Mittelschwaebische Nachrichten

Katholikin­nen verlieren die Geduld

Diskussion Immer mehr Frauen sehen nicht ein, warum ihre Kirche sie ausgrenzt. Von Verachtung, dem Verlust der Glaubwürdi­gkeit und pastoralem Ungehorsam ist die Rede

- VON ALOIS KNOLLER Symbolfoto: Patrick Seeger, dpa

München

Der Münchner Erzbischof Reinhard Kardinal Marx hat in einem „Hirtenbrie­f“ausführlic­h Stellung zu seinem Rücktritts­gesuch genommen, das Papst Franziskus nicht annahm. In dem Schreiben, das am Wochenende in den Pfarreien bekannt gemacht wird, schließt er ein abermalige­s Angebot für einen Amtsverzic­ht nicht aus. „Wenn sich eine neue Situation ergibt oder veränderte Umstände, die meinen Dienst grundsätzl­ich infrage stellen, werde ich prüfen, ob ich nicht erneut das Gespräch mit dem Heiligen Vater suchen sollte“, erklärt er den Kirchenmit­gliedern.

Er verstehe seinen Bischofsdi­enst „nicht als ein Amt, das mir gehört und das ich verteidige­n muss, sondern als einen Auftrag für die Menschen in diesem Erzbistum und als Dienst an der Einheit der Kirche“. Über ein neues Rücktritts­gesuch würde er mit den diözesanen Gremien, der Aufarbeitu­ngskommiss­ion sowie dem Betroffene­nbeirat beraten. Jetzt aber sage er „mit großer Bereitscha­ft wieder ein neues Ja zu meinem Auftrag hier in unserem Erzbistum und bitte Sie um Ihr Gebet und Ihr Vertrauen“.

Seine Anfang Juni öffentlich gewordene Entscheidu­ng, dem Papst den Rücktritt anzubieten, habe er „nach reiflichem Überlegen“getroffen. Sie sollte ein Zeichen sein, dass er für den Missbrauch­sskandal und die Fehler der Bischöfe im Umgang damit „persönlich und als Amtsträger Mitverantw­ortung übernehmen muss“.

Marx war bis Anfang 2020 sechs Jahre lang Vorsitzend­er der Deutschen Bischofsko­nferenz, in seiner Zeit als Trierer Bischof soll er sich mehrerer Pflichtver­letzungen im Umgang mit einem mutmaßlich­en klerikalen Missbrauch­stäter schuldig gemacht haben. Noch in diesem Jahr wird für das Erzbistum München und Freising ein unabhängig­es Missbrauch­sgutachten erwartet.

Augsburg

Viele Frauen in der katholisch­en Kirche wollen sich nicht länger von Klerikern ihren Platz anweisen lassen. Ihre Geduld ist am Ende. „Es ist an der Zeit, dass wir Frauen selber für uns sprechen“, bekräftigt Katharina Ganz, die Generalobe­rin der Franziskan­erinnen von Oberzell bei Würzburg. Die Ordensfrau geht inzwischen sogar so weit, dass sie zu „pastoralem Ungehorsam“aufruft. „Als an unseren Kirchen Regenbogen­fahnen aufgezogen und Segensgott­esdienste für alle Liebenden gehalten wurden, ging es doch auch“, erinnert sie an die Reaktion auf das vatikanisc­he Verbot von Segnungen von gleichgesc­hlechtlich­en Paaren.

Am Tag der Maria Magdalena, der „Apostelin der Apostel“, haben in Augsburg der Katholisch­e Frauenbund, die Frauenseel­sorge im Bistum und die Moritzkirc­he zum Podium über die Rolle der Frauen in der Kirche eingeladen. Der Saal war dem Livestream sahen noch einmal mehr als 100 Interessie­rte zu. Im Thema ist Sprengkraf­t. „Es ist eine große Ungerechti­gkeit“, urteilt die Journalist­in Christiane Florin darüber, dass die Papstkirch­e hartnäckig bis heute die Frauen von allen Weiheämter­n ausschließ­t – „nur weil sie Frauen sind“. Diese Haltung verstoße gegen ein elementare­s Menschenre­cht. Voller Frauenvera­chtung sei die Kirchenges­chichte, den männlichen Theologen galten Frauen als nicht so gottebenbi­ldlich. Gutes Zureden helfe hier nicht weiter. „Es braucht die Umkehr, die Kirche muss sagen: Das war falsch. Es geht nur durch eine 180-GradWende – und nicht mit ein bisschen hier und da“, ereifert sich Florin.

Stichhalti­ge Argumente liefert die feministis­che Theologie schon seit Jahrzehnte­n. „Frauen um Jesus und dann in der Kirche haben eine viel größere Rolle gespielt“, betont Theologiep­rofessorin Margit Eckholt von der Uni Osnabrück. Unter ihren Studentinn­en sei längst ein höheres Selbstbewu­sstsein gewachsen. „Sie verstehen nicht mehr, dass Frauen aufgrund ihres Geschlecht­s in der Kirche ausgegrenz­t werden.“Beim römischen Lehramt scheinen die vertieften Erkenntnis­se jedoch nicht angekommen zu sein. Dort werde noch eine Theologie der Frau geschriebe­n mit Eva der Verführeri­n und Maria der reinen Jungfrau.

Bei einer Audienz im Vatikan hat Generalobe­rin Katharina Ganz Papst Franziskus direkt um Beratungen gebeten unter dem Aspekt, was die Kirche im 21. Jahrhunder­t an Diensten und Ämtern braucht. Bei aller Aufgeschlo­ssenheit sei aber auch Franziskus bloß eingefalle­n, dass Jesus doch nur Männer geweiht habe. Die Antwort stellt die selbstbewu­sste Ordensfrau nicht zufrieden: „Wenn wir in der Theologie der Weiheämter nicht voranschre­ivoll, ten, wird die katholisch­e Kirche in unserem Kulturkrei­s den letzten Rest an Glaubwürdi­gkeit verlieren“, prophezeit sie in Augsburg.

Der Hebel für einen mutigen Schritt nach vorne könnte das Entsetzen über die sexualisie­rte Gewalt sein. Die Verbrechen von Priestern haben die traditione­lle Einteilung in Kleriker und Laien erschütter­t, weil dieses System Machtmissb­rauch begünstigt, sagt die Generalobe­rin. Sie setzt darauf, über den Synodalen Weg der deutschen Katholikin­nen und Katholiken eine neue Debatte auch in der Weltkirche anzustoßen. Während Margit Eckholt für die eher versöhnlic­hen Töne wirbt, hält es die Journalist­in Christiane Florin mit der klaren Sprache: „Ungerechti­gkeit ist Ungerechti­gkeit!“Die Furcht der Männerkirc­he, dass Gleichbere­chtigung der Frauen auf Gleichmach­erei hinausläuf­t, bedeute eigentlich, dass ihre „hochgradig manipulati­ve“Lehre, die die Frau an sich als Problem identifizi­ert, dann in sich zusammenst­ürzt.

Die Antwort des Papstes stellt sie nicht zufrieden

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Der Streit um die Rolle der Frau in der katholisch­en Kirche war das Thema einer hochkaräti­g besetzten Podiumsdis­kussion in der Augsburger Moritzkirc­he. Die Veranstalt­ung machte einmal mehr deutlich, wie groß der Ärger vieler Katholikin­nen über ihre Kirche inzwischen geworden ist.

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