Mittelschwaebische Nachrichten
Wie machen Einkaufszentren nach Corona weiter?
Handel Die Pandemie macht den Shoppingcentern in der Region wirtschaftlich das Leben schwer. Glacis-Galerie, Blautal-Center, Ex-Möbel-Mahler und das Iller-Center stemmen sich gegen den Abwärtstrend
Landkreis/Ulm Firmenpleiten, Ladenschließungen, begrenzte Öffnungszeiten – die Pandemie hat in den Einkaufscentern der Region deutliche Spuren hinterlassen. Nur vier Center-Neueröffnungen in ganz Deutschland wurden in die nun veröffentlichte Statistik des „EHI Retail Institute“, einem Forschungsund Bildungsinstitut für den Handel, aufgenommen. Für die nächsten Jahre erwarten die Experten eine Welle an Veränderungen. Laut dem Bundesverband E-Commerce und Versandhandel wuchs der Markt im 2. Halbjahr 2020 um 16,5 Prozent. Prozente, die im stationären Handel fehlen. Ein Blick auf die Center der Region.
● GlacisGalerie Das Einkaufszentrum wurde erst 2015 eröffnet. Die Verkaufsfläche beträgt 27.800 Quadratmeter, der Anteil an Handel laut EHI 94,1 Prozent, Dienstleister 1,4 Prozent und Gastronomie 1,4 Prozent. Gerade in Sachen Essen und Trinken tut sich etwas in der GlacisGalerie. Wie Centermanager Torsten Keller auf Anfrage sagt, werde im ehemaligen Thai Curry jetzt definitiv ein neues Konzept angesiedelt. Der Vertrag mit dem bisherigen Mieter werde aufgelöst. Ein „Salatkonzept“soll folgen. Den Namen könne Keller erst nach Vertragsunterzeichnung nennen, diese sei aber soweit nur noch eine Formsache. Andere neue Gastronomen haben nun unterschrieben: der argentinische Imbiss „Rincon Argentina“, das Teehaus „Machhia Tea“und eine „Chocobar“. Trotz der alles andere als planungssicheren Rahmenbedingungen durch Corona konnten die Mietverträge abgeschlossen werden. Neu ist auch, dass mit der Bäckerei Bühr ein Ersatz für Sternenbäck an der „Grünen Brücke“gefunden wurde und der Vertrag mit der „Cafébar Milano“unterschrieben wurde. Keller: „Durch die unsichere Situation, keiner weiß, wann wir wieder normal öffnen können, werden die neuen Mieter leider erst etwas später an den Start gehen als wir gemeinsam geplant hatten, hier kommen wir den Mietern entsprechend entgegen.“Auch wenn sich der Franchisenehmer des Modelabels Camp David, wie berichtet, zurückgezogen habe: Nun sei sicher, dass die Muttergesellschaft hinter Camp David, die Clinton Großhandels-GmbH mit Sitz im brandenburgischen Hoppegarten, das Geschäft nach der Pandemie in Eigenregie weiterbetreiben werde. ● BlautalCenter Das Einkaufszentrum an der Blaubeurer Straße in Ulm wurde bereits 1997 eröffnet und bietet 37.500 Quadratmeter Verkaufsfläche. Der Anteil an Handel beträgt 91,9 Prozent, 0,8 Prozent Dienstleistungen und 7,3 Prozent Gastronomie. Auch hier kann der Centermanager einen neuen Mieter verkünden: Je nach Lage der Pandemie werde im Mai oder Juni „Burger & Steak“auf die Fleischkarte setzen. Centermanager Guido Reuter glaubt grundsätzlich weiter an das Konzept der Einkaufstempel - sofern die Pandemie bald ein Ende hat. „Man kann nicht sagen: Einkaufscenter funktionieren nicht.“Nur habe Corona Trends beschleunigt, die schon vor Corona da waren. „Wenn ich meine Lieblingsturnschuhe kenne, muss ich die nicht im Geschäft einkaufen. Das geht auch online.“Und so vermutet Reuter, dass es in Zukunft in Einkaufszentren weit weniger Textil- und Schuhläden geben wird. Dafür aber andere Angebote: „Alles, was ich nicht so gut im Internet einkaufen kann, wird verstärkt in die Center kommen.“Brillen etwa. So werde im Blautal-Center etwa der Optiker „Eyes and More“seine Ladenfläche verdoppeln. Und auch der Konkurrent „Apollo Optik“habe Umbauarbeiten angekündigt. Keller und Reuter sind sich einig: Einkaufscenter müssten als Erlebnispaket funktionieren, weil der bloße Einkauf zunehmend weniger genüge, um Menschen aus dem Haus zu locken. Dazu gehöre ein gutes gastronomisches Angebot und auch zusätzliche Ausstellungen. Wie zuletzt im Blautalcenter etwa die Terrakotta-Armee oder davor die Körperwelten, die sich deutlich positiv auf die Umsätze ausgewirkt hätten. Für einen Nachfolger gebe es bereits Ideen. Die Glacis-Galerie setzte in der Vergangenheit etwa auf OldtimerSchauen oder Auftritte von Promis. Das habe funktioniert.
