Mittelschwaebische Nachrichten

„Die Kirche muss Kontrolle aus der Hand geben“

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Ich glaube, in kleineren Institutio­nen war das erste Modell anfangs möglich. Das österreich­ische Modell wäre 2010 auch in Deutschlan­d ein guter Schritt gewesen. Die deutschen Bischöfe kritisiert­en Schönborn damals allerdings. Vielleicht wäre jetzt überhaupt nur noch Modell drei machbar. Man hat sich aber 2019 anders entschiede­n, übrigens zusammen mit der Politik – und will eben in jedem Bistum Aufarbeitu­ngskommiss­ionen bilden. Ich hoffe jetzt, dass dieser Weg gelingt.

Sie machten 2010 als Rektor des Berliner Jesuitengy­mnasiums CanisiusKo­lleg Missbrauch­sfälle öffentlich und lösten eine Welle an Enthüllung­en aus. Mertes: Plötzlich meldeten sich Betroffene aus allen Bereichen der Gesellscha­ft.

Verstehen Sie, dass Betroffene heute sagen: Die Bischöfe wollen den Skandal aussitzen? Viele Täter sind gestorben, viele Opfer haben keine Kraft, gegen die Kirche anzukämpfe­n… Mertes: Mir ist der Vorwurf, auf Zeit zu spielen, auch gemacht worden. Betroffene haben ein Recht auf Misstrauen. Ich weiß, es klingt unbefriedi­gend – aber manches braucht Zeit, wenn es gut werden soll. Das ist übrigens ein weiteres Problem Woelkis: 2018 war er wohl glaubwürdi­g erschütter­t. Er richtete im Eiltempo einen Betroffene­nbeirat ein, er versprach, dass in einem unabhängig­en Gutachten die Namen von Verantwort­lichen genannt würden, kurz: Er preschte vor. Betroffene applaudier­ten ihm. Nun ja, und dann instrument­alisierte er den Beirat und nahm das erste Gutachten wegen angebliche­r Mängel unter Verschluss. Das kommt davon, wenn man es zu eilig hat.

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