Mittelschwaebische Nachrichten
Fußball oder Ferien, Favorit oder Fahrstuhlteam
Vor dem Anpfiff zur Saison 2021/22: Ein Stimmungsbild aus den zehn heimischen Vereinen
Landkreis Günzburg Endlich rührt sich wieder was auf den Sportplätzen in der Region. Von der B-Klasse bis zur Bezirksliga starten die heimischen Fußballer an diesem Wochenende 7./8. August in die erste Saison nach der Pandemie. Die meisten interessierten Blicke werden in den kommenden Monaten vermutlich wieder die Kicker in der Kreisliga West auf sich vereinen. Immerhin zehn Mannschaften aus dem Landkreis Günzburg spielen in der 14erGruppe. Da ist Spieltag für Spieltag Derbyatmosphäre garantiert.
Die Runde verspricht in vielerlei Hinsicht speziell zu werden. Unter anderem weiß nach der monatelangen Pause niemand so ganz genau, wo er im Augenblick steht oder welches Entwicklungspotenzial tatsächlich noch im Team steckt. In der Vorbereitung hat sich auch gezeigt, wie verletzungsanfällig manche Akteure auf den plötzlich eintretenden Wettkampfmodus reagieren. Fußballer, Trainer und Funktionäre eint derweil die Hoffnung, dass diesmal alle Entscheidungen auf dem Rasen fallen. Sebastian Spreitzer, der neue Spielertrainer des TSV Offingen, fasst diesen Gedanken in die Worte: „Das größte Saisonziel ist eigentlich, die Saison komplett und ohne Unterbrechung zu beenden.“
Folgendes Stimmungsbild hat unsere Redaktion wenige Tage vor dem Anpfiff eingefangen:
Als Aufsteiger hat der TSV Balzhausen nichts zu verlieren und könnte locker mit der bescheidenen Zielsetzung „Klassenerhalt“antreten. Oder geht doch ein bisschen mehr?
Nein, sagt Trainer Thomas Vogel klipp und klar. Die Aufstiegshelden sind euphorisch, doch ohne jeden Neuzugang dürfe personell nicht allzu viel passieren. Und rein sportlich? „Wenn wir so lange wie möglich um den Klassenerhalt mitspielen, haben wir es schon gut gemacht. Für uns ist es ein großes Abenteuer, die Kreisliga anzugehen. Wir werden in jedem Spiel der Außenseiter sein und einfach versuchen, unser Bestes zu geben.“
Mit Johannes Fix, Norbert Pop und Maximilian Lauer haben drei Stammkräfte vergangener Jahre die SpVgg Ellzee verlassen. Neuzugänge von außerhalb gab es dagegen keine. Reicht das, um erneut in der oberen Tabellenhälfte mitzumischen?
Abteilungsleiter Klaus Richter freut sich, dass mit Jakob Seitz, Marius Ost und Matthias Sturm drei Spieler aus der eigenen Jugend in den Herrenbereich aufgerückt sind. Weiter sagt er: „Dennoch schmerzt uns der Verlust der drei erfahrenen Akteure sehr – umso mehr, als weitere wichtige Akteure langzeitverletzt sind. Für uns kann es daher in dieser Saison realistisch gesehen nur darum gehen, uns von den Abstiegsregionen fernzuhalten.“
Fast alle Jahre wieder leidet TGB Günzburg mehr als andere Vereine in den ersten Wochen der Saison massiv unter Spielermangel, da allzu viele Familien in den Ferien sind. Läuft das diesmal besser oder beginnt die Saison gefühlt wieder erst Mitte September?
