Mittelschwaebische Nachrichten
Hochzeit auf italienisch
Ein wenig unvernünftig war dieser Hochzeitstermin ja schon ausgewählt – nur zwei Tage nach dem Finale der Fußball-Europameisterschaft! Mamma Mia! Für einen siegreichen Italiener ist das natürlich viel zu kurz, um sich dem Freudentaumel des Tifosi-Landes zu entreißen und sich wieder auf rein familiäre Aufgaben zu konzentrieren. Seien sie auch noch so feierlich und emotional berührend wie eine Vermählung und die Taufe des zweitgeborenen Töchterchens.
Natürlich konnte Veronica Ciardi bei der Wahl dieses Datums – wohl ganz bewusst am Tag ihres eigenen Geburtstags – nicht ahnen, dass ihr Bräutigam Federico Bernardeschi als frischgebackener Fußball-Europameister am Altar stehen würde. Dabei haben schon deutlich unwichtigere Gründe zu Unpünktlichkeit in der Kirche geführt. Allerdings weiß auch jeder, der schon einen Junggesellen-Abschied organisiert hat, wie empfehlenswert ein Mindest-Abstand von fünf Tagen bis zu den Hochzeitsfeierlichkeiten ist – schließlich sollen alle Beteiligten beim Ja-Wort wieder im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte sein. So gesehen war die Regenerationszeit nach dem EM-Triumph für Bernardeschi eindeutig zu kurz.
Wenn Italien nach 53-jähriger Abstinenz mit voller Inbrunst einen Europameister-Titel feiert, reichen zwei Tage niemals nicht aus, um sich als Nationalspieler wieder auf grundlegend andere Dinge besinnen zu können.
Scheinbar nicht einmal, wenn Amore im Spiel ist. Denn dass Frederico Bernardeschi geschlagene 40 Minuten zu spät zu seiner eigenen Trauung kam, verwunderte sogar seine Landsleute, die in großer
Anzahl am Domplatz der historischen Innenstadt von Carrara auf ihren EM-Helden warteten.
Es ist nicht überliefert, ob sich Bernardeschi die Zeit mit der Suche nach seinen grauen HochzeitsSneakern vertrieb, die Ringe verlegt hatte, die Haare noch blond färben musste oder den EM-Pokal aufpoliert hat – er kam auf alle Fälle zu spät. Nicht nur zur Hochzeit, sondern auch zur gleichzeitig stattfindenden Taufe.
Seine Victoria aber zeigte allererste Qualitäten einer künftigen Spielerfrau. Sie wartete stoisch auf ihren Bräutigam und ließ sich auch durch „Wir sind Europameister“-Gesänge nicht aus der Ruhe bringen. Einen Trost gibt es für sie: Durch die nun ewig währende Verbindung mit dem EM-Titel wird ihr Mann sowohl ihren Geburtstag als auch den Hochzeitstag wohl nie mehr vergessen.