Mittelschwaebische Nachrichten
Nach der Explosion tauchte der Saurier auf
Warum der Fund der versteinerten Knochen in einem fränkischen Steinbruch so besonders ist
Rauhenebrach „Dort drüben habe ich ihn entdeckt.“Franco Stoinski zeigt mit dem Finger auf den steinigen Boden, an dem inzwischen nur noch die Kettenspuren des Baggers von der Bergung des urzeitlichen Relikts zeugen. „Ich dachte anfangs, es sei eine versteinerte Muschel“, fährt Stoinski fort. Doch es war keine Muschel. Er hatte bei seiner Arbeit in einem Steinbruch im Steigerwald den rund 75 Zentimeter langen Unterkiefer eines Mastodonsaurus entdeckt. Einer urtümlichen Mischung aus Krokodil und Riesenlurch, bis zu fünf Meter lang.
Gelungen war ihm dieser Sensationsfund vor rund drei Wochen bei Rauhenebrach im Landkreis Haßberge. Seit 1988 baut das Bamberger Natursteinwerk Hermann Graser dort im Steinbruch Kammergrund, dessen Eigentümer die Bayerischen Staatsforsten sind, sogenannten Steigerwald-Quarzit ab. „Wir hatten gerade gesprengt“, sagt Franco
Stoinski, seit zehn Jahren Vorarbeiter im Unternehmen. „Bei der anschließenden Kontrolle ist mir dann diese Anomalie aufgefallen – so etwas hatte ich noch nicht gesehen.“
Stoinski informiert den unternehmenseigenen Geologen, der die Bedeutung des Fossils schnell erkennt. Nach weiteren Begutachtungen durch Wissenschaftler der Universität Würzburg, unter ihnen Paläontologie-Professor
Gerd Geyer, meldet das Bamberger Unternehmen den Fund schließlich dem Bayerischen Landesamt für Umwelt (LfU).
Dort ist man sichtlich erfreut über die außergewöhnliche Entdeckung aus dem Steigerwald. Georg Loth, Geologe und Koordinator des geologischen Archivs des LfU, entscheidet, welche Fossilien es in die
Gesteinssammlung des Landes schaffen. „Für uns alle war das nach der ersten Betrachtung keine Frage“, sagt er lachend. „Der Fund hat Seltenheitswert, in unserem Archiv gibt es noch keinen komplett erhaltenen Unterkiefer eines Mastodonsaurus.“
In der Regel seien Fundstücke aus dieser Zeit kleiner, bruchstückartiger, so der Geologe weiter. Je größer das Fossil und je besser erhalten, desto seltener sei es. Mit einer Länge von mehr als einem halben Meter sei dieser Knochen ein bemerkenswertes Relikt aus einer anderen Zeit. Loth geht sogar noch weiter: „Was diese Gesteinsschicht angeht, so kann man bei dieser Entdeckung durchaus von von einem Jahrhundertfund sprechen.“
Dort, wo der Saurierkiefer gefunden wurde, habe es „vor 230 Millionen Jahren ganz anders ausgesehen“, erklärt LfU-Leiter Roland Eichhorn. Was heute Stein ist, sei damals Wasser gewesen. So habe der Steigerwald vor Jahrmillionen eher einer flachen, sumpfigen Flusslandschaft geglichen, mit meterhohem Schachtelhalm und dichten Farnwäldern. Der perfekte Lebensraum für den Mastodonsaurus. „Dieses Tier war kein harmloser Salamander oder Molch, das war ein Top-Jäger seiner Zeit“, sagt Eichhorn und zeigt auf die spitzen versteinerten Zähne. Wie ein Krokodil habe er damals im Wasser geduldig auf seine Beute gelauert – um dann blitzschnell mit seinem mächtigen Kiefer zuzuschlagen.
Dass der Steigerwald in Urzeiten ein Paradies für den Mastodonsaurus gewesen sein muss, davon zeugen frühere Funde. Bereits in den 1930er Jahren hatten Wissenschaftler im nahegelegenen Ebrach in Oberfranken den Oberkiefer eines solchen Tieres entdeckt und bestimmt. „Der aktuelle Fund ist allerdings doppelt so groß wie der vor hundert Jahren“, sagt LfU-Chef Eichhorn und schiebt scherzend hinterher: „Das hier könnte also die Mutter sein.“