● Sedelhöfe Das Einkaufsquartier wurde 2020 eröffnet und bietet 18.000 Quadratmeter Verkaufsfläche. Der Anteil an Handel liegt bei 88,5 Prozent, Dienstleistungen bei 0,4 und Gastronomie bei 11,1 Prozent. Zu den bisherigen Mietern der Einzelhandelsflächen gehören unter anderem TK Maxx (noch nicht eröffnet), Edeka, Dm-Drogeriemarkt, Snipes, Zalando Outlet, JD Sports, McDonald’s (beide noch nicht eröffnet) und Five Guys. Ebenso bezieht der Fitnessstudiobetreiber Topfit 2.500 Quadratmeter. Nach Überzeugung der Autoren des EHI-Reports stehen die Sedelhöfe für einen deutschlandweiten Trend: In Anlehnung an die Idee des Marktplatzes sollen die Center zukünftig viel mehr sein als nur Orte zum Shoppen und Essen. Das Stichwort heißt Nutzungsmischung: Genau wie im urbanen Quartier können die Shoppingcenter neben dem üblichen Einkaufs- und Gastronomieangebot auch Ärzte, Büchereien oder andere Bildungs- und Gesundheitsangebote beherbergen. Eine Bücherei gibt es in den Sedelhöfen zwar noch nicht, doch die Nutzungsmischung wird hier sehr deutlich.
● IllerCenter Das Iller-Center in Senden ist nicht im EHI-Report vertreten. Der Grund: Der Betreiber habe keine Auskünfte geben wollen. Die Eigentumsverhältnisse sind auch vergleichsweise kompliziert: Das Iller-Center erscheint Kunden als ein Anlaufpunkt, steht aber nicht unter einem einheitlichen Management. Unter dem Namen „Iller-Center“vermarktet nur der Eigentümer „German Retail Box“, der in der Steueroase der Kanalinsel Jersey sitzt, 23 Geschäfte auf einer Gesamtfläche von 28.000 Quadratmetern. Darunter die Magneten Saturn und Marktkauf.
Drogeriekönig Erwin Müller ist hingegen mit seiner Immobilienfirma für den Teil mit dem Sportriesen Decathlon, Müller und Adler verantwortlich. Vor dem Hintergrund der Krise des stationären Textilhandels war es 2015/2016 von den IllerCenter-Betreibern nach Expertenmeinung sicherlich richtig, aus den 8000 Quadratmetern des Modeparks Röther mehrere kleinere Ladenflächen zu gestalten. Ganz außen vor sind die umliegenden Geschäfte wie etwa TK Maxx.
● Welt des Wohnens Röther ist jetzt im Ex-Möbel-Mahler in Neu-Ulm angesiedelt. Dass das mit 110.000 Quadratmetern als eines der größten Fachmarktzentren Europas seit Kurzem in der Hand des schillernden österreichischen Milliardärs Klemens Hallmann liegt, zeigt, dass Unternehmer durchaus auf den stationären Handel setzen. Aktuell sind rund 30 Mieter aus unterschiedlichen Branchen in dem Komplex vertreten.
Dazu zählen Ankermieter wie die zweitgrößte Edeka-Filiale Deutschlands, ein Radladen und das zentrale Möbelhaus Opti Wohnwelt. Hallmann betonte anlässlich der Übernahme, dass ein Großteil der Mieter mit sehr guten Online-Verkaufsstrategien längst ein zweites Internet-Standbein hätte. „Click & Collect“sei längst zur Selbstverständlichkeit geworden.