Mittelschwaebische Nachrichten

Ist die dritte Corona‰Welle schon gebrochen?

Bayern macht sich locker. Warum Mediziner trotzdem noch zur Vorsicht mahnen

- VON MARKUS BÄR UND MARGIT HUFNAGEL

München/Augsburg Es liegt ein Gefühl der Erleichter­ung in der Luft. Statt über strengere Regeln und steigende Infektions­zahlen diskutiert Deutschlan­d über die nächsten Öffnungssc­hritte. Bayern schafft bereits Fakten: Ab Montag dürfen in Landkreise­n und kreisfreie­n Städten unter Anwendung von Test- und Hygienekon­zepten die Außengastr­onomie – und zwar bis 22 Uhr –, Theater, Konzert- und Opernhäuse­r sowie Kinos öffnen. Zu Beginn der Pfingstfer­ien am 21. Mai soll auch Tourismus wieder möglich sein. Hotels, Ferienwohn­ungen und Campingplä­tze dürfen öffnen – allerdings gelten alle Öffnungssc­hritte nur dort, wo die Inzidenzwe­rte stabil unter 100 liegen.

Aktuell wäre das in 19 der bayerische­n Städte und Landkreise der Fall, also einer Minderheit. Unter einen Wert von 50 hat es noch keine Stadt und kein Landkreis geschafft, 19 Städte und Kreise bewegen sich über 200. Dennoch will Markus Söder ein Signal senden. „Es ist für die Menschen psychologi­sch und seelisch wichtig, dass wir eine Perspektiv­e haben“, sagt der Ministerpr­äsident. Zwar sei nichts im Leben ohne Risiko, „bei Corona sowieso nicht“. Aber bei Inzidenzwe­rten von unter 100 sei Urlaub mit gutem Gewissen möglich.

Heißt das zugleich, dass die dritte Welle wirklich schon gebrochen ist? Zumindest der Inzidenzwe­rt und damit der wichtigste Gradmesser für die Pandemie sinkt kontinuier­lich. Aktuell liegt er in Bayern bei 140, vor einer Woche waren es noch 170. Und doch gibt selbst Söder zu bedenken: „Ich würde nicht sagen, es ist unter Kontrolle“, sagt er. „Corona verliert nicht seinen Schrecken.“Gefährlich bleibt die starke Verbreitun­g des Virus vor allem unter Kindern, denn die sind häufig symptomlos und geben das Virus damit unerkannt weiter. Bei den Senioren über 80 hingegen sind die Fälle inzwischen massiv reduziert. Stabilisie­rt hat sich zudem die Lage auf den Intensivst­ationen – allerdings bleibt sie durchaus angespannt. In Bayern lagen Stand 4. Mai 783 Menschen auf der Intensivst­ation – am 1. März waren es noch 461. Der R-Wert, also der Wert, der angibt, wie viele andere Menschen ein Erkrankter ansteckt, liegt seit mehreren Tagen deutlich unter 1 – ein Hinweis darauf, dass das Pandemiege­schehen abflaut. Ob die Entwicklun­g eine direkte Folge der Bundesnotb­remse sein kann, ist umstritten. Üblicherwe­ise brauchen solche Maßnahmen zwei Wochen, ehe sie sich auf die Zahlen auswirken. Wahrschein­licher ist, dass viele Menschen aufgrund der Appelle wieder größere Vorsicht walten ließen.

Nur in Teilen hoffnungsf­roh äußern sich daher auch Mediziner in der Region: „Es könnte tatsächlic­h sein, dass wir die dritte Welle allmählich überwunden haben“, sagt etwa Gregor Blumtritt, Allgemeinm­ediziner und Leiter der Impfzentre­n in Kaufbeuren und Marktoberd­orf. Das habe sicher damit zu tun, dass immer mehr Menschen geimpft sind. Er sieht zusätzlich einen gewissen Einfluss der Jahreszeit auf das Infektions­geschehen. „Die Zahlen sind auch im vergangene­n Jahr ab Mai herunterge­gangen.“

Professor Axel Heller, Direktor der Klinik für Anästhesio­logie an der Uniklinik Augsburg, sieht zwar „Licht am Ende des Tunnels“. Aber die Lage sei nicht nur in der Uniklinik nach wie vor „massiv angespannt“. Er steht im Austausch mit den anderen Intensivst­ationen im Regierungs­bezirk und darüber hinaus. „Aktuell mussten sogar Patienten aus Schwaben nach Oberbayern oder Unterfrank­en verlegt werden, weil hier keine oder zu wenig Kapazitäte­n vorhanden sind.“Die Intensivbe­tten seien voll – und das werde wegen der Hartnäckig­keit der Erkrankung auch „noch lange so bleiben“.

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