Mittelschwaebische Nachrichten
Wachstum ist das Lebenselixier von Alko
Wirtschaft Wie der globale Expansionskurs von Alko Fahrzeugtechnik gerade auch den Beschäftigten im Landkreis Günzburg nützen soll. Und welche Ziele mit der „Strategie 2025“angestrebt werden
Kötz Kürzlich hat sich Harald Hiller von seinem Arzt durchchecken lassen. Die Werte seien bestens gewesen, sagt der Top-Manager von Alko Fahrzeugtechnik. Stress scheint ihm nichts anzuhaben, wenngleich der Familienvater ab und an den Wunsch verspürt, „einmal zwei Wochen Urlaub am Stück machen zu können“. Das sei in den vergangenen beiden Jahren nicht der Fall gewesen.
Ein Umstand, den der Vorstandsvorsitzende des Unternehmens feststellt, aber nicht beklagt. Denn eine solche Firma, die mit dem US-Konzern Dexter Axle vor über fünf Jahren zu Dexko Global fusionierte, kennt längere Ruhepausen – jedenfalls im höchsten Führungszirkel – nicht. Versüßt wird diese Rastlosigkeit mit einem Salär, das – wenn Zielmarken erreicht oder überschritten werden – vermutlich noch reichlicher ausfallen dürfte. Dafür wird abverlangt, auf den Punkt genau Zahlen zu liefern, die eines signalisieren sollen: Es geht weiter und weiter mit der Konzentration auf das Kerngeschäft und dem Zukauf von Firmen, die in das, wie jeder diesbezüglichen Pressemeldung zu entnehmen ist, „Portfolio“passen.
In dieser Woche hat das die Alko Vehicle Technology Group, wie sich die Fahrzeugtechnik inzwischen nennt, mit der niederländischen Firma Brink vorexerziert, einem Spezialisten für Anhängerkupplungen. Von einem Tag auf den anderen ist die Belegschaft von Alko weltweit um 650 Mitarbeitende gewachsen, auf nun 3800 Männer und Frauen aus 24 Nationen (wir berichteten).
Bereits im Namen des Mutterkonzerns Dexko steckt, was der Anspruch von Alko Fahrzeugtechnik ist: global zu agieren. Die US-amerikanischen Partner konzentrieren sich dabei auf den nordamerikanischen Markt, Alko Fahrzeugtechnik auf den Rest der Welt. Bislang sind es 25 Produktions- und 35 Vertriebsstätten sowie sechs Kundencenter in Europa. Pro Jahr werden um die 670.000 Achsen und 95.000 Chassis-Plattformen hergestellt.
Alles andere als ein Nasenwasser, doch wer Alko nur mit diesen gängigen Produkten in Verbindung bringt, hat die Weiterentwicklung hin zu einem Mischkonzern nicht so richtig verfolgt. Alko will sich in den
Feldern etablieren oder hat sich bereits dazu aufgemacht, in denen hohe Wachstumspotenziale ausgemacht werden. Der Kauf der italienischen Tochter Safim ist ein Beispiel dafür. Das Unternehmen stellt Komponenten für hydraulische Bremssysteme her. Mit dem Erwerb wurden zugleich 54 Bremssystempatente für Traktoren eingekauft. Alko entdeckt die Landwirtschaft und setzt damit auf einen Wachstumsmarkt, der anders als es das Bauernhofsterben hierzulande vermuten lässt, noch längst nicht ausge
ist. Schließlich will eine wachsende Weltbevölkerung ernährt werden. Die Schlussfolgerung daraus: In der jungen „Hydraulics“-Sparte, ein intern so bezeichnetes Geschäftsfeld von Alko, wurden Akquisitionsziele mit einem Gesamtumsatz von sechs Milliarden US-Dollar identifiziert. Das sei kein Bauchgefühl, wie Alko-Chef Hiller sagt, sondern das Ergebnis einer Analyse des Beratungsunternehmens Bain.
Megatrends sind die Erfolgswellen, auf denen es sich lohnt, vorne mitzuschwimmen: Dazu zählt beispielsweise der Reisemobil- und Caravanmarkt, beschleunigt in der Entwicklung noch durch die Corona-Krise, für dessen Gefährte Alko gewissermaßen das mobile Fundament liefert. Dazu zählen in zunehmendem Maße die sogenannten Tiny Houses für Menschen, die ihr Leben einfacher gestalten wollen und sich davon mehr Freiheit versprechen. Problematisch seien für die Holzhäuser, deren Preis im mittleren bis höheren fünfstelligen Euro-Bereich liegt, bislang die Anhänreizt ger gewesen. Alko-Ingenieure hätten lange getüftelt, um eine gute Verbindung von Holz zu Stahl hinzubekommen, mobil und gleichzeitig massiv zu sein.
Kundennähe, schnelle und zuverlässige Lieferung, Effizienz, ein erstklassiger Service und ein Rundum-Qualitätsversprechen gehören zu den Bausteinen, die essenziell sind für die „Strategie 2025“der Alko Fahrzeugtechnik. In einem über vierminütigen Erklärvideo im Zeichentrickformat wird den Mitarbeitern nahegebracht, worauf es in Gegenwart und Zukunft ankommt. Dabei soll es nicht nur bei Stichworten bleiben, die wohl jeder Unternehmer unterschreiben würde. In einem weiteren Schritt würde das, kündigt Hiller an, in eine „Funktionalstrategie“umgemünzt, denn die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in Entwicklung, Technik, Produktion, Vertrieb und Logistik „möchten ja wissen, wie sie sich konkret einbringen können“.
In vier Jahren bereits soll der jährliche Umsatz bei 1,5 Milliarden US-Dollar liegen. Gerade jetzt ist durch die neue Tochtergesellschaft Brink der erwartete Umsatz für heuer von 800 Millionen auf eine Milliarde Dollar geklettert. Dass diese Kennziffer noch vor wenigen Jahren, vor der Herauslösung aus dem schwäbischen Familienunternehmen Alko, bei 460 Millionen Dollar lag, quittiert Hiller mit einem leichten Kopfschütteln: Kaum zu glauben sei es, wohin dieser Weg schon geführt habe.
Dass der unter disziplinierter amerikanischer Regie fortgesetzt werde, ist für Hiller alternativlos. Das bedeute eine gute Zukunft für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Landkreis Günzburg. Ein gutes Drittel der Belegschaft weltweit – rund 1300 – arbeitet an den Standorten Groß- und Kleinkötz, in Ettenbeuren und Günzburg-Deffingen. Derzeit werden mehr als 20 Spezialisten für Bereiche wie Finanzen, Forschung & Entwicklung, IT und Vertrieb gesucht.
Was mit diesem globalen Wachstumskurs gerade auch für den Wirtschaftsstandort und die Werthaltigkeit des Landkreises Günzburg geleistet werde, nimmt aus Hillers Warte mancher politische Entscheidungsträger in der Region als selbstverständlich hin. „Das ist es aber nicht.“