Mittelschwaebische Nachrichten

Sepp und die starken Männer

Der Hasberger Sepp Graf ist als Gewichtheb­er und Bodybuilde­r in der Region bekannt. Vor 40 Jahren stellt er zusammen mit drei weiteren kräftigen Burschen einen Weltrekord auf – trotz so mancher Widerständ­e

- VON AXEL SCHMIDT

Hasberg Besucht man Sepp Graf in seinem Fitnessstu­dio in Hasberg, dann fühlt man sich sofort in die 1980er Jahre zurückvers­etzt. Nicht nur die Tatsache, dass sich die Fitnessger­äte im Dachboden seines Wohnhauses befinden. Auch die vielen Bilder und Plakate an der Wand, meist schwarz-weiß, verströmen diesen Charme. Vor allem ein Ereignis wird reich bebildert.

Es ist der 27. Mai 1981. Im Olympia-Einkaufsze­ntrum in München steht ein besonderer Wettbewerb an: Mannschaft­s-Bankdrücke­n auf Zeit. Wenige Monate zuvor haben vier Augsburger einen neuen Rekord aufgestell­t. Eduard Weiß, Robert Binapfl, Siegfried Schuber und Erwin Knoller drückten in Augsburg bei ihren jeweils 30-minütigen Versuchen insgesamt 142.935,54 Kilogramm in die Höhe. Der Eintrag ins Guinnessbu­ch der Rekorde ist ihnen damit sicher. Oder doch nicht?

Vier Männer aus dem Unterallgä­u nämlich haben von diesem Rekord gelesen und sich fortan im Krafttrain­ing daran versucht. Dann kommt die Ausschreib­ung zum Rekordvers­uch in München und Sepp Graf (Hasberg), Michael Keppeler (Kirchheim), Georg Lochbrunne­r (Hasberg) und Joachim Schuster (Westernach) machen sich an jenem 27. Mai 1981 auf in die Landeshaup­tstadt. Sie wollen diesen Rekord brechen. „Als wir ankamen, nahmen uns die wenigsten ernst“, erinnert sich Michael Keppeler. Die Konkurrent­en waren deutlich massiger, „echte Bullen“, sagt der 66-jährige Kirchheime­r. Genau das aber sei bei diesem Wettkampf, in dem es um Kraft und vor allem Ausdauer geht, ein Nachteil. „Die große Muskelmass­e mit ausreichen­d Sauerstoff zu versorgen, ist das Problem. Denen ging praktisch die Luft aus“, sagt Keppeler.

Wenige Jahre zuvor war Keppeler der Erste, der 1972 mit Sepp Graf in dessen „Stüble“mit dem Krafttrain­ing begann. „Die erste Hantel war eine Achse von der Dreschmasc­hine“, erzählt Sepp Graf. Der 74-Jährige baute in den folgenden Jahren seinen Kraft- und Fitnessrau­m auf. 1975 wurde der Dachboden der ehemaligen Kreuzbraue­rei in Hasberg bezogen, 1982 eröffneten Sepp und Inge Graf ein weiteres Studio in Mindelheim. Man war einfallsre­ich: „Wir haben Kraut- oder Heringsdos­en ausbetonie­rt, um unterschie­dliche Gewichte zu haben“, erzählt Keppeler und lacht.

aber bärenstark. Unerfahren, aber selbstbewu­sst. So tritt das Quartett aus dem Unterallgä­u im Olympia-Einkaufsze­ntrum auf die Bühne. Die Taktik von Mannschaft­sführer Graf sieht vor, dass Keppeler den Auftakt macht. Nach 30 Minuten mit der 50-Kilogramm-Hantel (geeicht waren es genau 49,971 Kilogramm) stehen 35.179,58 Kilogramm auf dem Zettel des Kampfgeric­hts. Da dieses zu einem Teil aus jenen Augsburger­n besteht, die wenige Monate zuvor den Weltrekord aufstellte­n, wird es beim zweiten Mann etwas unfair. „Mir wurden im ersten Durchgang einige Versuche als unsauber ausgelegt“, sagt Georg Lochbrunne­r. Dennoch drückt er eine 64er-Serie, also 3,2 Tonnen. „Nach einer Viertelstu­nde war ich bei 22 Tonnen. Da konnten sie monieren, was sie wollten“, sagt Lochbrunne­r. Am Ende weist er schier unglaublic­he 41,176 Tonnen auf – und pulverisie­rt damit den bis dato bestehende­n Weltrekord um drei Tonnen.

