Mittelschwaebische Nachrichten
Prozess unterbrochen: Zeit in JVA verlängert sich
Hauptangeklagter in Verhandlung um Kokain-Handel will neues Gutachten über sich. Er hat nun weitere Verteidiger. Die müssen sich zunächst einarbeiten. So verlängert sich die U-Haft
Memmingen/Landkreis Nachdem der Hauptangeklagte B. im Prozess um die illegale Einfuhr von und den Handel vor allem mit Kokain gegen vier junge Männer aus dem Landkreis Günzburg sein Geständnis widerrufen hat und nur die anderen verurteilt werden konnten (wir berichteten), ist die Verhandlung am Freitag gegen ihn wieder aufgenommen worden. Doch die geladenen Zeugen mussten unverrichteter Dinge nach Hause geschickt werden, die Sitzung wurde für gut zwei Wochen unterbrochen. Denn inzwischen verteidigt den Angeklagten nicht mehr nur Rechtsanwältin Julia Weinmann – er hat zwei weitere Juristen an seiner Seite. Die konnten sich allerdings in der Kürze der Zeit nicht einarbeiten. Schließlich hatte der ungelernte B., der vor Corona in Günzburg ein Bistro aufbauen wollte, erst am vergangenen Montag sein Geständnis zurückgezogen und damit den „Deal“mit Gericht und Staatsanwaltschaft zur Höhe seiner möglichen Haftstrafe platzen lassen.
Weinmann hatte nun am Freitag direkt zu Beginn beantragt, das Verfahren auszusetzen. Nur sie selbst sei eingearbeitet, aber an weiteren Terminen verhindert, was für sie dann eine Verteidigung unmöglich mache. Die beiden Kollegen seien angesichts der Umstände auch nicht in der Lage, die am aktuellen Verhandlungstag geladenen Zeugen kritisch zu befragen. Sie müsse die beiden Anwälte einarbeiten, da ein umfängliches Protokoll der vorangegangenen Termine fehle, dazu habe sie aber keine Zeit. Außerdem habe sie wegen der nun hinfälligen Verständigung die zuletzt geladenen Zeugen nicht mehr angemessen befragt und der Verwertung von deren Aussagen nicht widersprochen. Diese Teile der Verhandlung müssten daher nachgeholt werden. Außerdem wünsche ihr Mandant eine zweite Begutachtung – ein zweites Gutachten über ihn werde mehrere Wochen in Anspruch nehmen. Deshalb müsse das Verfahren ausgesetzt werden. Ihm sei bewusst, dass sich dadurch seine Zeit in der Untersuchungshaft auf jeden Fall verlängert. Zu Prozessbeginn war erwähnt worden, dass er in der Justizvollzugsanstalt Gablingen sitzt.
Nach einer Beratung lehnte das Schöffengericht um den Vorsitzenden Richter Thomas Hörmann dies ab. Die Zeit zur Einarbeitung sei für die neuen Anwälte kurz gewesen, aber Julia Weinmann sei bei jedem Termin dabei gewesen und könne B. daher verteidigen. Außerdem gebe es das Gebot, dass Haftsachen beschleunigt bearbeitet werden sollen, und auch wegen der Auslastung der Kammer komme eine Aussetzung nicht in Betracht.
Daraufhin monierte die Anwältin, dass sie den für den aktuellen Termin geladenen Führer einer Vertrauensperson der Polizei, durch die erst die Ermittlungen ins Rollen gekommen waren, nicht befragen könne. Denn wichtige Details seien seitens der Justiz verheimlicht worden, von denen sie erst jetzt erfahren habe – was Richter und Staatsanwältin zurückwiesen. Auch müsse geklärt werden, wie vertrauenswürdig die Aussage des mit B. angeklagten und bereits verurteilten W. sei, denn der sei auch in Aktivitäten im Darknet verstrickt – vor Gericht habe er sich aber eher als unschuldiges Opfer dargestellt. Er spiele als einer der Hauptbelastungszeugen eine gewichtige Rolle, ebenso wie die Vertrauensperson. Anwalt Felix Dimpfl, der B. nun ebenso vertritt wie Anwältin Anja Mack und Weinmann, hielt es für nicht zielführend, während der Verhandlung in gut 1200 Seiten Akten auf gut Glück nach Details zu suchen; ein Teil der Unterlagen sei auch auf einer CD gespeichert, die er hier nicht abrufen könne. „Ich komme mir vor wie in einem Film, der in chinesischer Sprache abläuft. Ich verstehe nicht, worum es hier geht.“Daraufhin meinte Richter Hörmann: „Das geht nicht nur Ihnen so.“Dimpfl sagte, außer dem Namen des 22-jährigen B. und einem Teil der Anklageschrift wisse er nichts zum Fall. Es gehe um relativ viel für seinen Mandanten – und eine sicherlich sinnvolle Beschleunigung bei Haftsachen dürfe nicht zulasten der Verteidigung gehen.
Nächste geplante Termine sind der 18. und 21. Mai sowie der 8., 9., 11., 14., 15. und 16. Juni jeweils um 8.30 Uhr. Das sind mehr, als für die vier Angeklagten zusammen terminiert waren. Doch das Gericht will auf Nummer sicher gehen, weil man nicht wisse, welche Anträge denn noch kommen.