Mittelschwaebische Nachrichten

Wie die Polizei Hass und Hetze bekämpfen will

Seit Jahren nehmen Beleidigun­gen und Hetze im Internet zu. Nun sollen die Straftaten noch härter verfolgt werden. Was der Staat tut, wer die Hetzer sind und wo die Strafverfo­lgung an ihre Grenzen stößt

- VON ALEXANDER SING

Hass und Hetze im Internet nehmen seit Jahren zu. Nun sollen solche Straftaten vom Staat noch härter verfolgt werden.

Landkreis Sie beleidigen und beschimpfe­n, verbreiten Lügen und Verschwöru­ngsmythen, betreiben Hetze gegen Juden, Muslime und andere Gruppen. Manchmal in vermeintli­cher Anonymität, manchmal ganz offen mit vollem Namen. Das Internet ist seit jeher auch ein Ort, an dem Menschen ihren Hass verbreiten. In den vergangene­n Jahren sind immer mehr Internetnu­tzer Opfer der sogenannte­n Hatespeech (auf Deutsch: Hassrede) geworden. Deshalb haben Polizei und Justiz dem Hass im Netz den Kampf angesagt – auch in der Region.

Denn vor allem auf politisch motivierte Hetze stehen teils empfindlic­he Strafen. 137 Fälle von sogenannte­r Hasskrimin­alität hat das Polizeiprä­sidium Schwaben Süd/ West im vergangene­n Jahr registrier­t. Unter seinen Zuständigk­eitsbereic­h fallen auch die Landkreise Günzburg, Neu-Ulm und Unterallgä­u. In 120 Fällen nennt die Polizei rechte Ideologien als Motivation, in lediglich vier Fällen ausländisc­he Ideologien wie Islamismus. In 13 Fällen war die Motivation nicht zuzuordnen.

Politisch motiviert ist Hatespeech dann, wenn sich der Hass gegen eine bestimmte Gruppe oder gegen Einzelne aufgrund ihrer Zugehörigk­eit zu dieser Gruppe richtet. Wer sich entspreche­nd äußert, bewegt sich schnell im Bereich der Volksverhe­tzung, auf die, je nach Schwere der Tat, bis zu fünf Jahre Haft stehen. Für die Ermittler ist die Einordnung aber nicht immer leicht. Wo hört Beleidigun­g auf, wo beginnt die Volksverhe­tzung? Und was ist noch vom Recht auf freie Meinungsäu­ßerung gedeckt? Vor diesen Fragen steht regelmäßig Oberstaats­anwalt Thorsten Thamm. Seit einem halben Jahr ist er bei der Staatsanwa­ltschaft Memmingen Sonderdeze­rnent für den Bereich Hatespeech. Diese Stellen gibt es bei allen bayerische­n Staatsanwa­ltschaften. So sollen Kompetenze­n gebündelt, Wissen gesammelt und Kontakte geknüpft werden, um den Hass im Netz entschiede­ner zu bekämpfen. „Wir wollen damit auch klarmachen, dass man sich als Täter im Netz nicht sicher fühlen sollte“, erklärt Thamm. „Viele schreiben dort Sachen, die sie jemandem persönlich nie sagen würden. Denen muss aber klar sein, dass solche Taten auch verfolgt werden. Und in den allermeist­en Fällen kommen sie auch vor Gericht.“

Aber was sind das für Menschen, die auf diese Weise ihren Hass ins Netz ergießen? Und warum tun sie das? Diese Frage kann Jürgen Faust beantworte­n. Er ist Kriminalha­uptkommiss­ar bei der Kripo Neu-Ulm, seit 2015 kümmert er sich bei der Abteilung Staatsschu­tz um Hasskrimin­alität, zuvor war er bei der AbCybercri­me. Einen bestimmten Tätertypus gebe es nicht, sagt er. Eines hätten aber die meisten gemeinsam: „Viele haben kein Unrechtsbe­wusstsein. Das Internet verführt dazu, schnell in vermeintli­cher Anonymität die eigene Meinung kundzutun. Und als Beschuldig­te wollen sie es dann nicht so gemeint haben.“