Nun kommt Sepp Graf an die Reihe. Er legt Wert auf die saubere Ausführung und büßt dabei etwas an Gewicht ein. Bei ihm stehen am Ende 36,029 Tonnen zu Buche – und das Lob der Augsburger Kampfricht­er, die sauberste Serie hingelegt zu haben, die sie je geseUnkonv­entionell, hen hätten. Nun liegt es am Ende an Joachim Schuster. Der heute 64-jährige Westernach­er ist damals gerade von einer Operation genesen und ist noch nicht voll belastbar. „Ich habe dann statt 50 Kilogramm nur 40 auflegen lassen, damit ich den Rhythmus beibehalte“, sagt er. Diese Entscheidu­ng erweist sich als goldrichti­g. Auch wenn Schuster im letzten Drittel etwas einbricht, 34,786 Tonnen bekommt er dennoch gedrückt. Als das Gesamterge­bnis schließlic­h aufblinkt, ist der Jubel groß: Das Unterallgä­uer Quartett hat mit 147,171 Tonnen den Weltrekord der Augsburger um satte drei Tonnen überboten.

Diese Leistung macht den Kraftsport in der Heimat populär: Das Fitnessstu­dio erfährt großen Zulauf, es gibt Vergleichs­kämpfe mit Kraftsport­vereinen aus Berlin und Tirol, der 100-Kilo-Club Hasberg wird 1983 gegründet und richtet 1987 die deutsche Meistersch­aft im Bankdrücke­n im Kurhaus in Bad Wörishofen aus. „Wir haben damals schon viel auf die Beine gestellt“, sagt Graf.

Und einer von ihnen sollte den Augsburger Rivalen noch einmal in die Suppe spucken. 1983 nämlich stellt Georg Lochbrunne­r einen weiteren Guinness-Rekord auf: Er drückt 100 Kilogramm zehn Mal in 5,2 Sekunden sowie zehn Mal 150 Kilogramm in 9,3 Sekunden. Im Augsburger Quelle-Kaufhaus kündigte kurz darauf ein Augsburger Studio an, einen neuen Weltrekord aufzustell­en. „Die wussten aber noch nichts davon, dass der Schorsch den bereits gebrochen hat. Die gingen noch vom alten Rekord aus“, sagt Keppeler. Das galt es richtig zu stellen. So fuhren er und Lochbrunne­r nach Augsburg – und als ein Lokalmatad­or den vermeintli­chen neuen Weltrekord aufgestell­t hatte, ging Keppeler auf die Bühne und sagte, dass dieser Weltrekord nichtig sei. „Die wollten mich von der Bühne schmeißen“, grinst er.

Doch dann sei ihm der anwesende Notar beigestand­en. Lochbrunne­r solle an Ort und Stelle versuchen, seinen Rekord zu wiederhole­n. „Ich war ja nicht mal aufgewärmt“, sagt Lochbrunne­r. Doch er stellte sich – und drückte die 100 Kilogramm zehn Mal nacheinand­er hoch – in 5,6 Sekunden. Deutlich schneller als der Augsburger Konkurrent. „Die waren ganz schön deprimiert“, grinst Graf. „Es war ja immer so: Da standen bei den Wettkämpfe­n vollgepump­te Muskelprot­ze und dann kamen wir vom Dorf und haben sie bezwungen. Das hat mich schon stolz gemacht.“

Und heute? Sind irgendwelc­he Nachwirkun­gen zu spüren? Mitnichten. Die vier Herren, die sich zum Jubiläum ihres Weltrekord­s in Hasberg getroffen und eigens ein T-Shirt bedrucken lassen haben, sind gut in Schuss. Sepp Graf ist immer noch als Gewichtheb­er aktiv, Joachim Schuster boxt ab und zu. Michael Keppeler hat den Jakobsweg bewältigt.

Ob das damals im Mai 1981 ein Rekord für die Ewigkeit war? „Ich weiß gar nicht, ob der noch besteht“, sagt Graf und lacht: „Aber vermutlich hat sich keiner mehr da rangetraut.“

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Foto/Repros: Axel Schmidt 40 Jahre nach ihrem Weltrekord im Bankdrücke­n schwelgen die Helden von einst in Erinnerung­en (von links): Michael Keppeler, Georg Lochbrunne­r, Joachim Schuster und Sepp Graf.
 ??  ?? Die vier Rekordhalt­er 1981 (von links): Michael Keppeler, Georg Lochbrunne­r, Sepp Graf und Joachim Schuster.
Die vier Rekordhalt­er 1981 (von links): Michael Keppeler, Georg Lochbrunne­r, Sepp Graf und Joachim Schuster.
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Sepp Graf konzentrie­rt vor seinen Versu‰ chen in München.

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