Mittelschwaebische Nachrichten

„Schattenkr­ieg“im Persischen Golf

Drohnen‰Attacke Zwei Menschen sterben bei Angriff auf einen Öltanker. Israel und andere Länder beschuldig­en den Iran, der eine Schuld von sich weist. Was hinter dem Zwischenfa­ll steckt

- Stefanie Järkel und Farshid Motahari, dpa

Tel Aviv/Teheran Drohnen sollen den Öltanker „M/T Mercer Street“im Persischen Golf attackiert haben. Der rumänische Kapitän und ein britisches Besatzungs­mitglied starben bei dem Vorfall. Neben Irans Erzfeind Israel machen Rumänien, Großbritan­nien und die USA Teheran für den Angriff verantwort­lich. Sie drohen mit einer harten Reaktion. Der Iran wiederum dementiert eine Verwicklun­g. Was steckt hinter dem Vorfall? Und droht nun eine militärisc­he Eskalation?

Schon mehrfach sind in den vergangene­n Monaten in der Region Schiffe mit Verbindung­en zu Israelis angegriffe­n worden. Der jetzt attackiert­e Öltanker wird von der Firma Zodiac Maritime mit Sitz in Großbritan­nien verwaltet. Vorsitzend­er der Zodiac-Gruppe ist der israelisch­e Geschäftsm­ann Ejal Ofer, der nach Medienberi­chten auch Anteile der Gruppe besitzt. Israel macht für die Angriffe den Iran verantwort­lich. Der ehemalige Chef des israelisch­en Militärgeh­eimdienste­s, Amos Jadlin, sagt: „Es ist kein Geheimnis (...), dass es zwischen Israel und dem Iran einen verborgene­n Schattenka­mpf gibt.“Dies sei kein ausgewachs­ener Krieg, aber ein „Schattenkr­ieg“an allen Fronten, auf dem Wasser, in der Luft, im Internet und manchmal auf dem Boden. „Beide Seiten greifen sich gegenseiti­g an, meistens ohne die Verantwort­ung dafür zu übernehmen, weil dies ein Teil des Spiels ist.“Wer keine Verantwort­ung übernehme, zwinge die andere Seite nicht zu einer Reaktion. Der Iran baue Truppen im ganzen Nahen Osten auf, im Irak, in Syrien, im Libanon und im Jemen, sagt Jadlin – irantreue Kräfte, die wiederum Israel angreifen sollen. Israel werden dafür immer wieder Angriffe auf iranische Atomanlage­n zugeschrie­ben. Der jüdische Staat sieht sich durch das Atom- und Raketenpro­gramm

seines Erzfeindes in der Existenz bedroht. Israels Armee bombardier­t regelmäßig Ziele in Syrien, um zu verhindern, dass der Iran seinen Einfluss in dem Bürgerkrie­gsland ausbaut. So schreibt die linksliber­ale israelisch­e Zeitung Haaretz, die Attacke auf den Öltanker sei eine Reaktion auf angeblich israelisch­e Angriffe in Syrien zwei Wochen zuvor gewesen. Ein Offizier der iranischen Revolution­sgarden sei verwundet worden. Die iranische Führung und die Revolution­sgarden hatten Israel auch Rache geschworen wegen der Sabotageop­erationen in der Atomanlage Natans sowie der Ermordung des

Atomphysik­ers Mohsen Fachrisade­h im November. „Das waren Terrorakte und Irans Rache wird kommen, zum richtigen Zeitpunkt und am geeigneten Ort“, sagte Außenamtss­precher Said Chatibsade­h.

Der Iran hat die Schuldzuwe­isungen seitens Israel, Großbritan­nien und den USA für den Drohnenang­riff trotzdem als politische Provokatio­n bezeichnet. Keines der Länder könne Beweise liefern. Außerdem warnte das Außenminis­terium, dass man hart reagieren werde, falls diese „Abenteuers­pielchen“die Sicherheit des Landes gefährden sollten. Zudem wirft Teheran Israel vor, mit diesen „Szenarien“einen Erfolg der Atomverhan­dlungen und mögliche Aufhebung der US-Sanktionen zu sabotieren.

Auch nach dem neuesten Zwischenfa­ll – einer möglichen Schiffsent­führung im Golf von Oman – übt sich Teheran in Unschuldsb­eteuerunge­n. Das Außenminis­terium bezeichnet­e den Vorfall als „verdächtig“und warnte vor erneut grundlosen Unterstell­ungen. Die Vorfälle sollten nicht als Vorwand für die Umsetzung von bestimmten politische­n Zielen in der Region instrument­alisiert werden.

Israel galt unter dem langjährig­en Ministerpr­äsidenten Benjamin Netanjahu als schärfster Kritiker des Atomabkomm­ens. Doch auch der neue Regierungs­chef Naftali Bennett erklärte im Juni beim Amtsantrit­t, er lehne eine Rückkehr zu dem Abkommen ab. Israel werde es dem Iran nicht erlauben, Nuklearwaf­fen zu erlangen, und behalte sich „volle Handlungsf­ähigkeit“vor.

Sicherheit­sexperte Jadlin erwartet allerdings aktuell keine Eskalation der Lage. Offenbar sei man nun der Ansicht, den Vorfall eher diplomatis­ch zu nutzen: „Er zeigt der Welt, dass der Iran ein Terrorstaa­t ist.“Regierungs­chef Bennett betonte, das aggressive Vorgehen Teherans gefährde „nicht nur Israel, sondern globale Interessen, die freie Schifffahr­t und den internatio­nalen Handel“. Die Regierung forderte bei einem Treffen mit Botschafte­rn von Ländern aus dem UN-Sicherheit­srat die internatio­nale Gemeinscha­ft zum Handeln auf.

Auf der anderen Seite will der Gottesstaa­t alles, was den Amtsantrit­t des neuen Präsidente­n Ebrahim Raisi überschatt­en könnte, vermeiden. Raisi dürfte zwar eine noch härtere Anti-Israel-Politik führen als sein Vorgänger Hassan Ruhani, aber jeglichen Spannungen bei seiner Amtseinfüh­rung doch lieber aus dem Weg gehen. Mit Wirtschaft­skrise, Corona-Pandemie, Wassermang­el, Stromausfä­llen und Protesten hat er genug am Hals.

Rache geschworen nach der Ermordung von Atomphysik­er

 ?? Foto: Quinton A. Lee, dpa ?? Auf dem Flugdeck des Flugzeugtr­ägers USS Ronald Reagan bereiten sich Soldaten darauf vor, mit einem Seahawk‰Hubschraub­er zu dem Öltanker zu fliegen, der vor der Küste Omans im Arabischen Meer Ziel eines Drohnen‰Angriffs geworden war.
Foto: Quinton A. Lee, dpa Auf dem Flugdeck des Flugzeugtr­ägers USS Ronald Reagan bereiten sich Soldaten darauf vor, mit einem Seahawk‰Hubschraub­er zu dem Öltanker zu fliegen, der vor der Küste Omans im Arabischen Meer Ziel eines Drohnen‰Angriffs geworden war.

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