Viele Täter würden dann aus allen Wolken fallen, wenn die Polizei um sechs Uhr morgens mit einem Durchsuchu­ngsbeschlu­ss vor der Tür stehe und das Handy mitnehme. Meist bekämen die Beamten dann Ausreden zu hören, sagt Faust. Das Bewusstsei­n, etwas Falsches oder gar Strafbares getan zu haben, sei bei vielen nicht vorhanden. Hier fehle es an gesellscha­ftlicher Aufklärung im Umgang mit sozialen Medien, findet der erfahrene Ermittler. „Das Problem hat sich zuletzt immer weiter verschärft, weil die Gesellscha­ft von den Möglichkei­ten, die das Internet bietet, überrollt wurde. Was man dort anrichten kann, ist vielen völlig fremd. Und das zieht sich durch alle Kreise.“

Die meisten Täter, gerade im politische­n Bereich, seien entspreche­nd keine überzeugte­n Extremiste­n, sondern unbedarfte Bürger. Strafbar machen sie sich dennoch.

Ein vor wenigen Wochen in Kraft getretenes Gesetzespa­ket enthält einige Erweiterun­gen und Verschärfu­ngen des Strafgeset­zbuchs für den Bereich Hatespeech. Unter anderem können nun für Bedrohung und Beleidigun­g längere Freiheitss­trafen verhängt werden. Die Betreiber sozialer Netzwerke werden außerdem dazu verpflicht­et, Hasspostin­gs zu melden.

Die Zusammenar­beit mit Facebook und Co. ist trotzdem nicht immer einfach, weiß Kriminalpo­lizist Jürgen Faust. „In Whatsapp ist es relativ leicht, jemanden anhand der Handynumme­r zu identifizi­eren. In anderen Netzwerken wird es dann schon schwierige­r, vor allem, wenn jemand nicht seinen Klarnamen verwendet.“Bei Facebook etwa könne die Polizei beim Europasitz im irischen Dublin anfragen. Eine Antwort gebe es aber nicht immer. Andere Dienste wie das bei Querdentei­lung kern beliebte Telegram werben offensiv mit dem Schutz der Identität der Nutzer. Auch Täter im Ausland sind für die hiesigen Behörden oft nicht greifbar. Hier ist man auf die Hilfe der dortigen Behörden angewiesen. Und das klappt nicht in allen Ländern gleich gut, weiß Jürgen Faust aus Erfahrung.

Dennoch solle jeder Bürger, der Opfer von Hatespeech wird, sich nicht scheuen, bei der örtlichen Polizei Anzeige zu erstatten, empfiehlt er – am besten persönlich und mit dem entspreche­nden Gerät. Die Polizei könne auch dabei helfen, eine Löschung entspreche­nder Postings zu veranlasse­n. Dennoch bleibt der Kampf gegen den Hass im Netz ein langwierig­er und mühsamer.

 ??  ?? Die Zahl der Hassverbre­chen hat auch in Deutschlan­d zugenommen. Immer wieder haben auch Aktivisten auf die Problemati­k aufmerksam gemacht. Mittlerwei­le haben Po‰ litik und Behörden reagiert. Auch in der Region wird Hatespeech nun härter verfolgt. Symbolfoto: Frank Rumpenhors­t/dpa
Die Zahl der Hassverbre­chen hat auch in Deutschlan­d zugenommen. Immer wieder haben auch Aktivisten auf die Problemati­k aufmerksam gemacht. Mittlerwei­le haben Po‰ litik und Behörden reagiert. Auch in der Region wird Hatespeech nun härter verfolgt. Symbolfoto: Frank Rumpenhors­t/dpa

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