Definitiv Letzteres, argwöhnt Trainer Tayfun Yilmaz. Wegen der Pandemie hätten die Leute ewig lange nicht in Urlaub fahren können. „Und jetzt sind wirklich fast alle weg. Ich trainiere zwar noch mit elf, zwölf Spielern, aber das sind überwiegend Leute aus der zweiten Mannschaft. Aus der ersten sind momentan nur drei Mann da – inklusive mir.“Zusätzlich wurde ein TGB-Spieler, der pünktlich zur Saison zurückkommen wollte, vor dem Abflug positiv getestet, berichtet der Coach. „Der ist jetzt in der Türkei in Quarantäne. Also so ein schlechtes Jahr habe ich noch nie gehabt.“
Der FC Grün-Weiß Ichenhausen hat für die neue Runde jede Menge verlorene Söhne zurückgeholt. Ist die neue Mannschaft stark genug, um ganz oben anzugreifen?
„Wir sind stark genug, um auf jeden Fall die Aufmerksamkeit der anderen Vereine zu wecken“, antwortet Teammanager Manuel Strahler. Der Verein setzt seinen Worten zufolge auf einen langfristigen Aufbau; derzeit fehle noch viel, um ganz oben anzugreifen. „Qualität ist im Kader, aber den Erfolg muss man sich erkämpfen und auch daran glauben.“Strahler glaubt, dass der VfR Jettingen und der FC Gundelfingen II die Liga anführen werden. „Aber sie müssen sich warm anziehen.“Was den spielenden Funktionär vor dem Liga-Start schmerzt, ist eine lange Verletztenliste. Besonders schwer erwischt hat es Chris Salomon: Der 25-Jährige zog sich im Pokalspiel gegen die SG Kammeltal einen Riss des vorderen Kreuzbands zu. Adrian Bachmayer leidet an chronischen Oberschenkelproblemen, Aaron Schäbel an Knieentzündungen.
Auch wenn es von den Funktionären keiner so klar sagen will: Etwas anderes als der Aufstieg kann nach der Vizemeisterschaft in der Vorsaison und starken Auftritten in der Vorbereitung doch gar nicht zählen für den VfR Jettingen, oder?
Vom Titelgewinn spricht Trainer Sven Müller nicht, zumal er Mannschaften wie die SpVgg Wiesenbach und den FC Gundelfingen II als spielerisch sehr stark einstuft. „Zu sagen, wir würden da durchmarschieren, wäre überheblich und nicht gerecht“, formuliert der frühere Profi. Eine Spitzenposition allerdings peilen er und seine Jungs auf jeden Fall an. „So wie wir gerade Fußball spielen und wenn wir nicht zu spinnen anfangen, zählen wir schon zu den Besseren in der Liga. Ob’s dann für den Aufstieg reicht, werden wir sehen.“Allzu konkrete Prognosen seien wegen der langen Spielpause nicht zu erstellen, führt Müller weiter aus.
Der SV Mindelzell repräsentierte in der abgebrochenen Corona-Spielzeit genau die Mitte in der Kreisliga West. In welche Richtung wird das Pendel diesmal ausschlagen?
„Ich glaube, in die gleiche“, sagt Abteilungsleiter Michael Miller ohne langes Nachdenken. Ziel der Mannschaft sei ein guter Mittelfeldplatz. Mehr dürfte tatsächlich kaum drin sein, zumal sich Trainer Muharrem Özdemir unmittelbar vor Saisonbeginn aus persönlichen Gründen zurückgezogen hat. Drei Jahre lang hatte er die Mindelzeller gecoacht; der Verein war laut Miller „sehr zufrieden mit seiner Arbeit“und wünscht Özdemir alles Gute für die Zukunft. Den Job an der Linie übernommen hat der 55-jährige, bisherige Co-Trainer Paul Ringwald.
Der TSV Offingen spielte 2017/18 in der Bezirksliga, anschließend reichte es nie ganz ins obere Tabellendrittel der Kreisliga. Wird sich das mit dem neuen Spielertrainer Sebastian Spreitzer ändern?
