Mittelschwaebische Nachrichten
Prozess: Angestellte geht trotz Quarantäne zur Arbeit
Eine 59-Jährige muss ein Bußgeld zahlen, weil sie trotz Quarantänepflicht arbeitet. Doch das hat auch mit ihrem Arbeitgeber und zwei Landratsämtern zu tun
Landkreis Günzburg
Wer positiv auf das Coronavirus getestet ist oder mit einer infizierten Person Kontakt hatte, muss in Isolation. Das ordnen die zuständigen Landratsämter an. Weil eine 59-Jährige trotz der Quarantänepflicht in einem Therapiebetrieb im Nachbarlandkreis Dillingen arbeitete, verhängte das Günzburger Amtsgericht nun ein Bußgeld gegen die Frau.
„Dieser Fall ist etwas besonders“, argumentierte Rechtsanwalt Manfred Lehmann. Es handele sich bei seiner Mandantin nicht um eine Quarantäne-Verweigerin, sagte der Verteidiger im Bußgeld-Verfahren. Immerhin habe sich die 59-Jährige selbst in Isolation begeben, wie vom Landratsamt Dillingen angeordnet. Im Nachbarlandkreis liegt der Arbeitsplatz der Frau, dort hatte sie in einer Therapiefirma Kontakt zu einem Covid-Infizierten. Sogar ihr Arbeitgeber habe sich für die Mandantin eingesetzt, die Anfang Mai nach zweiwöchiger Quarantäne wieder ihren Job antrat. Doch das war ein Fehler.
Mittlerweile hatte das Landratsamt Günzburg den Fall übernommen, da es für den Wohnsitz der Beschuldigten zuständig ist. Allerdings war es bei der Kreisbehörde offensichtlich zu einem Fehler bei der Datenaufnahme der Frau gekommen, was die Beschuldigte ziemlich empörte, als sie mit dem zuständigen Sachbearbeiter telefonierte, wie dieser als Zeuge aussagte. Der Zeuge bestätigte auch, dass der Frau die Quarantänepflicht ab 24. April bis mindestens 5. Mai auferlegt wurde, was zusätzlich per E-Mail ergänzt wurde. Deshalb habe sie am 4. Mai noch nicht wieder arbeiten dürfen.
Zudem hatte die 59-Jährige ihm gegenüber von Husten-Symptomen gesprochen, ein Corona-Test verlief aber negativ.
Der Chef des Therapie-Unternehmens erklärte als Zeuge, er habe sich nach mehrfacher vergeblicher telefonischer Kontaktaufnahme mit dem Günzburger Landratsamt beim Gesundheitsamt Dillingen erkundigt, ob Personen, die nach 14 Tagen keinerlei Symptome zeigten, wieder arbeiten dürften. Das sei ihm von der Amtsleiterin bestätigt worden, die sich daran jedoch nicht erinnern konnte.
Der Haken: Die Kreisbehörde war zu diesem Zeitpunkt gar nicht mehr zuständig und befasste sich nicht mehr mit dem Quarantänefall der 59-Jährigen. Aufgrund dieser Verständigungsprobleme, weil ihr Chef die Arbeitsaufnahme am 4. Mai als zulässig einstufte und sie keine Symptome aufwies, habe sie sich nichts vorzuwerfen. Seine Mandantin habe weder vorsätzlich noch fahrlässig gehandelt, meinte ihr Anwalt und plädierte auf Freispruch, mindestens aber auf eine deutlich reduzierte Strafe. Bei dem Freispruch spielte Amtsrichterin Julia Lang nicht mit. Sie hielt den Verstoß gegen die Quarantäne-Verordnung für erwiesen, reduzierte aber die Geldbuße von ursprünglich 1000 Euro auf die Hälfte, da die Beschuldigte negativ getestet wurde.