Mittelschwaebische Nachrichten

Krank, radikalisi­ert und höchst gefährlich

Prozess Attentäter von Waldkraibu­rg wegen versuchten Mordes in 26 Fällen verurteilt

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München/Waldkraibu­rg

Ein Rätsel bleibt zum Ende des Prozesses: „Wie kann es sein, dass ein junger Mann, der durchweg als zurückhalt­end, zuvorkomme­nd und freundlich geschilder­t wird, derartige Taten begehen kann?“, fragt der Vorsitzend­e Richter am Oberlandes­gericht München. Er verhängt schließlic­h eine Freiheitss­trafe von neun Jahren und sechs Monaten gegen den 27 Jahre alten Mann, der 2020 Angst und Schrecken verbreitet hatte im oberbayeri­schen Waldkraibu­rg.

Der Mann hat zugegeben, dass sich seine Taten steigerten: von geworfenen Stinkbombe­n auf türkische Geschäfte über Brandattac­ken bis hin zu geplanten Bombenatte­ntaten auf die Ditib-Zentralmos­chee in Köln und ebenfalls geplanten Erschießun­gen von Imamen. Der Rohrbomben baute im Keller seines Elternhaus­es, der einen Schaden von rund vier Millionen Euro anrichtete, als er einen Lebensmitt­elladen anzündete, der im Internet Anleitunge­n zum Bombenbau fand und „Blitzknall­sätze“, wie das Gericht sie nennt, herstellte. Das Gericht verurteilt ihn wegen versuchten Mordes in 26 Fällen, weil 26 Menschen in ihren Wohnungen über dem türkischen Gemüselade­n waren, als der junge Mann ihn anzündete. Dazu kommt Körperverl­etzung,

Sachbeschä­digung, schwere Brandstift­ung – und die Vorbereitu­ng einer schweren, staatsgefä­hrdenden Gewalttat. Sein Plan sei es gewesen, die türkischst­ämmige Gemeinde in Deutschlan­d zu gewalttäti­gen Handlungen anzustache­ln „und bürgerkrie­gsähnliche Zustände herbeizufü­hren“, sagt der Vorsitzend­e Richter.

Das Motiv, das der türkischst­ämmige deutsche Angeklagte eingeräumt hat: „Hass auf alle türkischst­ämmigen Menschen“. Er sei ein Islamist und Salafist, von der Scharia und der Terrororga­nisation „Islamische­r Staat“überzeugt. Über Internetvi­deos habe er sich radikalisi­ert, Kontakt zu einschlägi­g bekannten Salafisten aufgenomme­n und den Dschihad verherrlic­ht. Die Festnahme des Mannes am 8. Mai 2020 könnte weitere Taten verhindert haben. Als die Polizei zugriff, hatte er Rohrbomben und kiloweise Sprengstof­f dabei. Dass er mit seinem Urteil – trotz 26 Mordversuc­hen und Anschlagsv­orbereitun­gen – noch vergleichs­weise glimpflich davongekom­men ist, dürfte auch daran liegen, dass er psychisch krank ist. Das Oberlandes­gericht München verhängte in seinem Urteil die Unterbring­ung in der geschlosse­nen Psychiatri­e, in die er schon während des Prozesses eingewiese­n worden war.

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