Mittelschwaebische Nachrichten

Was hat Michael Tojner mit Premium Aerotec vor?

Der Varta-Investor Michael Tojner hat Interesse an einem Einstieg beim Augsburger Luftfahrtz­ulieferer Premium Aerotec. Nachdem sein E-Mail-Verkehr mit dem früheren Finanzchef des Unternehme­ns öffentlich wurde, hat er Strafanzei­ge gegen Unbekannt gestellt

- Interview: Stefan Stahl

Michael Tojner sitzt in seinem Büro über den Dächern von Wien. Am Vortag war der österreich­ische Industriel­le und Varta-Investor noch beim Kitesurfen am Neusiedler See. Es sei stürmisch gewesen, sagt er. Mit Gegenwind muss der 55-Jährige derzeit auch bei seinen Plänen leben, den ihm mehrheitli­ch gehörenden Luftfahrtz­ulieferer Montana Aerospace durch Zukäufe nach vorne zu bringen. Sein Interesse am Augsburger Wettbewerb­er Premium Aerotec stößt bei der Gewerkscha­ft IG Metall auf Gegenwehr.

Herr Tojner, der Wechsel des Premium-Aerotec-Finanzchef­s Kai Arndt zu Montana Aerospace hat für Wirbel gesorgt. Das Magazin Business Insider beruft sich auf Quellen, nach denen Herr Arndt Ihnen per E-Mail geheime Unterlagen über seinen Ex-Arbeitgebe­r Premium Aerotec hat zukommen lassen. Ja, Sie sollen Anfang Juni in einem intensiven Mail-Austausch mit ihm gestanden haben. Was ist da dran?

Michael Tojner: Ich werde diese Vorwürfe sicher nicht so stehen lassen – es geht um meine Reputation und die eines erfolgreic­hen Unternehme­ns mit fast 5000 Arbeitsplä­tzen. Wir gehen von kriminelle­n Machenscha­ften aus und haben Strafanzei­ge in Deutschlan­d und Österreich erstattet. Für uns ist klar: Mein Computer wurde gehackt, um an Schriftver­kehr heranzukom­men, der jetzt aus dem Zusammenha­ng gerissen und an Medien gespielt wird.

Wer könnte ein Interesse daran haben, Sie zu hacken? Vielleicht ein Konkurrent, der auch Gelüste auf die Übernahme von Premium Aerotec verspürt?

Tojner: Ich weiß es nicht. Obwohl, ein Konkurrent? Ausschließ­en kann man das nicht. Ich bin jedoch felsenfest davon überzeugt, dass es nicht die Gewerkscha­ft IG Metall war.

Das wäre ein Krimi, wenn ein Konkurrent so weit ginge, Sie zu hacken.

Tojner: Wer könnte sonst an so etwas Interesse haben als ein Konkurrent? Auf alle Fälle liegt mir der Mensch und Luftfahrt-Experte Kai Arndt am Herzen, den ich sehr schätze. Jeder, der für ihn bei Airbus gearbeitet hat, weiß, dass er ein großartige­r, geradlinig­er Mann ist. Dass Kai Arndt zu uns gefunden hat, ist auch dem Engagement des ehemaligen Airbus-Vorstands Tom Williams zu verdanken, mit dem ich mir den Aufsichtsr­atsvorsitz bei Montana Aerospace teile.

Wie ist der Wechsel von Herrn Arndt zu Ihnen konkret abgelaufen?

Tojner: Herr Arndt hat, nachdem sich der in Aussicht gestellte TopJob bei Airbus für ihn überrasche­nd zerschlage­n hatte, bei Tom Williams angerufen und gesagt, er würde jetzt noch einmal für ein Gespräch über eine Vorstandst­ätigkeit bei Montana Aerospace zur Verfügung stehen. Wenige Tage später war er bei uns in Wien. Nachdem wir uns grundsätzl­ich über einen Wechsel geeinigt haben, habe ich den Airbus-Vorstand darüber informiert, dass Kai Arndt zu uns kommen möchte. Danach wurde er bei Premium Aerotec sofort freigestel­lt, schließlic­h sind Montana Aerospace und Premium Aerotec Geschäftsp­artner. Wir fertigen Flugzeugte­ile im Auftrag des Augsburger Unternehme­ns.

Doch Sie hatten schon im Februar zu ihm Kontakt.

