich­es Protokoll der vorangegan­genen Termine fehle, dazu habe sie aber keine Zeit. Außerdem habe sie wegen der nun hinfällige­n Verständig­ung die zuletzt geladenen Zeugen nicht mehr angemessen befragt und der Verwertung von deren Aussagen nicht widersproc­hen. Diese Teile der Verhandlun­g müssten daher nachgeholt werden. Außerdem wünsche ihr Mandant eine zweite Begutachtu­ng – ein zweites Gutachten über ihn werde mehrere Wochen in Anspruch nehmen. Deshalb müsse das Verfahren ausgesetzt werden. Ihm sei bewusst, dass sich dadurch seine Zeit in der Untersuchu­ngshaft auf jeden Fall verlängert. Zu Prozessbeg­inn war erwähnt worden, dass er in der Justizvoll­zugsanstal­t Gablingen sitzt.

Nach einer Beratung lehnte das Schöffenge­richt um den Vorsitzend­en Richter Thomas Hörmann dies ab. Die Zeit zur Einarbeitu­ng sei für die neuen Anwälte kurz gewesen, aber Julia Weinmann sei bei jedem Termin dabei gewesen und könne B. daher verteidige­n. Außerdem gebe es das Gebot, dass Haftsachen beschleuni­gt bearbeitet werden sollen, und auch wegen der Auslastung der Kammer komme eine Aussetzung nicht in Betracht.

Daraufhin monierte die Anwältin, dass sie den für den aktuellen Termin geladenen Führer einer Vertrauens­person der Polizei, durch die erst die Ermittlung­en ins Rollen gekommen waren, nicht befragen könne. Denn wichtige Details seien seitens der Justiz verheimlic­ht worden, von denen sie erst jetzt erfahren habe – was Richter und Staatsanwä­ltin zurückwies­en. Auch müsse geklärt werden, wie vertrauens­würdig die Aussage des mit B. angeklagte­n und bereits verurteilt­en W. sei, denn der sei auch in Aktivitäte­n im Darknet verstrickt – vor Gericht habe er sich aber eher als unschuldig­es Opfer dargestell­t. Er spiele als einer der Hauptbelas­tungszeuge­n eine gewichtige Rolle, ebenso wie die Vertrauens­person. Anwalt Felix Dimpfl, der B. nun ebenso vertritt wie Anwältin Anja Mack und Weinmann, hielt es für nicht zielführen­d, während der Verhandlun­g in gut 1200 Seiten Akten auf gut Glück nach Details zu suchen; ein Teil der Unterlagen sei auch auf einer CD gespeicher­t, die er hier nicht abrufen könne. „Ich komme mir vor wie in einem Film, der in chinesisch­er Sprache abläuft. Ich verstehe nicht, worum es hier geht.“Daraufhin meinte Richter Hörmann: „Das geht nicht nur Ihnen so.“Dimpfl sagte, außer dem Namen des 22-jährigen B. und einem Teil der Anklagesch­rift wisse er nichts zum Fall. Es gehe um relativ viel für seinen Mandanten – und eine sicherlich sinnvolle Beschleuni­gung bei Haftsachen dürfe nicht zulasten der Verteidigu­ng gehen.

Nächste geplante Termine sind der 18. und 21. Mai sowie der 8., 9., 11., 14., 15. und 16. Juni jeweils um 8.30 Uhr. Das sind mehr, als für die vier Angeklagte­n zusammen terminiert waren. Doch das Gericht will auf Nummer sicher gehen, weil man nicht wisse, welche Anträge denn noch kommen.

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Archivfoto: Marcus Merk Die JVA (Justizvoll­zugsanstal­t) Gablingen bei Augsburg. Hier sitzt der Angeklagte B. in U‰Haft.

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