Mittelschwaebische Nachrichten

Das Feuer brennt im leeren Stadion

Inmitten einer Pandemie werden die Sommerspie­le in Tokio mit einer vierstündi­gen Show eröffnet. Frankreich­s Präsident Macron ist vor Ort. Die deutsche Mannschaft meldet den ersten Corona-Fall

- VON ANDREAS KORNES

Tokio

Dieser Tag solle, so hatte IOC-Präsident Thomas Bach im Vorfeld immer wieder gesagt, ein Zeichen der Hoffnung für die coronagebe­utelte Welt sein. Damit meinte er ganz unbescheid­en die Eröffnung der Olympische­n Sommerspie­le in Tokio. Dass diese inmitten einer Pandemie erst um einen Sommer verschoben und nun gegen Widerständ­e aller Art, nicht zuletzt aus weiten Teilen der japanische­n Bevölkerun­g, stattfinde­n, dürfte sich Bach von den Getreuen im IOC als größte Leistung seiner Amtszeit anrechnen lassen. In der Tat hatte noch vor einem Jahr nicht viel darauf hingedeute­t, dass seit diesem Freitag das olympische Feuer in Tokio brennen würde. Bezeichnen­d war allerdings, unter welchen Umständen die Eröffnungs­feier über die Bühne ging. Zuschauer waren ausgeschlo­ssen. Im weiten Rund des Olympiasta­dions, das knapp 70000 Menschen Platz bietet, saßen nur ein paar hundert Journalist­en, handverles­ene Offizielle und Ehrengäste. Darunter der französisc­he Staatschef Emmanuel Macron. Er war um einen Besuch nicht herumgekom­men, denn in drei Jahren wird Paris nächster Gastgeber der Olympische­n Spiele sein. Also hatte er sich ins ferne Tokio begeben, um dort einer Feierlichk­eit beizuwohne­n, die bisher immer der Startschus­s für zwei Wochen weltweiter Sportbegei­sterung war. Traditione­ll bündeln Gastgeber in diese Zeremonie all das, was ihre Nation ausmacht. Historie genauso wie Moderne. Sinnbild dafür ist in Japan der Kaiser. In der Nachkriegs­verfassung steht er als das Symbol des Staates und der Einheit des Volkes. Politisch spielt Kaiser Naruhito keine Rolle und ist wahrschein­lich genau deshalb äußerst beliebt im Volk. Gleichzeit­ig ist die japanische Monarchie die älteste ununterbro­chene Erbmonarch­ie der Welt. Mehr Tradition geht kaum. Passend also, dass Naruhito am Freitagabe­nd die Olympische­n Spiele von Tokio offiziell eröffnete.

Zuvor hatten die Organisato­ren in der mehr als vierstündi­gen Eröffnungs­feier alle Register gezogen, um Japan im besten Licht zu präsentier­en. Beleuchtet­e Drohnen bildeten eine riesige Erdkugel über dem leeren Stadion, vor dessen Toren einige hundert Japaner ausharrten teilweise lautstark gegen die Spiele protestier­ten.

Ebenfalls draußen bleiben musste kurzfristi­g der Kreativdir­ektor Kentaro Kobayashi wegen umstritten­er Äußerungen zum Holocaust. Er hatte die Show konzipiert, die im besten Marketings­prech unter dem Motto „United by Emotions“stand. Wie fast immer wurde viel getanzt. Eröffnungs­feiern kommen gerne als eine Art gigantisch­es Musical daher.

Fantastisc­he Kostüme, hunderte Tänzer. Eine wilde Mischung aus Symbolik, Pomp, Folklore und Poesie. Nur auf Rollschuhe­n fuhr in Tokio keiner über das Parkett. Dafür war ganz am Anfang Raum für einen Moment der Stille im Gedenken an die Opfer des Coronaviru­s. Dieser Moment fiel auch deshalb so auf, weil es sich die Organisato­ren offenbar zum Ziel gesetzt hatten, den restlichen Abend komplett Tokio mit der musikalisc­hen Untermalun­g des Getanzten zu beschallen. Auf dem Dach des Stadions fackelten sie zudem gleich mehrere Feuerwerke ab. Etwas kümmerlich geriet da nur der Einzug der Sportlerin­nen und Sportler. Erstmals angeführt von zwei Fahnenträg­ern, einer Frau und einem Mann, waren die Mannschaft­en aus Angst vor dem Coronaviru­s ungewohnt klein. Zu den größeren zählte die deutsche, die hinter Beachvolle­yballerin Laura Ludwig und Wasserspri­nger Patrick Hausding einlief. Der Großteil verließ das Stadion bald wieder und fuhr mit den bereitsteh­enden Bussen zurück ins olympische Dorf.

Immerhin: Die verblieben­en Olympionik­en aus der ganzen Welt hatten ihren Spaß. Das mit der Maskenpfli­cht und dem Abstand nahmen viele dabei nicht allzu genau, was sicherlich auch Thomas Bach von der Ehrentribü­ne aus mit Missfallen registrier­t haben dürfte. Zumindest er und der Kaiser von Japan behielten das Stückchen Stoff am dafür vorgesehen­en Ort.

In seiner Rede sprach der IOCPräside­nt erneut von der Hoffnung, die aus Tokio in die Welt strahle. Er lobte die Arbeit der Gastgeber, die eine schwierige Reise hinter sich hätten. Auf Japanisch dankte er dem japanische­n Volk dafür, dass es die Olympische­n Spiele möglich geund macht habe. Die Welt werde durch den Sport und seine Werte eine bessere. Danach sprach der Kaiser um 23.13 Uhr die traditione­llen Worte zur Eröffnung der Spiele.

Und es wurde auch die letzte offene Frage des Abends beantworte­t. Wie immer war bis zuletzt unklar, wer das olympische Feuer entzünden wird. Oft wird diese Ehre den größten Sportlegen­den eines Landes zuteil. Diesmal durfte die japanische Tennisspie­lerin Naomi Osaka zur Tat schreiten.

Bis 8. August brennt die Flamme nun in Tokio. Es werden ganz besondere Spiele, auch weil es die ersten ohne zwei ihrer größten Stars sind. Rekord-Olympiasie­ger Michael Phelps und Supersprin­ter Usain Bolt hatten 2016 in Rio ihren letzten olympische­n Auftritt. Eine neue Ära hat begonnen. Unter dem Diktat eines Virus.

Von Hoffnung ist in Tokio bisher noch wenig zu spüren. Denn mitten in die Zeremonie platzte die Nachricht, dass es im deutschen Olympia-Team einen positiven Coronatest gegeben hat. Der Radfahrer Simon Geschke muss in Quarantäne und verpasst das Straßenren­nen am Samstag (siehe Text unten).

Wilde Mischung aus Symbolik, Pomp und Poesie

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Foto: Michael Kappeler, dpa Viel Show vor nur wenigen Zuschauern im Olympiasta­dion von Tokio. Das olympische Feuer wurde von der japanische­n Tennisspie­lerin Naomi Osaka am Freitagabe­nd ent‰ zündet.
 ??  ?? Laura Ludwig und Patrick Hausding mit der deutschen Fahne.
Laura Ludwig und Patrick Hausding mit der deutschen Fahne.

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