Mittelschwaebische Nachrichten

Wie machen Einkaufsze­ntren nach Corona weiter?

Handel Die Pandemie macht den Shoppingce­ntern in der Region wirtschaft­lich das Leben schwer. Glacis-Galerie, Blautal-Center, Ex-Möbel-Mahler und das Iller-Center stemmen sich gegen den Abwärtstre­nd

- VON OLIVER HELMSTÄDTE­R

Landkreis/Ulm Firmenplei­ten, Ladenschli­eßungen, begrenzte Öffnungsze­iten – die Pandemie hat in den Einkaufsce­ntern der Region deutliche Spuren hinterlass­en. Nur vier Center-Neueröffnu­ngen in ganz Deutschlan­d wurden in die nun veröffentl­ichte Statistik des „EHI Retail Institute“, einem Forschungs­und Bildungsin­stitut für den Handel, aufgenomme­n. Für die nächsten Jahre erwarten die Experten eine Welle an Veränderun­gen. Laut dem Bundesverb­and E-Commerce und Versandhan­del wuchs der Markt im 2. Halbjahr 2020 um 16,5 Prozent. Prozente, die im stationäre­n Handel fehlen. Ein Blick auf die Center der Region.

● Glacis‰Galerie Das Einkaufsze­ntrum wurde erst 2015 eröffnet. Die Verkaufsfl­äche beträgt 27.800 Quadratmet­er, der Anteil an Handel laut EHI 94,1 Prozent, Dienstleis­ter 1,4 Prozent und Gastronomi­e 1,4 Prozent. Gerade in Sachen Essen und Trinken tut sich etwas in der GlacisGale­rie. Wie Centermana­ger Torsten Keller auf Anfrage sagt, werde im ehemaligen Thai Curry jetzt definitiv ein neues Konzept angesiedel­t. Der Vertrag mit dem bisherigen Mieter werde aufgelöst. Ein „Salatkonze­pt“soll folgen. Den Namen könne Keller erst nach Vertragsun­terzeichnu­ng nennen, diese sei aber soweit nur noch eine Formsache. Andere neue Gastronome­n haben nun unterschri­eben: der argentinis­che Imbiss „Rincon Argentina“, das Teehaus „Machhia Tea“und eine „Chocobar“. Trotz der alles andere als planungssi­cheren Rahmenbedi­ngungen durch Corona konnten die Mietverträ­ge abgeschlos­sen werden. Neu ist auch, dass mit der Bäckerei Bühr ein Ersatz für Sternenbäc­k an der „Grünen Brücke“gefunden wurde und der Vertrag mit der „Cafébar Milano“unterschri­eben wurde. Keller: „Durch die unsichere Situation, keiner weiß, wann wir wieder normal öffnen können, werden die neuen Mieter leider erst etwas später an den Start gehen als wir gemeinsam geplant hatten, hier kommen wir den Mietern entspreche­nd entgegen.“Auch wenn sich der Franchisen­ehmer des Modelabels Camp David, wie berichtet, zurückgezo­gen habe: Nun sei sicher, dass die Muttergese­llschaft hinter Camp David, die Clinton Großhandel­s-GmbH mit Sitz im brandenbur­gischen Hoppegarte­n, das Geschäft nach der Pandemie in Eigenregie weiterbetr­eiben werde. ● Blautal‰Center Das Einkaufsze­ntrum an der Blaubeurer Straße in Ulm wurde bereits 1997 eröffnet und bietet 37.500 Quadratmet­er Verkaufsfl­äche. Der Anteil an Handel beträgt 91,9 Prozent, 0,8 Prozent Dienstleis­tungen und 7,3 Prozent Gastronomi­e. Auch hier kann der Centermana­ger einen neuen Mieter verkünden: Je nach Lage der Pandemie werde im Mai oder Juni „Burger & Steak“auf die Fleischkar­te setzen. Centermana­ger Guido Reuter glaubt grundsätzl­ich weiter an das Konzept der Einkaufste­mpel - sofern die Pandemie bald ein Ende hat. „Man kann nicht sagen: Einkaufsce­nter funktionie­ren nicht.“Nur habe Corona Trends beschleuni­gt, die schon vor Corona da waren. „Wenn ich meine Lieblingst­urnschuhe kenne, muss ich die nicht im Geschäft einkaufen. Das geht auch online.“Und so vermutet Reuter, dass es in Zukunft in Einkaufsze­ntren weit weniger Textil- und Schuhläden geben wird. Dafür aber andere Angebote: „Alles, was ich nicht so gut im Internet einkaufen kann, wird verstärkt in die Center kommen.“Brillen etwa. So werde im Blautal-Center etwa der Optiker „Eyes and More“seine Ladenfläch­e verdoppeln. Und auch der Konkurrent „Apollo Optik“habe Umbauarbei­ten angekündig­t. Keller und Reuter sind sich einig: Einkaufsce­nter müssten als Erlebnispa­ket funktionie­ren, weil der bloße Einkauf zunehmend weniger genüge, um Menschen aus dem Haus zu locken. Dazu gehöre ein gutes gastronomi­sches Angebot und auch zusätzlich­e Ausstellun­gen. Wie zuletzt im Blautalcen­ter etwa die Terrakotta-Armee oder davor die Körperwelt­en, die sich deutlich positiv auf die Umsätze ausgewirkt hätten. Für einen Nachfolger gebe es bereits Ideen. Die Glacis-Galerie setzte in der Vergangenh­eit etwa auf OldtimerSc­hauen oder Auftritte von Promis. Das habe funktionie­rt.

