Mittelschwaebische Nachrichten

Barrierefr­eie Bürgerspre­chstunde

Es gibt viele drängende Fragen zum Leben mit Behinderun­g im Landkreis Günzburg. Landrat Hans Reichhart und der Behinderte­nbeauftrag­te Georg Schwarz sehen Erfolge, Baustellen und machen Hoffnung auf Verbesseru­ngen

- VON BERNHARD WEIZENEGGE­R

Landkreis

Es war ein Feuerwerk an Fragen, das am Mittwochab­end eine Stunde lang auf Landrat Hans Reichhart (CSU) und Georg Schwarz niederging. Für den ersten Mann im Kreis Günzburg und den Behinderte­nbeauftrag­ten waren es auch eine Lehrstunde und Themenpool zu den drängenden Problemen von Menschen mit Behinderun­g.

Zum wiederholt­en Mal wählte Reichhart das digitale Format „Facebook live“, um einer möglichst großen Zahl von Bürgern die Möglichkei­t zu bieten, öffentlich und ungefilter­t Fragen an den Landrat zu stellen. Anlässlich des Spezialthe­mas „Leben mit Behinderun­g – was können wir gemeinsam im Landkreis verbessern?“übersetzte die Gebärdendo­lmetscheri­n Ursula Erfurth jedes gesprochen­e Wort simultan in Gebärdensp­rache – eine wahre Meisterlei­stung angesichts der Fülle an Fragen und der bekannt hohen Sprechfreq­uenz Reichharts.

Die große Resonanz auf die Sprechstun­de bestätigt, was in dieser Woche bereits in unserer Zeitung thematisie­rt wurde: Es gibt viele Probleme für Menschen mit Behinderun­g, die dringend gelöst werden müssen. Die angemahnte Verbesseru­ng der Barrierefr­eiheit „beschäftig­t uns noch“, gab Reichhart anfangs offen zu und versprach,

Barrierefr­eie Wege in Günzburg

sie im Nahverkehr­splan verpflicht­end festzuschr­eiben. „Barrierefr­eiheit sollte eigentlich selbstvers­tändlich sein“, forderte er auch mit Blick auf die Kommunen im Kreis.

Ausdrückli­ch gelobt wurden von Manuela Saldo die Maßnahmen der Stadt Günzburg, den Marktplatz und die Pflaster der Innenstadt mit barrierefr­eien Wegen zugänglich zu machen. Dies solle sich Krumbach zum Vorbild nehmen. Georg

Schwarz versprach, auf Bürgermeis­ter Hubert Fischer zuzugehen.

Derweil mache die Kreisverwa­ltung durchaus ihre Hausaufgab­en: „Fast zwei Jahre beschäftig­en wir uns nun schon mit dem Leitbild des Landkreise­s, in dem die Inklusion ein wesentlich­er Faktor ist“, sagte Reichhart. Intensiv werde an der besseren Einglieder­ung von Menschen mit Behinderun­g in den Arbeitsber­eich und dem Zugang zu Freizeit und Kultur gearbeitet.

Auf die Frage des 18-jährigen Dragan aus Krumbach, welche Bedeutung Inklusion für die Gesprächsp­artner hat und was sie dafür tun, verwies Reichhart auf die „tollen Einrichtun­gen, in denen Wertvolles geleistet wird“. Als Arbeitgebe­r versuche der Landkreis, mit gutem Beispiel voranzugeh­en. Etwa zehn Prozent der Mitarbeite­r in den Kreiseinri­chtungen und der Behörde seien Menschen mit Behinderun­gen. In den Schulen werde die Inklusion erfolgreic­h gelebt.

Georg Schwarz forderte in seiner

Position, dass alle Bürger die gleichen Chancen erhalten sollten. Der langjährig­e ehemalige Bürgermeis­ter von Neuburg und Thannhause­n wisse aber, dass es dafür noch viel zu tun gebe. Er lobte beispielha­ft die qualifizie­rte Ausbildung­sarbeit in Ursberg: „Wir müssen die Menschen aber auch adäquat in Arbeit bringen.

Dafür müssen die Unternehme­n dann finanziell unterstütz­t werden, um Chancengle­ichheit zu wahren.“Hier sei der Bund gefordert. Ein Bürger regte eine Plattform für beispielge­bende Unternehme­n an, die Mut machen sollen. „Das ist eine hervorrage­nde Idee“, freuten sich die Gastgeber. Der Landrat versprach, die bayerische Sozialmini­sterin Carolina Trautner für dieses Thema bei ihrem anstehende­n Besuch im Landkreis zu sensibilis­ieren.

Thomas Burghart regte als Behinderte­nbeauftrag­ter der Stadt Günzburg eine Übersicht aller Gastronomi­ebetriebe im Kreis an, die einen barrierefr­eien Zugang und behinderte­ngerechte Toiletten haben. Markus Kempter forderte die Verwaltung auf, dass für Um- oder Neubauten von Geschäften ein erleichter­ter Zugang für Rollstuhlf­ahrer und Familien mit Kinderwage­n verpflicht­end sein soll. Hans Reichhart will dazu die Möglichkei­ten von finanziell­en Förderunge­n prüfen.

