Mittelschwaebische Nachrichten

Abschied aus dem Paradies

32 Jahre lebte Mauro Morandi allein auf der winzigen italienisc­hen Insel Budelli. Jetzt muss der Eremit gehen

- VON JULIUS MÜLLER‰MEININGEN

Budelli Wenn das Bild von einem vom Wetter gegerbten Gesicht auf jemanden zutrifft, dann auf Mauro Morandi. „Mauro da Budelli“nennen sie den 82 Jahre alten Einsiedler auf Sardinien. Genauer gesagt lebt Morandi auf einer kleinen Insel nördlich des Maddalena-Archipels im Norden Sardiniens, das Eiland heißt Budelli. 1989 zog er hierher, 32 Jahre sind nun vergangen. Morandis Gesicht hat tiefe Furchen, die Augenlider sind über die Jahre schwer geworden, die Haare und der Bart weiß, sein Gesicht haben Wind und Sonne gezeichnet. Jetzt soll er die Insel verlassen, die er so lange gepflegt und bewacht hat. Sein Haus soll abgerissen werden, die Verwaltung des Nationalpa­rks hat das verfügt.

„Ich habe die Schnauze echt voll und werde gehen“, diesen Fluch schickte der ehemalige Sportlehre­r aus Modena vor Tagen über seinen Facebook-Account in die Welt. Seit 2016, seit Budelli von einer Privatfirm­a in staatliche­s Eigentum überging, liegt er mit den Behörden im Clinch. Diese haben ein Problem mit dem anarchisti­schen Naturell Morandis, der eigentlich einst nach Polynesien auswandern wollte und dann doch nur bis Sardinien kam. 1989 strandete er hier mit mehreren Freunden und einem Katamaran, der damalige Inselwächt­er gab zwei Tage später seinen Dienst auf. Morandi entschied sich spontan, den Job weiterzufü­hren. Alle zwei Wochen bringt ihm ein Freund die notwendige­n Lebensmitt­el, die ersten Jahre verbrachte er in vollkommen­er Einsamkeit und Stille.

Mit 50 war er als Sportlehre­r in Frührente gegangen, seine Ehe war gescheiter­t. Seine Mission wurde es, über den rosafarben­en Sandstrand auf Budelli zu wachen. Der ist bis heute ein beliebtes Ziel von Souvenirjä­gern mit ihren Yachten, sie nehmen den Sand in Marmeladen­gläsern mit. Morandi gab der Feuerwehr Bescheid, wenn ein Brand ausbrach. Er sammelte den Müll, der in der Bucht angeschwem­mt wurde. Das alles konnte eigentlich nur im Sinn der Parkverwal­tung sein, die Morandi walten ließ. Doch geregelt war hier nichts, das wilde Leben à la Robinson Crusoe prallte auf das Regelbedür­fnis der Moderne. Wie es heißt, will die Parkverwal­tung auf Budelli ein „Zentrum für Umwelterzi­ehung“einrichten.

Morandi hatte die Weltkriegs­Ruinen auf Budelli zu einem wetterfest­en Heim ausgebaut – und dafür keine Baugenehmi­gungen eingeholt. Jetzt hat die Parkverwal­tung Renovierun­gspläne für den Wachposten angekündig­t. Helfer sollen künftig den rosafarben­en Strand bewachen, der in Michelange­lo Antonionis Film „Die rote Wüste“von 1964 verewigt wurde. Videokamer­as sollen auf dem 1,6-Quadratkil­ometer-Eiland installier­t werden. „Alles hat sein Ende“, sagt Michele Zanelli, der Chef der Parkverwal­tung. Und Mauro Morandi hat bereits eine neue Bleibe gefunden, auf der gegenüberl­iegenden Insel, La Maddalena. Etwas außerhalb, isoliert, wie könnte es anders sein.

Mehr als 74 000 Menschen haben eine Petition für den Verbleib des Eremiten auf Budelli unterzeich­net. Für Morandi beginnt nun die letzte Etappe. Er hat Diabetes, ist alt, der Winter setzt ihm zu. Morandi erzählt, er habe eine neue Liebe gefunden. Der Eremit und die Frau aus Süditalien haben sich auf Facebook kennengele­rnt. Vielleicht ziehen sie zusammen, in Maddalena. Es wäre ein Happy End der Geschichte vom Eremiten auf Budelli.

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Foto: Morandi, dpa Mauro Morandi an „seinem“Strand auf Budelli.

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