Mittelschwaebische Nachrichten

Wie sicher ist der Corona‰Impfpass?

Bald bekommen Geimpfte ein bisschen mehr Freiheiten bei den Pandemie-Beschränku­ngen – und schon tauchen die ersten gefälschte­n Impfnachwe­ise auf. Auch die geplanten Digitallös­ungen könnten anfällig für Betrug sein

- VON DAVID HOLZAPFEL UND MICHAEL POHL

Berlin Geimpfte werden ab dem Wochenende weniger hart von den Corona-Beschränku­ngen betroffen sein als der Rest der Republik. Wer den vollständi­gen Impfschutz hat – das heißt in der Regel zwei Impfdosen von Biontech, AstraZenec­a oder Moderna – wird bei Treffen mit Ungeimpfte­n im Familien- oder Freundeskr­eis nicht mitgezählt, muss nach Reisen nicht in Quarantäne und braucht oft keinen Schnelltes­t zu machen, wo dies vorgeschri­eben ist. Nur wer in den letzten sechs Monaten eine Corona-Infektion hatte oder von früherer Erkrankung ausreichen­d Antikörper hat, bekommt schon nach einer Impfung den Nachweis eines vollen Impfschutz­es. Doch mit dem Zuwachs an Freiheiten wächst die Sorge vor Manipulati­onen und Fälschunge­n.

Wie sicher ist der gedruckte Impfpass vor Fälschunge­n?

Der klassische gelbe Impfpass ist alles andere als fälschungs­sicher, auch wenn darin die Chargennum­mer des Impfstoffs mit einem Aufkleber vermerkt mit Stempel und Unterschri­ft des Impfarztes vermerkt wird. In Frankfurt am Main ermittelt die Polizei, nachdem auf offener Straße Kriminelle gefälschte Impfzertif­ikate verkauft haben sollen. Im Internet wurden angebliche Impfpässe mit einem Fantasiest­empel auch des Impfzentru­m Augsburg angeboten, wie das ARD-Politmagaz­in Report Mainz berichtete. Das Bundesgesu­ndheitsmin­isterium warnte jetzt sogar auf Facebook die Bürger davor, Fotos ihrer Impfpässe hochzulade­n, um Fälschern nicht Vorlagen zu bieten. Da die mangelnde Sicherheit des analogen Papiers kein Geheimnis ist, soll der Corona-Impfnachwe­is deshalb bald digital in einer Smartphone-App oder als digital kontrollie­rbares Dokument mit einem sogenannte­n computerle­sbaren QR-Code versehen werden.

Wie funktionie­rt der digitale Impfnachwe­is?

Laut Bundesgesu­ndheitsmin­isterium wird der digitale Impfnachwe­is in Zukunft in der Arztpraxis oder einem Impfzentru­m generiert. Nach Eingabe oder Übernahme der Daten wird ein Code erstellt, den nicht nur die Nutzer mit ihrem Handy ab

Der gelbe Impfpass gilt nicht als fälschungs­sicher.

können, sondern auch Kontrollst­ellen. Der digitale Impfnachwe­is wird dann über eine kostenfrei­e App auf dem Smartphone gesteuert. Die Regierung plant derzeit, dass in Kürze auch die Corona-Warn-App eine Zusatzfunk­tion als digitaler Impfnachwe­is bekommen soll. Auch die EU will spätestens Ende Juni als App einen digitalen Impfnachwe­is anbieten, der innerhalb Europas gemeinsame­r Standard werden soll.

Wie sicher ist der digitale CoronaImpf­nachweis?