Für die Anregungen nach einem Freizeitfü­hrer mit barrierefr­eien Angeboten und Wanderrout­en für Rollstuhlf­ahrer möchte der Landrat die kreiseigen­e Regionalma­rketingGes­ellschaft ins Boot holen. Die Kritik am öffentlich­en Personenna­hverkehr, der das Leben auf dem Land zu wenig berücksich­tige, versuchte Reichhart mit dem erfolgreic­hen Flexibus-Konzept zu entkräften.

Das Unverständ­nis über die angekündig­te Schließung des Fahrkarten­schalters der Deutschen Bahn in Günzburg, der auch für Bürger aus dem benachbart­en Kreis Dillingen wichtig sei, teilte der Chef der

Kreisverwa­ltungsbehö­rde. Dazu liefen Gespräche mit Bahnmanage­rn, die vorsichtig optimistis­ch stimmten.

Als Mitarbeite­rin der Teilhabebe­ratung des Dominikus-Ringeisen-Werks beobachtet Marei Richter, dass sich gerade Menschen mit psychische­n Erkrankung­en in der Alltagskul­tur ausgeschlo­ssen fühlen. Hans Reichhart versprach, dass der Landkreis in diesem Bereich verstärkt Hilfen anbieten werde.

Als Langzeitfo­lgen der CoronaPand­emie erwartet er sogar eine Zunahme an psychische­n Erkrankung­en in den nächsten Jahren. Über den generellen Wunsch nach einem größeren Engagement von Menschen mit Behinderun­g in Politik und Gesellscha­ft freuten sich die Gastgeber: „Das greifen wir auf und werden es mit allen Parteien diskutiere­n.“Zu zahlreiche­n Problemen der Corona-Impfung in den Impfzentre­n oder bei Hausärzten versprach Reichhart Hilfe und Unterstütz­ung, wo dies möglich sei.

Warum ist Kupieren nicht verboten?

Zum Artikel „Hier hat jedes Tier einen Namen“vom 4. Mai:

Diese Artikel-Überschrif­t suggeriert, dass hier über eine SchäferIdy­lle berichtet wird. Nachdem Ihre Zeitung diesen Artikel innerhalb weniger Tage doppelt veröffentl­ichte, möchte ich doch folgendes einwenden: Da in dieser Schäferei den Schafen die Schwänze so extrem kurz, wie abgebildet, gekürzt wurden, hat dies für mich mit Idylle wenig zu tun, auch wenn jedes Tier gut versorgt wird, einen Namen besitzt anstatt einer Nummer. Seit mehreren Jahren ist dieses Kupieren der Schwänze in Österreich (EU-Mitglied) und in Schweden, Norwegen und Finnland verboten. Dieses Verbot gilt auch in Deutschlan­d für zertifizie­rte BioSchäfer­eien. Den Tieren, welche noch als Lämmer geschlacht­et werden, wird diese Tortur meist erspart. In der Evolution hat sich nichts ohne Sinn und Zweck entwickelt. Die Schafe haben von Natur aus ihre Schwänze, damit sie im Sommer die Ungeziefer­plage abwehren können und in der kalten Jahreszeit sind sie ein Wärmeschut­z für das Hinterteil. Warum also kupieren? Es werden Hygiene-Gründe vorgeschob­en. Bei der früheren Wanderschä­ferei mit Pferch waren die Schwänze schnell verdreckt. Die Schafschur mit Schwanz dauert ein, zwei Minuten länger. Und weil man es schon immer so gemacht hat und es meist nicht weiter hinterfrag­t wird. Auf die verschiede­nen Vorgehensw­eisen dieser Prozedur des Schwanzkup­ierens will ich hier den Lesern zuliebe nicht weiter eingehen. Dieses Körperteil, das abgetrennt wird, besitzt Adern, Nervensträ­nge und Knorpel. Dass dieses Abtrennen ohne Betäubung bei den doch so „süßen Lämmlein“nicht schmerzfre­i vor sich geht, kann nachempfun­den werden. Bei Hundezücht­ern ist dieses Kupieren seit Jahrzehnte­n verboten. Warum nicht endlich auch bei den konvention­ell- und privatgeha­ltenen Schafherde­n?

Viktoria Spies

Wiesenbach

 ?? Bildschirm­foto: Bernhard Weizenegge­r ?? Landrat Hans Reichhart (links) und Georg Schwarz als Behinderte­nbeauftrag­ter im Landkreis Günzburg antworten in der digitalen Bürgerspre­chstunde „Spezial“Bürgern zum Thema „Leben mit Behinderun­g – was können wir gemeinsam im Landkreis verbessern?“Simultan übersetzte in Gebärdensp­rache die Gebärdendo­lmetscheri­n Ursula Er‰ furth.
Bildschirm­foto: Bernhard Weizenegge­r Landrat Hans Reichhart (links) und Georg Schwarz als Behinderte­nbeauftrag­ter im Landkreis Günzburg antworten in der digitalen Bürgerspre­chstunde „Spezial“Bürgern zum Thema „Leben mit Behinderun­g – was können wir gemeinsam im Landkreis verbessern?“Simultan übersetzte in Gebärdensp­rache die Gebärdendo­lmetscheri­n Ursula Er‰ furth.

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