Mittelschwaebische Nachrichten

Mehr Fahrräder, mehr Unfälle?

Auf den Straßen im Landkreis Günzburg hat sich viel verändert. So schätzt die Polizei die Lage für Zweiradfah­rer ein – ein Rückblick und eine Vorschau

- NADINE RAU

Sind infolge der Corona-Pandemie auch im Kreis Günzburg mehr Menschen mit dem Fahrrad unterwegs?

Landkreis Wenn uns die Pandemie eines gebracht hat, dann sind es Fahrräder. Alternativ­en für die Freizeitge­staltung gab es kaum, mit öffentlich­en Verkehrsmi­tteln wollte und will auch nicht mehr jeder fahren. In den Fahrradges­chäften standen die Kunden also Schlange und kauften, neben Stadträder­n, Mountainbi­kes und Rennrädern, vor allem eines: E-Bikes – bei der Polizei als Pedelecs registrier­t.

Jetzt im Mai werfen die Polizisten in ganz Deutschlan­d vermehrt ein Auge auf den Radverkehr. Am Mittwoch fand dazu ein bundesweit­er Aktionstag statt, an dem Beamte in vielen Städten, auch im Landkreis, Zweiradfah­rer kontrollie­rt haben. Zwar waren wegen des Regens nur wenige Radfahrer unterwegs, doch ging es auch darum, zu prüfen, ob etwa Autofahrer verbotener­weise auf Radstreife­n parken.

Kontrollen, ja, das hört sich zunächst geißelnd an, doch die Polizei hat andere Beweggründ­e. Das erklären Marcus Praschivka, der bei der Krumbacher Polizeiins­pektion für den Verkehr zuständig ist, und seine Kollegin Claudia Wecker aus Günzburg, Verkehrsbe­auftragte für den Landkreis. „Es geht vor allem um Prävention“, so Praschivka.

Unfälle vermeiden, schwere Verletzung­en verhindern: Jetzt, da so viele Radfahrer unterwegs sind, ist es auch naheliegen­d, dass noch mehr auf den Straßen passiert. Tatsächlic­h aber hält sich das bei den Radfahrern in Grenzen. „Wir haben uns die Zahlen angesehen“, erklärt Wecker. „Die Radunfälle von 2015 bis jetzt halten sich auf einem stabilen Niveau.“Im Landkreis verzeichne­te die Polizei im vergangene­n Jahr 163 gemeldete Radunfälle. Schwer verletzt wurden dabei 35 Radler, leicht verletzt 107. Todesfälle ereigsich 2020 nicht, in den vergangene­n fünf Jahren kam das insgesamt vier Mal vor. Auffallend: Bei 83 der Unfälle in 2020 hatten die Radfahrer keinen Helm auf. Kein Wunder also, welchen Appell die Polizisten an die Radfahrer herausgebe­n: Helm aufsetzen, auch wenn es keine Pflicht ist.

Bei ihren Kontrollen weisen die Beamten auch immer darauf hin, erklären zudem, wie schnell Radfahrer im toten Winkel verschwind­en und dass sie nur so laut Musik hören dürfen, dass sie die Außengeräu­sche auch noch wahrnehmen können. Zudem achten die Polizisten auf den Zustand des Rades und darauf, ob die Radfahrer, sollten sie in die Dämmerung kommen, funktionie­rende Lichter bei sich haben. Und, natürlich entscheide­nd: Kann der Radfahrer vernünftig fahren, oder ist er zu betrunken? Die Grenze liegt bei 1,6 Promille, sollten der Polizei jedoch Ausfallers­cheinungen auffallen, verhält es sich wie bei Autofahrer­n: Dann kann der Wert für eine Strafe auch darunter liegen.

Auffällig ist auch, wenn E-BikeFahrer plötzlich mit 45 Kilometern pro Stunde auf der Straße unterwegs

Bundesweit­er Aktionstag bei der Polizei zum Radverkehr

E‰Bikes werden durch Tuning noch schneller gemacht

sind. „Dann ist klar, dass da etwas nicht stimmt“, sagt Praschivka. Das Tuning von E-Bikes, dass diese schneller fahren als eigentlich erlaubt, komme immer häufiger vor. Manchmal deutlich sichtbar, mit Sensoren am Fahrzeug, manchmal unauffälli­g und nur über die Geschwindi­gkeit erkennbar.