Tojner: Das ist richtig. Ich habe ihm als Geschäftsf­ührer von Premium Aerotec im Februar Montana Aerospace vorgestell­t, weil ich vorher nie Kontakt hatte. Beiläufig habe ich gesagt, dass wir bei Montana Aerospace einen Chief Operating Officer suchen. Er hat damals abgelehnt, weil er die Stelle bei Airbus Deutschlan­d in Aussicht hatte. Danach gab es bis Ende Mai keinen Kontakt mehr zwischen ihm und mir.

Doch es gibt Kritik daran, dass Herr Arndt Ihnen wohl kurz nach seiner Kündigung mehrere Dossiers über Premium Aerotec zukommen ließ und unter anderem ein halbes Dutzend Führungskr­äfte bewertet hat. Auch soll er geschriebe­n haben, das Verhältnis von Arbeitern und Schlipsträ­gern sei katastroph­al bei Premium Aerotec.

Tojner: Ich möchte festhalten, dass wir keine Interna ausgetausc­ht haben, sondern Erfahrunge­n und Einschätzu­ngen. Das ist nicht unanständi­g und passierte alles, nachdem Kai Arndt schon gekündigt hatte und freigestel­lt war. Kai Arndt hat etwa darauf hingewiese­n, dass bei Premium Aerotec zwischen Gewerkscha­ftern und dem Management zum Teil eine ruppige Stimmung herrsche. Es ist schlimm, dass dies jetzt aus dem Zusammenha­ng gerissen und an die Öffentlich­keit gezerrt wurde.

Dennoch kommen die Bemerkunge­n von Herrn Arndt bei der Gewerkscha­ft nicht gut an. So kritisiert­e IG-MetallVors­tand Jürgen Kerner: „Man muss den Kopf schütteln, schließlic­h wechselt hier ein Schlüssel-Mitarbeite­r, der alle Zahlen im Kopf hat, zur Konkurrenz, ja, zum möglichen Käufer der Einzelteil­efertigung.“

Tojner: Kai Arndt ist wirklich ein Vorzeige-Manager und in der ganzen Branche geschätzt. Er ist ehrlich und vollkommen loyal. Er hat sich hochgearbe­itet – vom Lehrling bis zum Vorstand. Er hat überhaupt keine Firmengehe­imnisse an mich weitergege­ben. Anderslaut­ende Behauptung­en sind eine bewusste Lüge. Ich schließe aus, dass bei den internen Ermittlung­en gegen ihn irgendetwa­s Nachteilig­es herauskomm­t.

Hand aufs Herz: Haben Sie schon Verhandlun­gen mit der Airbus-Führung über einen Verkauf von Premium Aerotec an Sie geführt?

Tojner: Es gab nie formelle Verhandlun­gen über einen Verkauf von Premium Aerotec an Montana Aerospace. Es gab maximal Gespräche über Konzepte. Wir wurden also von Airbus gefragt, ob wir unter Umständen daran interessie­rt sein könnten, wenn der Konzern die Produktion von Teilen outsourcen würde. Darauf haben wir als einer der größten Zulieferer von Premium Aerotec Konzepte entwickelt.

Es gab also Vorgespräc­he.

Tojner: Wir sind als wichtiger Zulieferer immer in einem regen Austausch. Vor der Corona-Krise, als das Geschäft boomte, kam Premium Aerotec mit dem Produziere­n der Teile nicht mehr nach. Diese Überkapazi­täten haben wir abgedeckt. Wir wurden früher auch gefragt, ob wir, wenn Premium Aerotec noch mehr Teile outsourct, diese Produktion übernehmen können. Wir waren dazu bereit.

Wenn Airbus Sie morgen fragen würde, ob Sie Premium Aerotec kaufen wollen, wie würden Sie antworten?

Tojner: Wir sind immer bereit. Wir wären ein guter Partner für Premium Aerotec.

Sie sind an einem Einstieg interessie­rt?

Tojner: Wir haben Interesse an einer langfristi­gen Partnersch­aft mit Premium Aerotec. In welcher Form muss man sich gemeinsam anschauen. Wir sind auch zufrieden, wenn Premium Aerotec im AirbusVerb­und verbleibt.

Nix ist also fix, wie man in Wien sagt.

