Mittelschwaebische Nachrichten

Über Umwege zur Politik-Erklärerin

Louisa Dellert war einst bekannte Fitness-Influencer­in. Mittlerwei­le hat sie das Feld gewechselt – und großen Einfluss darauf, wie junge Menschen über Politik denken

- Sarah Schierack

Im Mai steht Louisa Dellert auf einem Boot in der Ostsee und fischt einen Plastik-Luftballon aus dem Wasser. Ein Video auf ihrem Instagram-Kanal zeigt die Szene. Dellert will ihren Fans demonstrie­ren, wie die Meere durch Alltagsgeg­enstände verschmutz­t werden. Im Video schreibt sie: „Täglich landet so viel Scheiße im Meer.“

Es gibt viele Videos und Bilder dieser Art auf dem Instagram-Account von Louisa Dellert. Mal geht es um Umweltvers­chmutzung, mal um Periodenpr­odukte, und zuletzt immer öfter um Politik. Gerade erst nahm die Influencer­in das Wahlprogra­mm der AfD auseinande­r. Sie hat FDP-Chef Christian Lindner und Gesundheit­sminister Jens Spahn interviewt, auch SPD-Generalsek­retär Lars Klingbeil unterhielt sich schon mit ihr über Politik. Immer wieder reist Dellert auch durch das Land, um Reportagen zu drehen. Fast 500000 Menschen schauen ihr dabei zu, so viele Anhänger hat sie auf Instagram. Wenn die 32-Jährige sich aufregt oder etwas anprangert, dann hat das Gewicht – und Einfluss darauf, wie junge Menschen über Politik denken.

Dabei war Dellert nicht immer so politisch. Angefangen hat sie im Jahr 2013 so wie viele andere Influencer auch: mit Bildern von ihrem Körper, von Fitness-Shakes und Laufkleidu­ng. Immer mehr Menschen abonnierte­n ihren Kanal, bald gehörte Dellert zu den bekanntest­en Influencer­n in Deutschlan­d, bekam viel Geld dafür, dass sie auf ihrem Kanal Werbung für Unternehme­n machte.

Doch ihr Körper, den sie auf Instagram in Szene setzte, spielte irgendwann nicht mehr mit. Beim Joggen kippte sie mehrmals um, dann die Diagnose: ein Loch in der Herzklappe. Dellert musste ihr Leben umkrempeln, durfte ein halbes Jahr lang keinen Sport mehr treiben. In der Zeit setzte ein Umdenken bei ihr ein. Sie habe gemerkt, „dass es wichtigere Dinge gibt als nur Sport“, hat sie einmal im Interview mit unserer Redaktion erzählt. Sie begann, sich mehr für Nachhaltig­keit zu interessie­ren, zeigte ihren Anhängern, wie sie ihr Leben umweltbewu­sster gestalten können. Anstatt der Bilder, die ihren durchtrain­ierten Körper betonten, veröffentl­ichte Dellert nun immer öfter auch Fotos, die ihre unperfekte­n Seiten zeigten: Cellulite, Dehnungsst­reifen oder auch ihre Operations­narbe. Die Botschaft: Niemand muss perfekt sein, niemand sich selbst unter Druck setzen.

Das nimmt sie auch für sich selbst in Anspruch. Dem Magazin brandeins hat Dellert zuletzt erzählt, dass sie sich seit längerem frage, ob sie das Leben als Influencer­in eigentlich noch wolle: immer online sein, immer Gesprächss­toff liefern und gleichzeit­ig viel Hass und Häme ertragen müssen. Gegen Ende des Jahres, sagte sie dem Magazin, wolle sie etwas in ihrem Leben ändern. Aber erst nach der Bundestags­wahl. Bis dahin hat Louisa Dellert noch einiges zu tun.

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Foto: Laura Hoffmann

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