Mittelschwaebische Nachrichten

So sah es ums Jahr 1900 in der Mindelburg aus

Historie Einem glückliche­n Zufall ist es zu verdanken, dass man heute sehr genau weiß, welche Schätze das Wahrzeiche­n einst enthalten hat

- VON JOHANN STOLL

Mindelheim Für viele Mindelheim­er kam die Nachricht einer Sensation gleich, dass die Burg nach Jahrzehnte­n wieder öffentlich zugänglich gemacht wird. Die Allermeist­en hatten die Mindelburg noch nie von innen gesehen. Die Stadt war Ende der 40er Jahre froh, mit dem Verlag Sachon einen verlässlic­hen Mieter gefunden zu haben. Damit war die Burg für die Öffentlich­keit aber in einen jahrzehnte­langen Dornrösche­nschlaf versunken. Noch in diesem Jahr soll es einen Tag der offenen Burg geben. Sachon wird die Hauptburg räumen, behält seinen Verlagssit­z aber weiterhin auf dem Burggeländ­e. Im Inneren der Burg sind vor allem Objekte aus dem 19. und 20. Jahrhunder­t erhalten. Der Münchner Architekt Ludwig Schramm hat die Burg im 19. Jahrhunder­t besessen und sie im Stil des Historismu­s umgestalte­t. Man kann auch sagen: Aus der ursprüngli­ch mittelalte­rlichen Burg wurde in dieser Zeit eine Burg, wie sich Menschen des 19. Jahrhunder­ts das Mittelalte­r vorstellte­n.

Vieles ist offenbar in der Zeit des sogenannte­n Dritten Reiches verschwund­en. Vor dem Zweiten Weltkrieg war die Burg ein städtische­s Museum. Ab 1935 wurde sie zur Bauernschu­le des Reichsnähr­standes und ab 1943 Gebietsfüh­rerschule der Hitlerjuge­nd. Nach dem Krieg wurden zwischen 1945 und 1950 Kriegsvers­ehrte in der Mindelburg verarztet. Wie die Mindelburg vor gut 100 Jahren eingericht­et war, wusste man lange Zeit nicht so genau. Dass Waffen und Rüstungen vorhanden waren, wusste man aber. Das änderte sich erst mit einem Angebot auf der Online-Plattform E-Bay vor ein paar Jahren, das die Stadt Mindelheim nutzte. Da bot ein Verkäufer ein Album mit historisch­en Fotos an, die aus dem Jahr 1908 stammen. Diese Aufnahmen waren offenbar ein Geschenk von Dr. Ludwig Schramm an seine Schwester, die nach Ulm gezogen war. Die Bilder sollten sie an ihre Kindheit in der Mindelburg erinnern, wo die ganze Familie gelebt hat, sagt Mindelheim­s Kulturamts­leiter Christian Schedler. Mit diesen unschätzba­ren Fotodokume­nten ist nun belegt, wie die Räume zur Jahrhunder­twende um 1900 möbliert und wie die Decken und Wände gestaltet waren. Schon der erste Eindruck zeigt: Die Räume der Mindelburg waren reich bestückt. Die Bilder zeigen aber auch, wie sorgsam Werner Sachon als Mieter mit dem Erbe umgegangen ist.

Die Decken- und Wandvertäf­elungen hat er meist belassen. Auch die Böden sind weitgehend erhalten geblieben.

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Fotos: Schramm Im Gewölbesaa­l der Mindelburg war es vor über 100 Jahren schon recht ritterlich. Kronleucht­er und ein gemalter Adler schmückten die Decke.
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Klassische Gründerzei­tmöbel und Jagdtrophä­en zierten diesen Raum der Mindelhei‰ mer Burg.
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Opulente Vorhänge und der gemusterte Boden waren beeindruck­end.

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