Mittelschwaebische Nachrichten
Sprechen und Rechnen während des Eingriffs
Neurochirurgie Die Neurochirurgische Klinik am BKH Günzburg schmiedet eine Allianz und bietet nun mehr Sicherheit für Patienten mit Tumoren an Gehirn, Rückenmark und Nerven
Günzburg Auf dem Operationstisch der Neurochirurgischen Klinik am Bezirkskrankenhaus (BKH) Günzburg liegt ein 36-jähriger Mann aus dem Kreis Donau-Ries. Er hat einen Hirntumor im Bereich des Sprachzentrums. Seine Schädeldecke ist geöffnet, sein Gehirn liegt frei. Eine Neuropsychologin spricht mit ihm, er antwortet. Sie zeigt ihm Bilder, er erkennt darauf ein Auto, ein Haus, einen Stuhl. Das Besondere: Der 36-Jährige ist Albaner und hat mehrere Jahre in England gelebt. Er spricht beide Sprachen, Deutsch jedoch eher gebrochen. Eine Krankenschwester von der Intensivstation der Klinik hilft aus, weil sie den Patienten in seiner Heimatsprache Albanisch testen und begleiten kann. Das funktioniert. Sogar Rechenaufgaben kann er lösen. Und noch etwas Außergewöhnliches begleitet diese fünfstündige Operation: Der Eingriff ist einer der ersten, der mit einem neuen Hochtechnologiegerät für das Neuromonitoring ausgeführt wird.
Dahinter verbirgt sich die Überwachung und Lokalisierung zentraler Hirnfunktionen, wie Hören, Sprechen oder Bewegung während neurochirurgischer Operationen am Gehirn, aber auch am Rückenmark und den Nerven. Operateur Prof. Dr. Ralph König ist begeistert. „Das Neuromonitoring ist aus der Neurochirurgie nicht mehr wegzudenken. Es gibt eine Vielzahl von Belegen dafür, dass diese Technik Operationen am Gehirn sicherer macht und die Komplikationsrate mehr als halbiert“, sagt der stellvertretende Ärztliche Direktor der Klinik. Neue Techniken erlauben den Medizinern einen immer besseren Einblick in die Funktionsweise des Gehirns, führt er weiter aus. Die einzigartige Struktur am Bezirkskrankenhaus Günzburg mit der hoch spezialisierten Anästhesie, Neuroradiologie und natürlich der Neuropsychologie erlaube eine sehr enge und effektive Zusammenarbeit auf diesem Gebiet, sagt der Leitende Neurochirurg.
Die seit Anfang des Jahres vereinbarte Kooperation mit der Breisgauer Medizintechnikfirma Dr. Langer als Referenzzentrum, Kooperationsund Weiterentwicklungspartner gibt der Günzburger Klinik die Möglichkeit, auf die technologische Entwicklung aktiv Einfluss zu nehmen. Das familiengeführte Unternehmen aus dem Schwarzwald entwickelt und vertreibt seit 25 Jahren medizintechnische Geräte für das sogenannte Neuromonitoring. König erläutert: „Die Technik macht sich dabei zunutze, dass die Signalübertragung im Gehirn für komplexe Sinneswahrnehmungen wie auch für einfache Bewegungen durch feinste elektrische Ströme erfolgt.“Diese Ströme könnten durch derartige Spezialgeräte aufgenommen oder ausgelöst werden.
Im Fall des 36-Jährigen aus dem Kreis Donau-Ries waren Spezialisten der Firma mit vor Ort im OP, um das Klinikteam zu unterstützen. Der Operateur ist mit dem Ergebnis des Eingriffs sehr zufrieden. „Diese enge Zusammenarbeit und der Austausch bringen uns Schritt für Schritt weiter.“Vor Jahren hätte er es nicht für möglich gehalten, dass eine sichere Operation in derartigen Regionen des Gehirns überhaupt werden könnte, stellt der Operateur fest. Nun konnte der Mann schon wenige Tage nach dem Eingriff die Günzburger Klinik verlassen. Ihm geht es trotz seiner schweren Erkrankung sehr gut, informiert König. „Sogar besser, als wir es erwartet hatten.“