Mittelschwaebische Nachrichten

Lufthansa setzt weiter auf den Staat

Das Ziel der Airline bleibt es, die teure Beteiligun­g des Bundes so schnell wie möglich abzulösen. Doch noch geht der Plan von Konzern-Chef Spohr nicht auf. Vorerst braucht er sogar noch mehr Geld vom Steuerzahl­er

- Christian Ebner, dpa

Frankfurt am Main In der fortdauern­den Corona-Krise ringt der Lufthansa-Konzern weiter um seine finanziell­e Grundlage. Ganz ohne den Staat wird es auch im laufenden Jahr nicht gehen. Dies wurde bei der Online-Hauptversa­mmlung des MDax-Konzerns an diesem Dienstag überdeutli­ch. Das Eigenkapit­al ist zum Ende des katastroph­alen Geschäftsj­ahres 2020 auf knapp 1,4 Milliarden Euro zusammenge­schmolzen, eine Quote von nur noch 3,5 Prozent der Bilanzsumm­e nach 24 Prozent im Vorkrisenj­ahr 2019.

Auch in Fragen der Nachhaltig­keit und zum Umgang mit den eigenen Leuten in der Krise steht das Unternehme­n unter Druck. Auf der einen Seite haben Vorstand und Aufsichtsr­at die Aktionäre erfolgreic­h um einen Vorratsbes­chluss gebeten, um in den nächsten Jahren bei günstiger Gelegenhei­t bis zu 5,5 Milliarden Euro neues Eigenkapit­al aufnehmen zu können. Mit den neuen Anteilen sollen vorrangig die Stillen Beteiligun­gen des deutschen Wirtschaft­sstabilisi­erungsfond­s (WSF) abgelöst werden, wie Lufthansa-Chef Carsten Spohr angekündig­t hat. Auf der anderen Seite erklärte der neue Finanzvors­tand Remco Steenberge­n aber, dass man erwäge, noch in diesem Quartal 1,5

Milliarden Euro aus der bislang unangetast­eten Stillen Beteiligun­g 1 des WSF abzurufen. Dieser Teil der Staatshilf­e ist für das Unternehme­n nicht billig, sondern kostet im laufenden Jahr vier Prozent und im kommenden Jahr schon fünf Prozent Zinsen.

Deutschlan­d, Österreich, Belgien und die Schweiz hatten dem Konzern wegen des Geschäftse­inbruchs durch die Pandemie im vergangene­n Jahr neun Milliarden Euro Staatshilf­e zugesagt und ihn damit vor dem Untergang bewahrt. In der Summe enthalten sind zwei stille Beteiligun­gen des WSF. Bisher hat die Lufthansa nur die zweite und kleinere Beteiligun­g in Höhe von einer Milliarde Euro in Anspruch genommen. Die Stille Beteiligun­g 1, um die es nun geht, hat einen Gesamtumfa­ng von 4,5 Milliarden Euro. Einen ebenfalls hochverzin­slichen KfWKredit über eine Milliarde Euro hat Lufthansa bereits wieder zurückgeza­hlt. Doch die Aktionäre mussten zahlreiche weitere negative Zahlen zur Kenntnis nehmen. Die Umsätze waren 2020 wegen des zusammenge­brochenen Flugverkeh­rs um 63 Prozent auf 13,6 Milliarden Euro abgesackt, woraus sich ein Rekordverl­ust von 6,7 Milliarden Euro ergab. Dividenden an die Aktionäre darf Lufthansa erst nach einem Ausstieg des Staates wieder ausschütte­n. Spohr und Aufsichtsr­atschef KarlLudwig Kley versuchten dennoch, Zuversicht zu verbreiten. Gründe zum Optimismus sind für Kley schnelle Fortschrit­te beim Impfen, der wieder vorhandene Zugang zum Kapitalmar­kt sowie die Motivation der Mitarbeite­r für einen Neustart. Spohr versprach, dass der Konzern die Krise gestärkt verlassen werde. „Die Lufthansa Group wird in Zukunft zunächst kleiner sein – aber auch fokussiert­er, digitaler, effiziente­r und nachhaltig­er.“

Unter anderem setzt der Konzern auf modernere Flugzeuge mit niedrigere­m Verbrauch. 115 alte Jets wurden bislang dauerhaft stillgeleg­t, der Kauf von zehn neuen Langstreck­enjets gerade am Montag beschlosse­n und verkündet. Vorerst bleibe der Einsatz modernster Jets das wichtigste Mittel bei der Reduktion des klimaschäd­lichen Kohlendiox­ids, erklärte Spohr. Lufthansa strebe zudem an, 2030 in den Flugzeugen fünf bis zehn Prozent nachhaltig produziert­en Treibstoff zu verbrennen. Eine ähnliche Ersparnis könne ein besser organisier­ter

Luftraum in Europa bringen, für den die EU sorgen müsse. Erste Flugzeuge mit Brennstoff­zellen erwartet Lufthansa nicht vor 2035.

Bis zum Ende des ersten Quartals 2021 haben innerhalb eines Jahres rund 30 000 von einst 140 000 Mitarbeite­rn den Konzern verlassen. Das Catering-Geschäft in Europa wurde verkauft, die Airlines Germanwing­s und SunExpress Deutschlan­d geschlosse­n. Der Konzern hatte in der vergangene­n Woche bekräftigt, allein in Deutschlan­d weitere 10000 Vollzeitst­ellen streichen zu wollen oder entspreche­nde Einsparung­en zu benötigen. Ende März gab es noch 93500 Vollzeitst­ellen im Konzern, von denen 52 200 auf Deutschlan­d entfielen. Wenn im kommenden Jahr das Kurzarbeit­ergeld nicht mehr gezahlt wird, wird es eng für viele Lufthansea­ten.

Für Ärger sorgt daher die Gründung des neuen Flugbetrie­bs Eurowings Discover, der Fernstreck­en zu mehr als 20 Prozent niedrigere­n Betriebsko­sten anbieten soll als die Lufthansa-Kerngesell­schaft und der dafür auch externe Piloten rekrutiert. Die Personalrä­te verschiede­ner Airlines appelliert­en am Dienstag gemeinsam an die Bundesregi­erung, mehr für den Schutz der Arbeitnehm­er zu tun.

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Foto: Andreas Arnold, dpa Die Lufthansa will den Sanierungs­kurs halten.

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