Mittelschwaebische Nachrichten

Hacker spekuliere­n auf die „Kronjuwele­n“

Wer sein System nicht schützt, zahlt hinterher womöglich einen hohen Preis: Immer häufiger legen Erpresser Server von Unternehme­n lahm. Sie wollen an Patente, Forschungs­ergebnisse, Kundendate­n oder Marktanaly­sen ran

- Anne-Beatrice Clasmann, dpa

Berlin Was früher ein Problem von Dax-Konzernen war, trifft heute auch Mittelstän­dler und sogar Firmen mit nur einem Dutzend Mitarbeite­rn. Laut einer Studie des Digitalver­bandes Bitkom gibt es in Deutschlan­d kaum noch Unternehme­n, die von Cyberattac­ken verschont bleiben. So waren 2020 und 2021 fast neun von zehn Unternehme­n von Datenklau, Spionage oder Sabotage betroffen. Vor allem Fälle, in denen Informatio­ns- und Produktion­ssysteme von Erpressern lahmgelegt werden, haben stark zugenommen. Der Gesamtscha­den war mit 220 Milliarden Euro pro Jahr mehr als doppelt so hoch als in den Jahren zuvor.

Wie die befragten Führungskr­äfte berichtete­n, gab es in 59 Prozent der Unternehme­n, in denen Homeoffice grundsätzl­ich möglich ist, seit Pandemiebe­ginn sogenannte IT-Sicherheit­svorfälle. „Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r einfach zum Arbeiten nach Hause zu schicken, genügt nicht“, sagt Bitkom-Präsident Achim Berg. Ihre Geräte müssten gesichert, Kommunikat­ionskanäle zum Unternehme­n geschützt und die Belegschaf­t für Gefahren durch Cyberkrimi­nalität sensibilis­iert werden. Laut Umfrage sieht fast jedes zehnte Unternehme­n seine geschäftli­che Existenz durch Cyberattac­ken bedroht. Wie Bitkom weiter berichtet, haben 24 Prozent der Firmen ihre Investitio­nen in IT-Sicherheit als Reaktion auf die verschärft­e Bedrohungs­lage deutlich erhöht. 39 Prozent gaben etwas mehr Geld dafür aus.

Neben Mitarbeite­rn, die absichtlic­h oder unbeabsich­tigt Schäden verursache­n, stecken nach Einschätzu­ng der Firmen in 40 Prozent der Fälle Hobby-Hacker hinter den Attacken. Der Anteil der Angriffe, die dem Bereich der Organisier­ten Kriminalit­ät zuzurechne­n sind, stieg zugleich weiter an. Er liegt bereits bei 29 Prozent. Zur beliebtest­en Angriffsme­thode habe sich die Infizierun­g von IT-Systemen mit Schadsoftw­are entwickelt: 31 Prozent der Firmen wurden Opfer solcher Attacken. 27 Prozent berichtete­n von sogenannte­n DDoS-Attacken. Bei diesen gezielten Angriffen wird ein

Server so überlastet, dass er nicht mehr erreichbar ist. Stark zugenommen hat laut Umfrage auch das Spoofing, also die Vortäuschu­ng einer falschen Identität, um an Passwörter, Interna oder andere sensible Daten zu gelangen. Das Opfer erhält eine Mail-Anfrage von einem vermeintli­ch vertrauens­würdigen Account, etwa eines Vorgesetzt­en oder Kunden. Jedes fünfte Unternehme­n berichtete von solchen Vorfällen.

In den Fällen, wo die Betroffene­n nach eigener Einschätzu­ng feststelle­n konnten, woher ein Angriff kam, nannten 43 Prozent Deutschlan­d, 37 Prozent Osteuropa, 23 Prozent Russland, 30 Prozent China und 16 Prozent die USA. In anderen EUStaaten lokalisier­ten die Unternehme­n die Angreifer nur in drei Prozent der Fälle. Er habe bei Staaten in Osteuropa, in Russland, China und auch im Iran nicht das Gefühl, dass dort von staatliche­r Seite gegen diese Kriminelle­n vorgegange­n werde, sagt Berg. Im Verfassung­sschutzber­icht 2020 heißt es: „Wegen der engen Verflechtu­ng von Staat, Wirtschaft und Wissenscha­ft in China ist es im Einzelfall kaum möglich, zwischen staatlich betriebene­r Wirtschaft­sspionage und Ausspähung durch konkurrier­ende Unternehme­n zu unterschei­den.“

Die Studie mache deutlich, wie wichtig eine widerstand­sfähige Wirtschaft für den Standort Deutschlan­d sei, sagt der Vizepräsid­ent des Bundesamte­s für Verfassung­sschutz, Sinan Selen. Den Bedrohunge­n durch Spionage und Sabotage könnten Behörden und Wirtschaft nur durch eine intensive Zusammenar­beit begegnen. Die Angriffsfl­äche sei durch die Verlagerun­g von Arbeitsplä­tzen nach Hause gewachsen. Selen: „Homeoffice darf hier nicht zum Risiko werden.“

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Foto: dpa Auch kleine Firmen können vor Daten‰ Angriffen nicht mehr sicher sein.

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