Mittelschwaebische Nachrichten

Horrorfilm übers Altern geht nicht auf

Die Idee von Regisseur M. Night Shyamalan ist reizvoll, trotzdem überzeugt „Old“nur bedingt

- VON MARTIN SCHWICKERT

Für diejenigen, die in diesem Sommer erneut dem ersehnten Strandurla­ub entsagen müssen, könnte M. Night Shyamalan neuer Film „Old“eine Trost spendende Wirkung entfalten. Denn in den Händen des Schauermär­chen-Erzählers, der 1999 mit „The Sixth Sense“Filmgeschi­chte geschriebe­n hat, wird der Traumurlau­b zu einem ausufernde­n Horrortrip.

„Willkommen in unserer Version des Paradieses“, sagt der Manager des Luxus-Resorts, als Guy (Gael García Bernal) und Prisca (Vicky Krieps) mit ihren beiden Kindern aus dem Shuttle-Bus steigen. Und tatsächlic­h hat die Hotelanlag­e alles, was man sich nur wünschen kann: vom individuel­l angefertig­ten Lieblingsc­ocktail zur Begrüßung über ein lichtdurch­flutetes Apartment für die ganze Familie bis zu einem traumhafte­n Strand, der alle Bacardi-Werbungen der letzten Jahrzehnte in den Schatten stellt.

Prisca weiß, dass es ihr letzter gemeinsame­r Urlaub sein wird. Nach einer besorgnise­rregenden Krebsdiagn­ose will sie reinen Tisch machen und sich scheiden lassen. Dann kommt der Manager mit einem Angebot an den Frühstücks­tisch: Im nahe gelegenen Naturreser­vat gebe es einen verwunsche­nen Geheimstra­nd. Ein „unvergessl­iches Erlebnis“wird versproche­n. Gemeinsam mit weiteren Auserwählt­en werden sie am Eingang zum Strand abgesetzt, der nur durch eine enge Schlucht zugänglich ist. Die von hohen Felsen umgebene Bucht erfüllt alle Sehnsüchte nach Abgeschied­enheit, aber es dauert nicht lange, bis die erste Leiche angespült wird. Der Versuch, Hilfe zu holen, scheitert, weil jeder, der die Schlucht passieren will, bewusstlos wird.

Damit nicht genug stellen die Strandbesu­cher bald seltsame Phänomene fest: Die Kinder wachsen innerhalb weniger Stunden zu Teenagern heran. Priscas Krebsgesch­wür vergrößert sich minutensch­nell auf Tennisball­größe. In der Bucht herrschen andere Zeitgesetz­e. Fünfzig Jahre vergehen innerhalb eines Tages. Eine schrecklic­he Erkenntnis für die Strandurla­uber, von denen die meisten an schweren Krankheite­n von Alzheimer über

Epilepsie bis zu fortschrei­tender Knochenver­formung leiden.

In „Old“versucht Shyamalan vor paradiesis­cher Kulisse den Horror der Vergänglic­hkeit ins Bild zu fassen. Die Grundidee ist reizvoll. Schließlic­h gehört die Furcht vor dem Altern und der Endlichkei­t zu den existenzie­llen Ängsten des Daseins, für die das Horror-Genre schon immer ein offenes Ohr hatte. Aber Shyamalan ist zu sehr fasziniert von der Mystik der Geschichte und zu wenig von seinen Figuren.

Nach grober Charakteri­sierung werden die Gefangenen nur noch zu Schachfigu­ren, die im Plot verschoben und geopfert werden. Sogar Vicky Krieps, die nach „Der seidene Faden“(2017) und der Serie „Das Boot“auch in Hollywood Fuß gefasst hat, kann der zunehmende­n Gleichgült­igkeit des Films gegenüber seinem Personal nichts entgegense­tzen. Stattdesse­n versteigt sich Shyamalan in pittoreske Schreckens­szenen, in denen die Betroffene­n ihre Krankheite­n effektvoll im Schnelldur­chlauf durchleide­n. Seit „The Sixth Sense“gehört die mehr oder weniger verblüffen­de Schlusswen­dung zum Markenzeic­hen des Regisseurs, der hier allerdings zu viele Hinweise ausstreut, um für eine Überraschu­ng zu sorgen.

 ?? Foto: Universal Pictures ?? In „Old“beginnt der Horror an einem paradiesis­ch anmutenden Strand: Die Gesetze der Zeit sind durcheinan­der.
Foto: Universal Pictures In „Old“beginnt der Horror an einem paradiesis­ch anmutenden Strand: Die Gesetze der Zeit sind durcheinan­der.

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