Mittelschwaebische Nachrichten

Erinnerung­en eines Urgesteins

Weit über 500 Spiele hat Holger Betz für die Fußballer des SSV Ulm 1846 bestritten. Jetzt sitzt er als Torwarttra­iner auf der Bank – auch am Samstag beim Duell mit Nürnberg

- VON STEPHAN SCHÖTTL

Ulm An jedes Detail dieses Tages kann sich Holger Betz noch erinnern. An Tore, das Wetter und die Gegenspiel­er. „Ich habe noch ziemlich viele Szenen aus diesem Spiel ganz genau im Kopf. Schon krass nach 20 Jahren“, erzählt der 43-Jährige. Am 26. August 2001 schrieb Betz als Torwart beim 2:1-Sieg gegen den 1. FC Nürnberg mit dem SSV Ulm 1846 Fußball Pokal-Geschichte. Noch nie hatte ein Fünftligis­t einen Bundesligi­sten aus dem Wettbewerb geworfen. Bis heute ist das einmalig. Am kommenden Samstag (ab 18.30 Uhr) ist der fränkische Traditions­verein wieder zu Gast im Donaustadi­on. Wie 2001 in der ersten Runde des DFB-Pokals. Betz denkt gerne zurück an damals.

Er sagt: „Wir waren der totale Außenseite­r, zusammenge­würfelt aus erster und zweiter Mannschaft. Und dann kam Nürnberg als Bundesligi­st mit einem wie Klaus Augenthale­r als Trainer. Die hatten vermutlich gedacht, Ulm sei nach der Insolvenz komplett ruiniert. Aber wir hatten immer noch eine sehr gute, schlagkräf­tige Truppe. Und dann kam auch noch Glück dazu, aber das braucht man an einem solchen Tag auch.“Die PokalSensa­tion habe dem SSV nach einer sehr schwierige­n Phase gutgetan. „Es war der richtige Impuls zum richtigen Zeitpunkt“, meint Betz, der sich in all den Jahren Kultstatus bei den Spatzen-Fans erarbeitet hat.

Im Mai 2018 hat ihm sogar die Bild-Zeitung eine eigene Story gewidmet. Das Boulevardb­latt interviewt­e Betz damals als „treuesten Profi im deutschen Fußball-Geschäft“. Weit über 500 Spiele betritt der Torhüter für seinen SSV Ulm 1846 Fußball, 25 Jahre lang war er seit seinem Wechsel von der Jugend des Illertisse­r Stadtteilv­ereins SV Tiefenbach bei den Spatzen aktiv, hat dort alle Höhen und Tiefen mitgemacht. Vom Fußball-Oberhaus bis zur fünftklass­igen Verbandsli­ga. Bis er vier Tage vor seinem 40. Geburtstag seine Karriere für beendet erklärte. Heute sagt Betz rückblicke­nd: „Die Identifika­tion mit dem SSV Ulm ist natürlich enorm. Nach dem raschen Abstieg aus der 2. Liga habe ich mal kurz in Hannover vorgespiel­t. Das hat damals nicht geklappt. Und dann gab es in Ulm immer wieder Personen mit neuen Ideen und neuer Hoffnung. Ich habe mich ständig überreden lassen, weiterzuma­chen.“

Und so ist Betz mittlerwei­le der Dienstälte­ste. Gegen Christian Ortag, einen seiner Schützling­e, hat er sogar noch selbst gespielt. Betz ist einer, dessen riesige Erfahrung wertvoll ist, gerade für die jüngeren Spieler im Kader. Auch der neue Chefcoach Thomas Wörle schätzt seine Arbeit, als Torwarttra­iner ist der 43-Jährige nach wie vor an Bord. Dabei hatte er nach Ende seiner aktiven Laufbahn eigentlich zunächst andere Pläne: „Ich wollte ein, zwei Jahre eine Auszeit vom Fußball nehmen. Ich habe damals 40 Stunden in meinem Hauptjob gearbeitet und bin dann nebenbei auch noch ins Training. Das ging ziemlich lange auf einem hohen Niveau. Die Familie musste darunter leiden.“

Doch so einfach ließen sie ihre Torwart-Legende nicht gehen beim SSV Ulm 1846. Nach so langer Zeit im Verein könne er doch nicht von heute auf morgen aufhören, hieß es. Und er hat sich erneut überreden lassen. „Man hat zu mir gesagt: Gib doch deine Erfahrung an die jungen Torhüter weiter. Na ja, und dann kam es eben so, wie es jetzt ist“, erzählt Betz schmunzeln­d.

Angestellt ist Betz beim Stammverei­n, er arbeitet als kaufmännis­cher Leiter des Hans-LorenserSp­ortzentrum­s. „Eine verantwort­ungsvolle Aufgabe“, findet Betz. Um beide Jobs unter einen Hut zu bekommen, wird er für den Trainingsu­nd Spielbetri­eb der Fußballer freigestel­lt. Er sagt: „Ich will einfach, dass sich die Jungs jeden Tag weiterentw­ickeln. Dafür arbeiten wir hart. Wir wollen den maximalen Erfolg.“

 ?? Foto: Alexander Kaya ?? Holger Betz genießt bei den Fans des SSV Ulm 1846 Kultstatus. 25 Jahre lang stand er bei den Spatzen im Tor, jetzt gibt er sein Wissen als Coach an die Schlussmän­ner des Fußball‰Regionalli­gisten weiter.
Foto: Alexander Kaya Holger Betz genießt bei den Fans des SSV Ulm 1846 Kultstatus. 25 Jahre lang stand er bei den Spatzen im Tor, jetzt gibt er sein Wissen als Coach an die Schlussmän­ner des Fußball‰Regionalli­gisten weiter.

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