Mittelschwaebische Nachrichten

Nur nicht aufgeben

Tyler Edtmayer vom FSV Inningen hat sich in Tokio den Arm gebrochen. Trotzdem ist er gestartet. Wer weiß, was für ihn ohne Gips möglich gewesen wäre

- VON ANDREAS KORNES

Tokio Schmerzen, Schweiß und Tränen. Das seien die Zutaten der vergangene Woche gewesen, sagt Tyler Edtmayer und grinst. Das Gesagte will nicht zu dem entspannte­n 20-Jährigen passen, der es sagt. Wäre da nicht dessen linker Arm. Eingegipst von der Hand bis zum Ellbogen, der Oberarm beklebt mit blauen Tapes. Gleich nach seiner Ankunft in Tokio hatte er sich am vergangene­n Freitag bei einem Sturz die Elle gebrochen. Aufgeben sei dennoch nie eine Option gewesen, sagt er nun. Aber natürlich war dem Skateboard­er aus Lenggries, der für den Augsburger Verein FSV Inningen startet, deutlich anzusehen, dass er nicht im Vollbesitz seiner Kräfte ist, als er sich am Donnerstag seinen olympische­n Traum erfüllte.

Dreimal dürfen die Teilnehmer im Vorlauf zeigen, was sie können. Eine Jury bewertet die gezeigten Tricks, der beste Run (Lauf) kommt in die Wertung. 61,78 Punkte sammelte Edtmayer und landete damit in dem 20er-Feld auf Platz 15. Die besten acht zogen ins Finale ein. Dort war dann der 18-jährige Keegan Palmer aus Australien der überragend­e Mann. Mit 96,83 Punkten holte er Gold vor Pedro Barros (Brasilien) und Cory Juneau (USA).

ist längst nur noch Zuschauer, als in der Mittagshit­ze die Entscheidu­ng fällt. Die immerzu netten Helfer hatten den wenigen Zuschauern schon am frühen Vormittag kleine Plastiktüt­chen mit Eiswürfeln zur Abkühlung gereicht. Schatten gibt es im Ariake Urban Sports Park so gut wie keinen. Auch das habe eine Rolle dabei gespielt, „dass das hier eine extrem harte Woche war. Jetzt hier zu fahren und zwei Runs hinzulegen, auch mit den Punkten: Ich bin mehr als zufrieden. Megacool“.

Mit jeder Menge Ibuprofen und noch einem anderen Schmerzmit­teln betäubte Edtmayer den pochenden Schmerz in dem gebrochene­n Arm. Täglich habe er einen neuen Gips bekommen, weil der alte bei den hohen Temperatur­en und extremer Luftfeucht­igkeit am Abend immer komplett durchgesch­witzt war. Am Wettkampft­ag sei dann noch eine ordentlich­e Portion Adrenalin dazugekomm­en, was ihm dabei half, eine der Heldengesc­hichten zu schreiben, die Olympia so liebt. Internatio­nale Medien berichtete­n über diesen Deutschen, der sich einfach nicht stoppen lassen wollte.

Sportlich konnte er allerdings nicht mit den Besten mithalten. Er habe nicht annähernd das gezeigt, was er sich eigentlich vorgenomme­n hatte. „Es war halt alles ein bisschen zögerlich. Ich darf auf keinen Fall noch mal auf den gebrochene­n Arm fallen, sonst hätte ich wirklich ein Problem“, erzählt er im Plauderton, als alles vorbei ist. Am Samstag fliegt er zurück nach Deutschlan­d, wo er umgehend operiert werden soll, um das Handgelenk wieder gerade zu stellen. „Momentan steht es nämlich schief. Das ist eine relativ simple OP. Aber wenn ich noch mal drauffalle­n würde, wäre es nicht mehr mit einer simplen OP getan. Das wollte ich um jeden Preis vermeiden. Das habe ich auch geschafft und habe mit dem gebrochene­n Arm ein echt gutes Resultat herausgeho­lt.“

Im ersten Durchgang hatte Edtmayer noch auf Sicherheit gesetzt. Er wollte ohne Sturz durchkomme­n, um überhaupt in der Ergebnisli­ste aufzutauch­en, denn nur dann wird bewertet. Im zweiten riskierte er dann mehr und stürzte prompt. Der Grund ist einfach: „Bei Olympia hat man wacklige Beine. Das habe ich im zweiten Run gemerkt. Ich hätte vielleicht draufbleib­en können, aber ich wollte es nicht drauf ankommen lassen, auf den Arm zu fallen.“Die Nerven hätten auch einigen anderen einen Streich gespielt. „Einige von den Besten machen gar keine Runs, weil einem hier die Nervosität zu Kopf steigt.“Trotzdem habe er geEdtmayer schafft, den Wettkampf zu genießen. „Weil ich ja keinen Druck mehr hatte. Es erwartet niemand was, wenn du einen gebrochene­n Arm hast. Trotzdem bin ich froh, dass ich es hinter mir habe.“

Und dann fällt Edtmayer doch noch was ein. Dass es in Deutschlan­d keinen einzigen vernünftig­en Skatepark gibt, auf dem man sich für Olympia vorbereite­n könne, findet er nicht besonders gut. Vor allem in Schweden seien sie da sehr viel weiter. Malmö gilt als inoffiziel­le Hauptstadt Europas, was das Skateboard­en angeht. Er selbst fahre meist nach Österreich zum Trainieren. „Die haben zwar auch nicht wirklich was, aber schon besser als Deutschlan­d. Das ist relativ traurig. Die sollen mal ein paar Parks hinstellen“, fordert er. Für die Städte sei das doch sinnvoll investiert­es Geld. Denn Skateboard­en ist auch in Deutschlan­d auf dem Vormarsch. Die Aufnahme ins olympische Programm soll helfen, den Sport bekannter zu machen. „Bestimmt haben jetzt ein paar Kinder zugeschaut und wollen das auch mal ausprobier­en“, glaubt Edtmayer. „Wenn jemand sagt, er möchte lieber einen Extremspor­t machen und Leichtathl­etik ist nichts für mich, ich brauche mehr Adrenalin, dann ist er bei uns richtig. Ich wäre so ein Kind gewesen.“

 ?? Foto: Marijan Murat, dpa ?? Den Arm im Gips, die Hand am Board: der 20‰jährige Tyler Edtmayer in Aktion.
Foto: Marijan Murat, dpa Den Arm im Gips, die Hand am Board: der 20‰jährige Tyler Edtmayer in Aktion.

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