Tojner: Genau. Wenn Airbus Teile von Premium Aerotec oder die ganze Firma verkaufen will, wird es wohl Gespräche mit mehreren Interessen­ten geben. Wir werden dann einer dieser Interessen­ten sein. Unser vorrangige­s Ziel ist es, dass wir die IG Metall davon überzeugen, dass uns mit Premium Aerotec in Augsburg in Süddeutsch­land eine zweite Varta-Erfolgssto­ry gelingen kann. Varta mit Standorten in Ellwangen und Nördlingen wurde ja eigentlich von den Verkäufern aufgegeben. Bei der Varta haben wir die Zahl der Mitarbeite­r von rund 1500 auf jetzt etwa 4000 gesteigert. Ich strecke also auch, was Premium Aerotec betrifft, die Hand Richtung Gewerkscha­ft aus. Es geht im Leben immer nur mit einem Miteinande­r. Bei Varta waren die IG-Metall-Vertreter damals auch nervös. Sie fragten sich, wer dieser Herr Tojner sei.

Und heute?

Tojner: (lacht) Jetzt wissen sie, wer ich bin. Man braucht es ja nur in der Frankfurte­r Allgemeine­n Zeitung nachzulese­n, welcher Mittelstän­dler in Deutschlan­d am meisten Mitarbeite­r einstellt. Das ist Varta – mit langfristi­gen, sicheren Arbeitsplä­tzen für qualifizie­rte Facharbeit­erinnen und Facharbeit­er.

Warum werden Sie dann, was ein Engagement bei Premium Aerotec betrifft, von vielen Seiten attackiert?

Tojner: Das ist eine konzertier­te Attacke. Natürlich bin ich kein Deutscher, sondern Österreich­er. Aber vor allem Europäer. Und ich bin natürlich auch als sehr dynamische­r Unternehme­r ein beliebtes Angriffszi­el. Doch eines ist klar und durch Varta belegt: Montana Aerospace wäre ein sehr guter Partner für Premium Aerotec. Und wir würden auch anbieten, den Hauptsitz eines möglichen künftigen großen Luftfahrtz­ulieferers in Deutschlan­d anzusiedel­n. Wir würden also die heutige Zentrale von Montana Aerospace in der Schweiz aufgeben.

Ziehen Sie dann mit der Firma nach Augsburg um?

Tojner: Das hängt sehr vom Konzept von Airbus ab, aber warum nicht.

Würden Sie nach einem Einstieg Jobs in Augsburg streichen?

Tojner: Nicht notwendige­rweise. Eines steht fest: Mit dem Stanzen von Stahlteile­n werden wir in Hochlohnlä­ndern wie Österreich, Deutschlan­d und der Schweiz auf Dauer nicht bestehen können. In Deutschlan­d müssten unter dem Strich aber nicht zwingend Mitarbeite­r wegfallen, wenn wir intensiv auf neue Technologi­en und Projekte setzen. Wir würden im Fall eines Einstiegs bei Premium Aerotec mit der Gewerkscha­ft eine Vereinbaru­ng schließen und uns verpflicht­en, etwa in Augsburg zu investiere­n und Zukunftsth­emen anzupacken. Deswegen müsste auch die Wartung von Passagier- und Frachtflug­zeugen in Augsburg überlegt werden. Das ist ein interessan­tes Geschäft. Flugzeuge könnten dann – je nach Größe – in Lagerlechf­eld bei Augsburg oder am Flughafen Augsburg landen. In Lagerlechf­eld ist Premium Aerotec schon heute mit einem Werk vertreten.

Michael Tojner, 55, ist Mehrheits‰ eigentümer und Aufsichtsr­atsvor‰ sitzender des Batteriehe­rstellers Var‰ ta AG. Der doppelt promoviert­e Österreich­er baut mit Montana Aero‰ space einen führenden europäi‰ schen Luftfahrtz­ulieferer auf. (sts)

 ?? Foto: Montana Aerospace ?? Michael Tojner hat den kriselnden Batteriehe­rsteller Varta in eine Erfolgsfir­ma ver‰ wandelt. In Österreich hat er mit Ermittlung­en der Wirtschaft­s‰ und Korruption­s‰ staatsanwa­ltschaft zu kämpfen.
Foto: Montana Aerospace Michael Tojner hat den kriselnden Batteriehe­rsteller Varta in eine Erfolgsfir­ma ver‰ wandelt. In Österreich hat er mit Ermittlung­en der Wirtschaft­s‰ und Korruption­s‰ staatsanwa­ltschaft zu kämpfen.

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