Äußerst schwer zu sagen. Wie alle anderen Kreisligisten konnte der TSV Offingen weder seine eigene Leistungsfähigkeit voll umfänglich testen noch die Qualitäten der Konkurrenz so beobachten, wie das in der „normalen“Zeit der Fall wäre. Sebastian Spreitzer hält sich entsprechend bedeckt und sagt: „Wir sind froh, dass wir wieder auf dem Platz stehen dürfen. Wir wollen in jedem Spiel alles geben, aber ein konkretes Saisonziel möchte ich derzeit nicht aussprechen.“Die Vorbereitung, unter anderem mit einem Trainingslager im Altmühltal, stimmt ihn für die Runde zuversichtlich. „Die Mannschaft hat toll mitgezogen.“Und noch etwas schätzt er in Offingen: „Das Stadion ist schön und die Rasenplätze sind wirklich in einem außergewöhnlich guten Zustand.“
Die SG Reisensburg-Leinheim spielte in der Testphase teilweise derart schwach, dass ihr einige (durchaus wohlmeinende) Zuschauer bereits den sicheren Abstieg prophezeien. Warum bleibt die Mannschaft in der Kreisliga?
„Weil wir eine eingeschworene Truppe sind und das Kollektiv stärker ist als die Einzelspieler“, betont Abteilungsleiter Philipp Schmid. Auf die Testspiele blickt freilich auch er mit kritischem Blick zurück und sagt: „Je schwächer die Gegner waren, desto schwächer waren auch wir.“Die Gründe für den bereits seit geraumer Zeit zu beobachtenden Abwärtstrend liegen aus Sicht des Spartenchefs auf der Hand: „Wenn man einen Niklas Fink nach Gundelfingen verliert und wenn ein Tobias Vogler und ein Timo Pape aufhören, ist das eine Welle, die du als SG Reisensburg-Leinheim nicht ausgleichen kannst.“
Das Wort Fahrstuhlmannschaft trifft auf keinen Verein in der Region so zu wie auf die TSG Thannhausen. Der Höhenflug führte den Klub einst bis in die Bayernliga. Fürchterlich war dann der Absturz, unschöne Nebengeräusche inklusive. Inzwischen ist es ruhig geworden, man arbeitet solide und hat in der Kreisliga Fuß gefasst. Gehen die Blicke jetzt wieder nach oben?
„Natürlich spielen wir gerne mal wieder bei der Musik mit“, sagt der zweite Abteilungsleiter Max Scheppach. Dafür müssten freilich mehrere Faktoren zusammenkommen; ein bisschen Glück gehöre auch dazu. Die Zielsetzung für die kommende Kreisliga-Runde formuliert er bescheidener: „Wir wollen uns weiter stabilisieren und nicht unbedingt im hinteren Tabellendrittel landen, sondern eher im vorderen.“Zum Konzept der modernen TSG zähle unter anderem, die zweite Männermannschaft speziell zu fördern. „Damit haben wir eine Basis für unsere Jugendarbeit, in die wir weiter investieren“, führt Scheppach aus. Stolz ist er, dass heuer gleich fünf Junioren in die beiden Männermannschaften hochgezogen wurden.
Dritter und Vierter war die SpVgg Wiesenbach in den beiden zurückliegenden Runden. Da sollte doch diesmal vielleicht der zweite Platz rausspringen für einen Verein, der von 1987 bis 2014 ununterbrochen auf Bezirksebene spielte, oder?
Genau so ist es, unterstreicht Abteilungsleiter Thomas Gornig: „Unser Saisonziel ist natürlich der Angriff auf die vordersten Plätze.“Dass das kein allzu leichtes Unterfangen wird, sei den Wiesenbachern bewusst. Als aussichtsreichste Kandidaten für die ersten Plätze sieht Gornig den VfR Jettingen und den FC Gundelfingen II; knapp dahinter ordnet er seine Wiesenbacher im Kampf mit dem TSV Offingen und der SSV Glött ein. Freilich ohne tiefzustapeln. „Wir haben eine sehr gute Mannschaft und vor niemandem Angst.“In der Vorbereitung hat der Spartenchef auch miterlebt, wie groß im Kader die Lust auf den Wettkampf ist.