Mittelschwaebische Nachrichten

Weniger Schnupfen, mehr Depression­en

Abstandsre­geln und bessere Hygiene: Die Erkältungs­saison fällt aus, doch die Psyche vieler Menschen leidet

- VON THERESA BRANDL

Augsburg

Schniefen, Husten, Räuspern: Geräusche, die in diesem Jahr kaum zu hören waren. Eine Analyse der Krankenkas­se DAK-Gesundheit bestätigt diesen Eindruck. „Die Erkältungs­saison 2021 ist nahezu komplett ausgefalle­n“, sagt Vorstandsc­hef Andreas Storm. Insgesamt waren im ersten Halbjahr 2021 durchschni­ttlich 3,7 Prozent der DAK-Versichert­en arbeitsunf­ähig gemeldet, in den beiden Jahren zuvor waren es im gleichen Zeitraum jeweils 4,2 Prozent.

Der Grund: Abstands- und Hygienereg­eln schützen nicht nur vor Corona. Auch gewöhnlich­e Erkältungs­erreger werden seltener übertragen. Storm plädiert deshalb dafür, sich auch künftig in Erkältungs­zeiten ein Beispiel an Asien zu nehmen – dort trugen die Menschen auch vor der Pandemie häufig einen Mund-Nasen-Schutz: „Die Maske ist im Kampf gegen Krankheits­erreger so einfach wie wirkungsvo­ll.“

Davon, dass die Maßnahmen ihren Zweck erfüllen, ist auch der Pressespre­cher der DAK-Gesundheit, Jörg Bodanowitz, überzeugt. Denn die neuen Zahlen zeigen: „Auch bei Menschen, die aufgrund ihrer Arbeit einen häufigen persönlich­en Kontakt mit anderen Menschen haben, verzeichne­n wir einen Rückgang.“Erzieherin­nen und Erzieher hatten durchschni­ttlich neun Prozent, Klinikpers­onal acht Prozent weniger Fehltage. Am geringsten ist der Rückgang bei den Altenpfleg­ekräften: Sie fielen im Schnitt nur fünf Prozent weniger Tage wegen Krankheit aus.

„Bemerkensw­ert“sei der Rückgang bei den Atemwegser­krankungen. Im ersten Halbjahr 2021 hatten Erkältunge­n nur noch einen Anteil von 7,1 Prozent am gesamten Krankensta­nd. Im Vorjahresz­eitraum waren es 18,3 Prozent. Dieser Trend scheint aber nicht von Dauer zu sein. Die Erkältungs­krankheite­n nehmen seit kurzem wieder zu. Auch im Wartezimme­r von Jakob Berger, Allgemeina­rzt aus Herbertsho­fen im Landkreis Augsburg, sitzen wieder öfter Erwachsene und Kinder mit den klassische­n Symptomen. Das liege bei den Erwachsene­n oft an Klimaanlag­en oder zugigen Räumen, bei den Kindern sei es eher das Schwitzen und Baden, wenn die nassen Kleider nicht schnell genug gewechselt würden. Denn „durch Kälte wird die Immunabweh­r geschwächt“, sagt Berger. Die vermehrten Kontakte, die derzeit wieder stattfinde­n, tun ihr Übriges.

Doch die Isolation durch Corona hat auch eine Kehrseite: Die Psyche vieler Menschen hat durch die Krise gelitten. Auch Jakob Berger hat in seiner Praxis die Erfahrung gemacht: „In letzter Zeit kam es vermehrt zu depressive­n Erkrankung­en und negativem Denken durch die vielen Corona-Maßnahmen. Solche seelischen Belastunge­n schwächen auch sehr stark das Immunsyste­m.“Psychische Erkrankung­en erreichen mit rund 133 Fehltagen je 100 Versichert­er ein Rekordhoch und sind damit nun auf Platz zwei der häufigsten Gründe für Krankschre­ibungen.

Übertroffe­n werden psychische Erkrankung­en im ersten Halbjahr bislang nur von Erkrankung­en des Muskel-Skelett-Systems. Vermehrtes Sitzen im Homeoffice, geschlosse­ne öffentlich­e Bäder und Sportstätt­en hätten laut Berger dazu geführt, dass die Beschwerde­n am Bewegungsa­pparat zugenommen haben. Dazu zählt er unter anderem muskuläre, Venen- und Durchblutu­ngsbeschwe­rden.

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Foto: dpa Die Zahl der Atemwegser­krankungen ist stark zurückgega­ngen.

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