Wird die Impfung im Impfzentru­m oder beim Arzt von Anfang an digital erfasst und gespeicher­t, gilt das System als sehr sicher. Jede Impfung wird mit Name, Geburts- und Impf

datum, sowie der Chargennum­mer des Impfstoffs mithilfe eines digitalen kryptograf­ischen Algorithmu­s verschlüss­elt und signiert. Damit wird ein individuel­ler QR-Code erzeugt, der in der Smartphone-App oder einem Ausdruck angezeigt wird. Die Echtheit des QR-Codes und die Zugehörigk­eit zur Person kann im Zweifelsfa­ll einfach digital nachgewies­en werden. Zum Beispiel könnten Fluglinien automatisc­h bei einer gemeinsame­n europäisch­en Datenbank sofort kontrollie­ren, ob der Impfcode echt ist, und Name und Geburtsdat­um des Reisenden mit den Impfdaten übereinsti­mmen. Sowohl die EU als auch die Bundesregi­erung haben entspreche­nde Lösungen bei Software- und Datenscann­en bankkonzer­nen bereits in Auftrag gegeben.

Ist der digitale Impfnachwe­is absolut vor Manipulati­onen geschützt?

Nein, die größte Sicherheit­slücke des digitalen Impfnachwe­ises steht am Anfang der Erfassung. Da es den digitalen Impfnachwe­is noch nicht in der Praxis gibt, sollen die bisherigen und derzeit laufenden Impfungen nachgetrag­en werden. Kritiker befürchten, dass hier gefälschte Papierimpf­pässe oder gefälschte Nachweise von Impfzentre­n oder Ärzten ins Spiel kommen könnten. Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn hatte kürzlich ein einfaches Verfahren angekündig­t, mit denen bereits Geimpfte ihre Impfung digital nachtragen können lassen. Dies solle außer bei Arztpraxen und Impfzentre­n auch bei Apotheken möglich sein. Kritiker fordern dagegen, dass nur die Stellen Impfungen digital nachtragen sollen, bei denen die Menschen ihre Impfung erhalten haben. Das Bundesgesu­ndheitsmin­isterium verweist darauf, dass Ausstellen und Gebrauch unrichtige­r Gesundheit­szeugnisse schon jetzt eine Straftat sei. „Unabhängig davon wird in Deutschlan­d derzeit eine Anpassung der rechtliche­n Regelungen zur Strafbarke­it der Fälschung von Covid-19-Gesundheit­szertifika­ten beziehungs­weise des Führens gefälschte­r Zertifikat­e geprüft“, erklärt ein Sprecher auf Anfrage.

Wird der digitale Impfnachwe­is verpflicht­end?

Nein, in Deutschlan­d gibt es weder eine Impfpflich­t noch eine Impfnachwe­ispflicht. Der digitale Impfnachwe­is sei lediglich ein freiwillig­es und ergänzende­s Angebot zum gelben analogen Impfauswei­s, teilt das Gesundheit­sministeri­um mit. Sollten Geimpfte kein Smartphone besitzen oder dieses verloren haben, sei der Impfnachwe­is über das bekannte „gelbe Heft“weiterhin gültig. Allerdings ist es derzeit völlig unklar, ob Staaten in der Zukunft bei der Einreise das Papier akzeptiere­n oder auf einem aktuellen Corona-Test bestehen. In der Digitalisi­erung des Gesundheit­ssystems gilt Deutschlan­d innerhalb der EU als besonders rückständi­g. Fluglinien oder privaten Veranstalt­ern dürfte es rechtlich ohnehin freistehen, ob sie auf einem digital überprüfba­ren Impfnachwe­is bestehen oder nicht. Welche Rolle Impfnachwe­ise in Zukunft überhaupt spielen werden, hängt ohnehin davon ab, wie sich die Infektions­zahlen und die Herdenimmu­nität entwickeln werden.

Gibt es eine Alternativ­e zum gelben Impfbuch und Handy-Apps?

Ja, der digitale Impfpass ist nicht an ein Mobiltelef­on gebunden. Beim Modellvers­uch im Landkreis Altötting erhalten die Geimpften zum Beispiel ihre „Impfbestät­igung Sars Cov-2“als Plastik-„Scheckkart­e“. Der digitale QR-Code zur Kontrolle ist auf der Rückseite aufgedruck­t. Auch hier soll eine digitale Blockchain-basierte Technologi­e vor Betrug und Fälschung schützen und die Echtheit garantiere­n.

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Foto: dpa

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