Dabei häufen sich die Unfälle mit E-Bikes ohnehin schon, weil sie nicht so leicht zu bedienen sind, wie man vielleicht glauben mag. Während es 2015 im Kreis gerade einmal zwei registrier­te Unfälle mit Pedelecs bei der Polizei gab, waren es im vergangene­n Jahr schon 32. Natürlich liegt es nahe, dass mit mehr Fahrzeugen auch mehr Unfälle pasund gerade deshalb würde sich die Polizei hier mehr Eigenveran­twortung seitens der Radler wünschen. „Ein Führersche­in wäre übertriebe­n, aber die Radfahrer bräuchten eine bessere Einweisung“, sagt Praschivka. Verkehrswa­chten würden zum Beispiel Fahrtraini­ngs anbieten, eventuell könnten Radhändler solche Einweisung­en geben, letztlich würde es auch reichen, wenn sich die Radfahrer an einem Sonntag auf einem Parkplatz am Fahrzeug versuchen.

Viele Unfälle ereigneten sich ohne Beteiligun­g eines Autos, dann krachten Radfahrer ineinander oder waren alleine unterwegs, fielen aber trotzdem. „Manche beherrsche­n das Tempo nicht oder fliegen über den Lenker, wenn sie bremsen“, beschreibt Praschivka. In den Statistine­ten ken schlägt sich dabei deutlich nieder, welche Altersgrup­pe vermehrt mit den E-Bikes unterwegs ist. Sowohl bei den Schwerverl­etzten als auch bei den Personensc­häden insgesamt waren die Beteiligte­n im vergangene­n Jahr oft zwischen 51 und 64 Jahren alt. „In unserer Vorstellun­g sind das Leute, die früher auch gern Rad gefahren sind und jetzt wieder gerne fahren, nur eben mit Motor. Und dafür fehlt oft die Schulung“, schildert Praschivka.

Soviel zum „wie“der Unfälle, und die Polizei weiß auch etwas zum „wo“zu sagen: Die meisten Radunfälle ereigneten sich auf Gemeindest­raßen. Wie schätzen Praschivka und Wecker hier die Rahmenbedi­ngungen ein? „Für Krumbach kann ich sagen, dass es schon noch Defizite gibt. Wenn ich mich hier als Radsieren, fahrer nicht gut auskenne, muss ich auf gefährlich­en Straßen fahren, auf der Bahnhofstr­aße zum Beispiel“, gibt er einen Einblick. Als Ortskundig­er sei es da schon wesentlich einfacher. Eine bessere Ausschilde­rung würde bereits Abhilfe schaffen.

Die Städte, das bestätigen beide Beamte, wollen jetzt etwas tun, das Problem sei mittlerwei­le erkannt. Auf der Lichtenste­instraße in Krumbach zum Beispiel gibt es jetzt Schutzstre­ifen für Radler. Auch wenn diese Lösung nicht immer optimal ist – ein Schritt in die richtige Richtung ist es allemal. Praschivka fällt auch das Beispiel Edenhausen an der B300 ein, wo derzeit eine Unterführu­ng gebaut wird. Und Wecker erklärt, dass sich auch Günzburg mittlerwei­le verstärkt mit dem Thema auseinande­rsetzt.

 ?? Foto: Nadine Rau ?? Bitte anhalten! Im Mai kontrollie­ren die Beamten, hier Claudia Wecker von der Günzburger Polizeiins­pektion sowie Marcus Pra‰ schivka von der Inspektion Krumbach, verstärkt Radfahrer. Nicht, um sie zu gängeln, sondern zur Sicherheit.
Foto: Nadine Rau Bitte anhalten! Im Mai kontrollie­ren die Beamten, hier Claudia Wecker von der Günzburger Polizeiins­pektion sowie Marcus Pra‰ schivka von der Inspektion Krumbach, verstärkt Radfahrer. Nicht, um sie zu gängeln, sondern zur Sicherheit.

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