Mittelschwaebische Nachrichten
Mehr Fahrräder, mehr Unfälle?
Auf den Straßen im Landkreis Günzburg hat sich viel verändert. So schätzt die Polizei die Lage für Zweiradfahrer ein – ein Rückblick und eine Vorschau
Sind infolge der Corona-Pandemie auch im Kreis Günzburg mehr Menschen mit dem Fahrrad unterwegs?
Landkreis Wenn uns die Pandemie eines gebracht hat, dann sind es Fahrräder. Alternativen für die Freizeitgestaltung gab es kaum, mit öffentlichen Verkehrsmitteln wollte und will auch nicht mehr jeder fahren. In den Fahrradgeschäften standen die Kunden also Schlange und kauften, neben Stadträdern, Mountainbikes und Rennrädern, vor allem eines: E-Bikes – bei der Polizei als Pedelecs registriert.
Jetzt im Mai werfen die Polizisten in ganz Deutschland vermehrt ein Auge auf den Radverkehr. Am Mittwoch fand dazu ein bundesweiter Aktionstag statt, an dem Beamte in vielen Städten, auch im Landkreis, Zweiradfahrer kontrolliert haben. Zwar waren wegen des Regens nur wenige Radfahrer unterwegs, doch ging es auch darum, zu prüfen, ob etwa Autofahrer verbotenerweise auf Radstreifen parken.
Kontrollen, ja, das hört sich zunächst geißelnd an, doch die Polizei hat andere Beweggründe. Das erklären Marcus Praschivka, der bei der Krumbacher Polizeiinspektion für den Verkehr zuständig ist, und seine Kollegin Claudia Wecker aus Günzburg, Verkehrsbeauftragte für den Landkreis. „Es geht vor allem um Prävention“, so Praschivka.
Unfälle vermeiden, schwere Verletzungen verhindern: Jetzt, da so viele Radfahrer unterwegs sind, ist es auch naheliegend, dass noch mehr auf den Straßen passiert. Tatsächlich aber hält sich das bei den Radfahrern in Grenzen. „Wir haben uns die Zahlen angesehen“, erklärt Wecker. „Die Radunfälle von 2015 bis jetzt halten sich auf einem stabilen Niveau.“Im Landkreis verzeichnete die Polizei im vergangenen Jahr 163 gemeldete Radunfälle. Schwer verletzt wurden dabei 35 Radler, leicht verletzt 107. Todesfälle ereigsich 2020 nicht, in den vergangenen fünf Jahren kam das insgesamt vier Mal vor. Auffallend: Bei 83 der Unfälle in 2020 hatten die Radfahrer keinen Helm auf. Kein Wunder also, welchen Appell die Polizisten an die Radfahrer herausgeben: Helm aufsetzen, auch wenn es keine Pflicht ist.
Bei ihren Kontrollen weisen die Beamten auch immer darauf hin, erklären zudem, wie schnell Radfahrer im toten Winkel verschwinden und dass sie nur so laut Musik hören dürfen, dass sie die Außengeräusche auch noch wahrnehmen können. Zudem achten die Polizisten auf den Zustand des Rades und darauf, ob die Radfahrer, sollten sie in die Dämmerung kommen, funktionierende Lichter bei sich haben. Und, natürlich entscheidend: Kann der Radfahrer vernünftig fahren, oder ist er zu betrunken? Die Grenze liegt bei 1,6 Promille, sollten der Polizei jedoch Ausfallerscheinungen auffallen, verhält es sich wie bei Autofahrern: Dann kann der Wert für eine Strafe auch darunter liegen.
Auffällig ist auch, wenn E-BikeFahrer plötzlich mit 45 Kilometern pro Stunde auf der Straße unterwegs
Bundesweiter Aktionstag bei der Polizei zum Radverkehr
EBikes werden durch Tuning noch schneller gemacht
sind. „Dann ist klar, dass da etwas nicht stimmt“, sagt Praschivka. Das Tuning von E-Bikes, dass diese schneller fahren als eigentlich erlaubt, komme immer häufiger vor. Manchmal deutlich sichtbar, mit Sensoren am Fahrzeug, manchmal unauffällig und nur über die Geschwindigkeit erkennbar.
Dabei häufen sich die Unfälle mit E-Bikes ohnehin schon, weil sie nicht so leicht zu bedienen sind, wie man vielleicht glauben mag. Während es 2015 im Kreis gerade einmal zwei registrierte Unfälle mit Pedelecs bei der Polizei gab, waren es im vergangenen Jahr schon 32. Natürlich liegt es nahe, dass mit mehr Fahrzeugen auch mehr Unfälle pasund gerade deshalb würde sich die Polizei hier mehr Eigenverantwortung seitens der Radler wünschen. „Ein Führerschein wäre übertrieben, aber die Radfahrer bräuchten eine bessere Einweisung“, sagt Praschivka. Verkehrswachten würden zum Beispiel Fahrtrainings anbieten, eventuell könnten Radhändler solche Einweisungen geben, letztlich würde es auch reichen, wenn sich die Radfahrer an einem Sonntag auf einem Parkplatz am Fahrzeug versuchen.
Viele Unfälle ereigneten sich ohne Beteiligung eines Autos, dann krachten Radfahrer ineinander oder waren alleine unterwegs, fielen aber trotzdem. „Manche beherrschen das Tempo nicht oder fliegen über den Lenker, wenn sie bremsen“, beschreibt Praschivka. In den Statistineten ken schlägt sich dabei deutlich nieder, welche Altersgruppe vermehrt mit den E-Bikes unterwegs ist. Sowohl bei den Schwerverletzten als auch bei den Personenschäden insgesamt waren die Beteiligten im vergangenen Jahr oft zwischen 51 und 64 Jahren alt. „In unserer Vorstellung sind das Leute, die früher auch gern Rad gefahren sind und jetzt wieder gerne fahren, nur eben mit Motor. Und dafür fehlt oft die Schulung“, schildert Praschivka.
Soviel zum „wie“der Unfälle, und die Polizei weiß auch etwas zum „wo“zu sagen: Die meisten Radunfälle ereigneten sich auf Gemeindestraßen. Wie schätzen Praschivka und Wecker hier die Rahmenbedingungen ein? „Für Krumbach kann ich sagen, dass es schon noch Defizite gibt. Wenn ich mich hier als Radsieren, fahrer nicht gut auskenne, muss ich auf gefährlichen Straßen fahren, auf der Bahnhofstraße zum Beispiel“, gibt er einen Einblick. Als Ortskundiger sei es da schon wesentlich einfacher. Eine bessere Ausschilderung würde bereits Abhilfe schaffen.
Die Städte, das bestätigen beide Beamte, wollen jetzt etwas tun, das Problem sei mittlerweile erkannt. Auf der Lichtensteinstraße in Krumbach zum Beispiel gibt es jetzt Schutzstreifen für Radler. Auch wenn diese Lösung nicht immer optimal ist – ein Schritt in die richtige Richtung ist es allemal. Praschivka fällt auch das Beispiel Edenhausen an der B300 ein, wo derzeit eine Unterführung gebaut wird. Und Wecker erklärt, dass sich auch Günzburg mittlerweile verstärkt mit dem Thema auseinandersetzt.