Mittelschwaebische Nachrichten
GoldfingerProzess hat ein heftiges Nachspiel
Nach Abschluss des Verfahrens geht die Staatsanwaltschaft München Anzeigen gegen Augsburger Kollegen und Steuerfahnder nach. Und die früheren Angeklagten fordern horrende Entschädigungen vom Freistaat
Augsburg Es gibt Anwälte, die immer eine harmonische Lösung suchen. Und es gibt Strafverteidiger wie Richard Beyer. Der Münchner Jurist und Steuerexperte war der maßgebliche Faktor im spektakulären Augsburger Goldfinger-Prozess. Seine Attacken auf die Staatsanwaltschaft und seine Kenntnis der Strafprozessordnung haben die ursprünglich als Milliarden-Steuerhinterzieher angeklagten Rechtsanwälte vor einer Strafe bewahrt. Jetzt sagt Beyer: „Die Ermittlungsbehörden brauchen nicht glauben, dass die Sache schon vorbei ist.“Wer Beyer erlebt hat, weiß, dass das keine leere Drohung ist.
Der letzte Prozess ist im Mai zu Ende gegangen. Aber die Schärfe, die das gesamte Verfahren geprägt hat, bleibt. Denn der GoldfingerFall hat ein heftiges Nachspiel. Und zwar auf mehreren Ebenen. Anwalt Beyer legt nicht aus persönlicher Rachsucht nach, sondern weil er Mandanten vertritt, die sich von der bayerischen Justiz zutiefst ungerecht behandelt fühlen. Jahrelang wurde gegen die Anwälte und Steuerberater ermittelt, sie wurden unter dem Verdacht, ein großes Steuerhinterziehungsmodell
aufgezogen zu haben, für Monate in U-Haft gesteckt, ihre Existenzen wurden vernichtet. Und am Ende gab es eine Verfahrenseinstellung nach mehr als einem Jahr erbittert geführtem Prozess sowie einen glatten Freispruch. Die Verbitterung bei den ehemals schwer Beschuldigten sitzt tief.
Und daher geht es nun mit unverminderter Härte weiter. Die ehemaligen Angeklagten wollen vom Freistaat eine gewaltige Summe Geld zurück. Die 10. Strafkammer des Landgerichts Augsburg hat ihnen dem Grunde nach einen Anspruch auf Entschädigung zugesprochen. Das läuft jetzt über ein spezielles Verfahren nach dem Strafentschädigungsgesetz (StrEG). Dies sieht vor, dass die Betroffenen in einem ersten Schritt ihre Ansprüche formulieren. Das haben sie getan: Martin H. und Diethard G. fordern zusammen 30 Millionen vom Staat. Der Betrag setzt sich aus verschiedenen Posten zusammen: dem Umsatzausfall, unter anderem durch den Verlust von Mandaten, dem Verlust durch die Auflösung der erfolgreichen Kanzlei und einem Vermögensschaden in einer Firma der beiden Anwälte. Pikant ist, dass in der Rechnung auch Verluste aus dem eigentlichen Goldfinger-Geschäft enthalten sind.
Die Forderungen des freigesprochenen ehemaligen Kanzlei-Inhabers sind in dieser hohen Summe noch nicht enthalten. Es dürfte ein weiterer zweistelliger Millionenbetrag hinzukommen. Der Erfahrung nach tritt im Strafentschädigungsverfahren nun eine Art „Verhandlungsphase“ein. Am Ende entscheidet das Gericht, welche Summen den Betroffenen zustehen. Dass es etliche Millionen sein werden, dürfte sicher sein.
Das Nachspiel betrifft aber nicht nur den Staat als Ganzes, sondern auch einzelne Beteiligte. Die früheren Angeklagten haben Strafanzeigen gegen Staatsanwälte und Steuerfahnder gestellt, darunter auch die frühere leitende Ermittlerin des Goldfinger-Verfahrens. Die Vorwürfe lauten unter anderem uneidliche Falschaussage, Urkundenunterdrückung und Freiheitsberaubung im Amt. Die Generalstaatsanwaltschaft München hat die Bearbeitung dieser Anzeigen der Staatsanwaltschaft München I zugewiesen, wie diese auf Anfrage bestätigt. Die Verfahren würden von auf Amtsdelikte spezialisierten Staatsanwältinnen der Abteilung II geführt, teilt Pressesprecherin Anne Leiding mit. „Wir prüfen derzeit noch, ob Ermittlungen einzuleiten sind und wer diesbezüglich als Beschuldigter in Betracht kommt“, sagt Leiding. Die Verfahren bezögen sich auf den gesamten Goldfinger-Komplex und seien sehr umfangreich.
Gerade der ehemaligen leitenden Ermittlerin aus Augsburg machen die Verteidiger und die Ex-Angeklagten schwere Vorwürfe. So soll zum Beispiel einer der GoldfingerInvestoren in seiner Vernehmung ausdrücklich darauf hingewiesen haben, dass einer der einst beschuldigten Anwälte nichts mit den Goldfinger-Strukturen zu tun gehabt habe. Er wollte das auch so ins Protokoll schreiben lassen, doch das habe die Staatsanwältin mit der Bemerkung verweigert, was in der Zeugenvernehmung stehe, bestimme sie. Der Anwalt des Investors soll dies bezeugen können. Verteidiger Richard Beyer hält dies für Rechtsbeugung. Die Staatsanwältin soll nach Informationen unserer Redaktion den Hamburger Staranwalt Johann Schwenn mit der Vertretung ihrer Interessen beauftragt haben. Er hat einst zum Beispiel den Wetterexperten Jörg Kachelmann verteidigt.
Beyer denkt sogar daran, einige Staatsbedienstete persönlich in Regress zu nehmen. Nach Paragraf 48 des Beamtenstatusgesetzes müssen laut Beyer Beamtinnen und Beamte, die vorsätzlich oder grob fahrlässig ihre Pflichten verletzt haben, dem Dienstherrn den daraus entstehenden Schaden ersetzen.
Im Zuge des Nachspiels droht Anwalt Beyer dem Augsburger Leitenden Oberstaatsanwalt Rolf Werlitz sogar mit Zwangshaft. Hintergrund ist die Beschlagnahme von großen Mengen an Datenträgern im Goldfinger-Verfahren. Manche Daten hätten nach Ansicht von Gerichten nicht sichergestellt werden dürfen. So hat der Ermittlungsrichter am Amtsgericht Augsburg Ende vergangenen Jahres verfügt, dass die Staatsanwaltschaft die Daten von Verfahrensbeteiligten zurückholen und löschen muss. Dem sei die Anklagebehörde nicht nachgekommen, wofür Beyer nun den Behördenleiter verantwortlich macht.
Und dann ist da auch noch die möglicherweise politische Komponente des Goldfinger-Verfahrens. Die ehemals beschuldigten Anwälte und ihre Verteidiger sind überzeugt, dass das Verfahren von dieser Größenordnung nicht ohne politischen Willen geführt werden konnte und glauben, dafür Belege aus dem Landesamt für Steuern zu haben, das wiederum dem Finanzministerium untersteht. Verteidiger Beyer hat alle Fraktionen des Landtags angeschrieben und gebeten, zu prüfen, ob sie sich mit der Causa befassen wollen.
SPD-Fraktionschef Florian von Brunn hat neulich antworten lassen, er habe nun eine Anfrage an die Staatsregierung gestellt. Gut möglich also, dass das Nachspiel zum spektakulären Goldfinger-Verfahren noch lange weitergeht.
Es geht mit unverminderter Härte weiter