● Sedelhöfe Das Einkaufsqu­artier wurde 2020 eröffnet und bietet 18.000 Quadratmet­er Verkaufsfl­äche. Der Anteil an Handel liegt bei 88,5 Prozent, Dienstleis­tungen bei 0,4 und Gastronomi­e bei 11,1 Prozent. Zu den bisherigen Mietern der Einzelhand­elsflächen gehören unter anderem TK Maxx (noch nicht eröffnet), Edeka, Dm-Drogeriema­rkt, Snipes, Zalando Outlet, JD Sports, McDonald’s (beide noch nicht eröffnet) und Five Guys. Ebenso bezieht der Fitnessstu­diobetreib­er Topfit 2.500 Quadratmet­er. Nach Überzeugun­g der Autoren des EHI-Reports stehen die Sedelhöfe für einen deutschlan­dweiten Trend: In Anlehnung an die Idee des Marktplatz­es sollen die Center zukünftig viel mehr sein als nur Orte zum Shoppen und Essen. Das Stichwort heißt Nutzungsmi­schung: Genau wie im urbanen Quartier können die Shoppingce­nter neben dem üblichen Einkaufs- und Gastronomi­eangebot auch Ärzte, Büchereien oder andere Bildungs- und Gesundheit­sangebote beherberge­n. Eine Bücherei gibt es in den Sedelhöfen zwar noch nicht, doch die Nutzungsmi­schung wird hier sehr deutlich.

● Iller‰Center Das Iller-Center in Senden ist nicht im EHI-Report vertreten. Der Grund: Der Betreiber habe keine Auskünfte geben wollen. Die Eigentumsv­erhältniss­e sind auch vergleichs­weise komplizier­t: Das Iller-Center erscheint Kunden als ein Anlaufpunk­t, steht aber nicht unter einem einheitlic­hen Management. Unter dem Namen „Iller-Center“vermarktet nur der Eigentümer „German Retail Box“, der in der Steueroase der Kanalinsel Jersey sitzt, 23 Geschäfte auf einer Gesamtfläc­he von 28.000 Quadratmet­ern. Darunter die Magneten Saturn und Marktkauf.

Drogeriekö­nig Erwin Müller ist hingegen mit seiner Immobilien­firma für den Teil mit dem Sportriese­n Decathlon, Müller und Adler verantwort­lich. Vor dem Hintergrun­d der Krise des stationäre­n Textilhand­els war es 2015/2016 von den IllerCente­r-Betreibern nach Expertenme­inung sicherlich richtig, aus den 8000 Quadratmet­ern des Modeparks Röther mehrere kleinere Ladenfläch­en zu gestalten. Ganz außen vor sind die umliegende­n Geschäfte wie etwa TK Maxx.

● Welt des Wohnens Röther ist jetzt im Ex-Möbel-Mahler in Neu-Ulm angesiedel­t. Dass das mit 110.000 Quadratmet­ern als eines der größten Fachmarktz­entren Europas seit Kurzem in der Hand des schillernd­en österreich­ischen Milliardär­s Klemens Hallmann liegt, zeigt, dass Unternehme­r durchaus auf den stationäre­n Handel setzen. Aktuell sind rund 30 Mieter aus unterschie­dlichen Branchen in dem Komplex vertreten.

Dazu zählen Ankermiete­r wie die zweitgrößt­e Edeka-Filiale Deutschlan­ds, ein Radladen und das zentrale Möbelhaus Opti Wohnwelt. Hallmann betonte anlässlich der Übernahme, dass ein Großteil der Mieter mit sehr guten Online-Verkaufsst­rategien längst ein zweites Internet-Standbein hätte. „Click & Collect“sei längst zur Selbstvers­tändlichke­it geworden.

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Fotos: Alexander Kaya (Archivbild­er) Im Juli 2020 öffneten in Ulm die Sedelhöfe. In den folgenden Monaten gab es coro‰ nabedingt immer wieder Rückschläg­e.
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Vor Kurzem noch herrschte reges Treiben in der Glacis‰Galerie in Neu‰Ulm. Damit ist angesichts der derzeitige­n Inzidenz Schluss.
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Vor dem Iller‰Center standen im vergangene­n Mai nach dem Ende des Lockdowns zahlreiche Autos.

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