Mittelschwaebische Nachrichten
Katholikinnen verlieren die Geduld
Diskussion Immer mehr Frauen sehen nicht ein, warum ihre Kirche sie ausgrenzt. Von Verachtung, dem Verlust der Glaubwürdigkeit und pastoralem Ungehorsam ist die Rede
München
Der Münchner Erzbischof Reinhard Kardinal Marx hat in einem „Hirtenbrief“ausführlich Stellung zu seinem Rücktrittsgesuch genommen, das Papst Franziskus nicht annahm. In dem Schreiben, das am Wochenende in den Pfarreien bekannt gemacht wird, schließt er ein abermaliges Angebot für einen Amtsverzicht nicht aus. „Wenn sich eine neue Situation ergibt oder veränderte Umstände, die meinen Dienst grundsätzlich infrage stellen, werde ich prüfen, ob ich nicht erneut das Gespräch mit dem Heiligen Vater suchen sollte“, erklärt er den Kirchenmitgliedern.
Er verstehe seinen Bischofsdienst „nicht als ein Amt, das mir gehört und das ich verteidigen muss, sondern als einen Auftrag für die Menschen in diesem Erzbistum und als Dienst an der Einheit der Kirche“. Über ein neues Rücktrittsgesuch würde er mit den diözesanen Gremien, der Aufarbeitungskommission sowie dem Betroffenenbeirat beraten. Jetzt aber sage er „mit großer Bereitschaft wieder ein neues Ja zu meinem Auftrag hier in unserem Erzbistum und bitte Sie um Ihr Gebet und Ihr Vertrauen“.
Seine Anfang Juni öffentlich gewordene Entscheidung, dem Papst den Rücktritt anzubieten, habe er „nach reiflichem Überlegen“getroffen. Sie sollte ein Zeichen sein, dass er für den Missbrauchsskandal und die Fehler der Bischöfe im Umgang damit „persönlich und als Amtsträger Mitverantwortung übernehmen muss“.
Marx war bis Anfang 2020 sechs Jahre lang Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, in seiner Zeit als Trierer Bischof soll er sich mehrerer Pflichtverletzungen im Umgang mit einem mutmaßlichen klerikalen Missbrauchstäter schuldig gemacht haben. Noch in diesem Jahr wird für das Erzbistum München und Freising ein unabhängiges Missbrauchsgutachten erwartet.
Augsburg
Viele Frauen in der katholischen Kirche wollen sich nicht länger von Klerikern ihren Platz anweisen lassen. Ihre Geduld ist am Ende. „Es ist an der Zeit, dass wir Frauen selber für uns sprechen“, bekräftigt Katharina Ganz, die Generaloberin der Franziskanerinnen von Oberzell bei Würzburg. Die Ordensfrau geht inzwischen sogar so weit, dass sie zu „pastoralem Ungehorsam“aufruft. „Als an unseren Kirchen Regenbogenfahnen aufgezogen und Segensgottesdienste für alle Liebenden gehalten wurden, ging es doch auch“, erinnert sie an die Reaktion auf das vatikanische Verbot von Segnungen von gleichgeschlechtlichen Paaren.
Am Tag der Maria Magdalena, der „Apostelin der Apostel“, haben in Augsburg der Katholische Frauenbund, die Frauenseelsorge im Bistum und die Moritzkirche zum Podium über die Rolle der Frauen in der Kirche eingeladen. Der Saal war dem Livestream sahen noch einmal mehr als 100 Interessierte zu. Im Thema ist Sprengkraft. „Es ist eine große Ungerechtigkeit“, urteilt die Journalistin Christiane Florin darüber, dass die Papstkirche hartnäckig bis heute die Frauen von allen Weiheämtern ausschließt – „nur weil sie Frauen sind“. Diese Haltung verstoße gegen ein elementares Menschenrecht. Voller Frauenverachtung sei die Kirchengeschichte, den männlichen Theologen galten Frauen als nicht so gottebenbildlich. Gutes Zureden helfe hier nicht weiter. „Es braucht die Umkehr, die Kirche muss sagen: Das war falsch. Es geht nur durch eine 180-GradWende – und nicht mit ein bisschen hier und da“, ereifert sich Florin.
Stichhaltige Argumente liefert die feministische Theologie schon seit Jahrzehnten. „Frauen um Jesus und dann in der Kirche haben eine viel größere Rolle gespielt“, betont Theologieprofessorin Margit Eckholt von der Uni Osnabrück. Unter ihren Studentinnen sei längst ein höheres Selbstbewusstsein gewachsen. „Sie verstehen nicht mehr, dass Frauen aufgrund ihres Geschlechts in der Kirche ausgegrenzt werden.“Beim römischen Lehramt scheinen die vertieften Erkenntnisse jedoch nicht angekommen zu sein. Dort werde noch eine Theologie der Frau geschrieben mit Eva der Verführerin und Maria der reinen Jungfrau.
Bei einer Audienz im Vatikan hat Generaloberin Katharina Ganz Papst Franziskus direkt um Beratungen gebeten unter dem Aspekt, was die Kirche im 21. Jahrhundert an Diensten und Ämtern braucht. Bei aller Aufgeschlossenheit sei aber auch Franziskus bloß eingefallen, dass Jesus doch nur Männer geweiht habe. Die Antwort stellt die selbstbewusste Ordensfrau nicht zufrieden: „Wenn wir in der Theologie der Weiheämter nicht voranschreivoll, ten, wird die katholische Kirche in unserem Kulturkreis den letzten Rest an Glaubwürdigkeit verlieren“, prophezeit sie in Augsburg.
Der Hebel für einen mutigen Schritt nach vorne könnte das Entsetzen über die sexualisierte Gewalt sein. Die Verbrechen von Priestern haben die traditionelle Einteilung in Kleriker und Laien erschüttert, weil dieses System Machtmissbrauch begünstigt, sagt die Generaloberin. Sie setzt darauf, über den Synodalen Weg der deutschen Katholikinnen und Katholiken eine neue Debatte auch in der Weltkirche anzustoßen. Während Margit Eckholt für die eher versöhnlichen Töne wirbt, hält es die Journalistin Christiane Florin mit der klaren Sprache: „Ungerechtigkeit ist Ungerechtigkeit!“Die Furcht der Männerkirche, dass Gleichberechtigung der Frauen auf Gleichmacherei hinausläuft, bedeute eigentlich, dass ihre „hochgradig manipulative“Lehre, die die Frau an sich als Problem identifiziert, dann in sich zusammenstürzt.
Die Antwort des Papstes stellt sie nicht zufrieden