Mittelschwaebische Nachrichten

Reporterin beschmiert sich mit Schlamm

Das Jahrhunder­t-Hochwasser und seine Folgen Wie Susanna Ohlen erklärt, warum sie so aus dem zerstörten Bad Münstereif­el berichtete

- VON DANIEL WIRSCHING

Bad Münstereif­el

Eine Reporterin, die aus einem Flutgebiet berichtet, sich mit Schlamm beschmiert – und dann auf Sendung geht? RTL-Journalist­in Susanna Ohlen hat das nun zugegeben und zugleich um Entschuldi­gung gebeten.

Auf Instagram schrieb sie, sie habe am Montag einen „schwerwieg­enden Fehler“gemacht. Nachdem sie an den vorherigen Tagen bereits privat geholfen habe, „habe ich mich vor den anderen Hilfskräft­en an diesem Morgen geschämt, in sauberem Oberteil vor der Kamera zu stehen“. Daraufhin habe sie sich, ohne zu überlegen, Schlamm auf die Kleidung geschmiert.

Einer breiten Öffentlich­keit bekannt wurde die Szene am Donnerstag durch ein im Internet kursierend­es, von einem anonymen Nutzer eingestell­tes Video. Es ging viral – wurde also hunderttau­sendfach angesehen, geteilt und diskutiert.

In dem 40-sekündigen Clip aus dem von den Wassermass­en schwer zerstörten Bad Münstereif­el ist Ohlen mit zwei Kollegen ihres Kamerateam­s in der Altstadt neben einem Geschäft für „Antik & Dekor“zu sehen. Er wurde mutmaßlich aus einem oberen Stockwerk eines gegenüberl­iegenden Hauses aufgenomme­n. Ohlen steht mit dem Rücken zum Filmenden. Einer ihrer Kollegen fährt sich durch die Haare, der andere schaut auf sein Handy. Dass sich Ohlen bückt und nach dem Schlamm vor sich auf dem Boden greift, bekommen die beiden nicht mit. Im Videoclip ist an dieser Stelle eine Art Schnaufen oder leises, ungläubige­s Lachen zu hören. Als einer aus dem RTL-Team nach oben blickt, scheint eine geöffnete Fensterhäl­fte zugemacht zu werden – wohl aus Sorge vor Entdeckung.

RTL wusste früh von der Schlamm-Aktion und distanzier­te sich, damit konfrontie­rt, am Donnerstag öffentlich von Ohlen. „Das Vorgehen unserer Reporterin widerspric­ht eindeutig journalist­ischen Grundsätze­n und unseren eigenen Standards. Wir haben sie daher direkt am Montag, nachdem wir davon erfahren haben, beurlaubt“, erklärte der Kölner Privatsend­er.

In der Nacht auf Freitag schrieb Ohlen: „Mir als Journalist­in hätte das niemals passieren dürfen. Als

Mensch, dem das Leid aller Betroffene­n zu Herzen geht, ist es mir passiert. Ich bitte um Verzeihung.“

Nachdem sich die 39-Jährige mit Schlamm beschmiert hatte, berichtete sie für das RTL-Magazin „Guten Morgen Deutschlan­d“live mit Handschuhe­n und einer Schaufel in der Hand; die Ärmel ihrer Bluse hochgekrem­pelt, ihr weißes Shirt dreckig. In den Trümmern seien teilweise Glasscherb­en, sagte sie. In der „Bauchbinde“, einer Einblendun­g am unteren Bildrand, wurde sie als „Freiwillig­e Helferin“bezeichnet. Die Moderatori­n im Studio bedankte sich anschließe­nd „für diese emotionale­n Eindrücke“. Ohlen ist nach eigenen Angaben eng mit Bad Münstereif­el verbunden, Familienmi­tglieder leben dort.

Die Reaktionen auf ihre Entschuldi­gung fielen am Freitag vielfach negativ aus. In sozialen Medien wurde sie als unglaubwür­dig bezeichnet. Der Vorwurf blieb: Ohlen habe die ohnehin dramatisch­e Situation weiter dramatisie­ren und sich selbst in Szene setzen wollen. Zuvor hatten rechte und verschwöru­ngsgläubig­e Nutzerinne­n und Nutzer Ohlens Schlamm-Schalte zum Anlass genommen, Medien pauschal als „Lügenpress­e“zu diffamiere­n.

Auch die Bild berichtete über die RTL-Reporterin – was nicht nur in Branchenkr­eisen kritische Verweise auf deren eigene teils dramatisie­rende Berichters­tattung („Todesflut“) zur Folge hatte. So waren eine Reporterin und ein Reporter am Samstag aus Ahrweiler auf „Bild Live“zu sehen: „bis zum Bauchnabel“im Matschwass­er stehend, zwischen entwurzelt­en Bäumen und zerbeulten Autos. Die Reporterin hielt dabei ein Schminktäs­chchen hoch, das sie „gerade“aus dem Wasser gezogen hätte.

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Foto: Henning Kaiser, dpa Moderatori­n und Reporterin Susanna Ohlen.

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