Mittelschwaebische Nachrichten
Jetzt spricht der WutBaggerfahrer
Matija P., der in Blumberg im Schwarzwald einen von ihm errichteten Neubau auf spektakuläre Weise demolierte, sieht sich als Opfer einer Bau-Mafia
Blumberg Es sind Bilder, die um die Welt gegangen sind, und über die nicht nur in Blumberg im Schwarzwald-Baar-Kreis wohl noch lange gesprochen wird: Ein 25-TonnenBagger fährt seine Schaufel aus, aber rammt sie nicht in die Fassade eines Abrisshauses, sondern in die eines nagelneuen Wohnkomplexes – immer und immer wieder, bis der Neubau mit 31 Wohnungen an der Vorder- und Rückseite verwüstet ist. Der geschätzte Schaden: 500 000 bis 700 000 Euro.
Nachdem er mehr als eine Woche dazu schwieg, spricht jetzt der WutBaggerfahrer, der 47-jährige Matija P. „Ich werde dargestellt wie ein Tier. Dabei bin ich ein ganz normaler Mensch mit Familie und Kindern, der mit ehrlicher Arbeit seine Rechnungen bezahlen will“, sagt der Deutsche mit kroatischen Wurzeln. Mit seiner Baufirma aus Landau in der Südpfalz oder Vorgängerfirmen und etwa 15 Mitarbeitern habe der Geschäftsführer und studierte Diplomingenieur etwa 50 größere Gebäude in Deutschland errichtet. „Ich habe seit 20 Jahren keinen einzigen Urlaubstag gehabt und einmal auf einer Baustelle – der Blumberger Seniorenresidenz – zwei Tage und Nächte durchgearbeitet“, sagt er.
Mit Ausnahme des Rohbaus habe er auch den gesamten Wohnkomplex in Blumberg in zweijähriger Arbeit „von Grund auf“errichtet, um ihn dann mit dem gemieteten Bagger, der eigentlich für Straßenarbeiten bestellt gewesen sei, schwer zu beschädigen. Aber warum? Als Motiv gibt P. an, jahrelang ausgenutzt, erpresst und für seine Arbeit nicht bezahlt worden zu sein – bis er einfach nicht mehr gekonnt habe. „Das ist ein Schneeballsystem einer Bau-Mafia, das glaubt mir kein Mensch. Da sind hochgebildete Menschen, mit denen kommt man nicht klar – die werden mich zerschießen, ich werde verlieren, das ist mir klar. Ich will nur die Wahrheit, mit den Konsequenzen kann ich leben“, sagt er. P. ist spürbar verzweifelt.
Dass nach seinem Ausraster viele Mieter erst mit erheblicher Verzögerung in ihre Wohnungen ziehen können, tue ihm leid. „Am meisten Angst hatte ich, dass mich jemand aufhalten will und dabei vom Bagger wird. Sobald sich jemand genähert hat, habe ich den Bagger ausgemacht.“Sein Anwalt habe ihm geraten, nicht mit Medien zu sprechen. Er tut es dennoch, es ist ihm wichtig.
Als Grund für die massive Zerstörung hatte Matija P., als er sich kurz nach der Tat in Donaueschingen der Polizei stellte, ausstehende Zahlungen angegeben, die ihm zu Unrecht vorenthalten worden seien. Der Berliner Bauherr und Auftraggeber des Blumberger Wohnkomplexes, Ingo Fangerow, bestritt das vehement und gab an, 93 Prozent der Auftragssumme bezahlt zu haben. Als Grund des Kurzschlusses sah Fangerow Probleme beim bereits fertiggestellten Bauprojekt der Seniorenresidenz
im Zentrum von Blumberg. P. habe immer wieder erzählt, bei dessen Bau Forderungsausfälle in Höhe von 1,7 Millionen Euro erlitten zu haben. Aber: „Mit diesem Bauvorhaben hat unsere Gesellschaft nichts zu tun“, betonte Fangerow vor einer Woche. Die angesprochene Gesellschaft ist die in Berlin sitzende Blumberger Sonnenblick Grundwert GmbH.
Der Bauherr der im September 2020 eröffneten Blumberger Seniorenresidenz, Ernst-Karl H. aus dem südpfälzischen Bad Bergzabern, bestätigt, dass der Wut-Baggerfahrer P. an den Bauarbeiten mitgewirkt hat. Er widerspricht jedoch den Aussagen des Berliner Unternehmers Ingo Fangerow in zwei Punkten: „Von uns hat er (also Matija P.,
keine Außenstände“, sagt H. Und, so H. weiter: Zwar habe seine Firma Planfina SV GmbH das Grundstück einst von der Stadt Blumberg gekauft und als Wohnbauprojekt entwickelt. Mit Erhalt der Baugenehmigung habe die Planfina das Grundstück aber an Fangerows Blumberger Sonnenblick Grundwert GmbH verkauft, erklärt H. Und wer von den drei Geschäftsleuten, die sich in vielen Punkten widersprechen, sagt jetzt mutmaßlich die Unwahrheit?
Wenn man sich tiefer mit dem Blumberger Firmengeflecht mit Sitzen auch in Berlin und Landau beschäftigt, merkt man schnell, dass es sehr undurchsichtige Strukturen und Konstruktionen mit oft wechselnden Geschäftsführern und Prokuristen gibt.
Zumindest ein Teil der Misere dürfte mit dem Bau der Blumberger Seniorenresidenz durch den Unternehmer Ernst-Karl H. im Jahr 2018 begonnen haben. Der spätere WutBaggerfahrer P. soll als Projektsteuerer bei der Planfina GmbH angestellt gewesen sein, bis ihn H. – nachdem andere Firmen abgesprungen sein sollen – zum Bauleiter ernennen habe wollen. Dafür soll P. einen Geschäftsführer-Posten verlangt haben, den er allerdings nicht in der Planfina GmbH, sondern in der 2019 gegründeten p-5.0 Projekt GmbH erhalten hat, wie eine Firmendatenabfrage bestätigt.
Matija P. soll dann mitbekommen haben, wie Ernst-Karl H. angeblich etwa eine halbe Million Euro bei der p-5.0 Projekt GmbH veruntreute. Um sich als Geschäftsführer nicht strafbar zu machen, soll P. bereits im November 2020 eine ComputerFestplatte aus der Firma p-5.0 Projekt GmbH mit entsprechenden Daten der Polizei in Landau übergeben und Anzeige erstattet haben.
Die Staatsanwaltschaft Landau bestätigt auf Anfrage, dass „aufgrund einer entsprechenden Strafanzeige ein Ermittlungsverfahren gegen drei Personen geführt wird, bei denen es sich um Gesellschafter und Geschäftsführer mehrerer Firmen aus dem Bereich des Baugewerbes handelt. Gegenstand des Verfahrens sind Vorwürfe des Betrugs und der Untreue“. Das schreibt Angelika Möhlig, Leitende Oberstaatsanwältin in Landau. Wer die drei Personen sind, dürfe sie nicht sagen. Allerdings sei der Anzeigeerstatter, also Matija P., nicht darunter, wobei es „wechselseitige Vorwürfe und Strafanzeigen“gebe.
„Die umfangreichen Ermittlungen dauern noch an. Noch ist auch die Auswertung des von dem Anzeigeerstatter überlassenen Datenträgers nicht abgeschlossen. Wann mit einem Abschluss der Ermittlungen gerechnet werden kann, lässt sich derzeit noch nicht absehen“, erklärt die Oberstaatsanwältin weiter.
Darauf angesprochen sagt ErnstKarl H., der Ausraster von P. könne nur daran liegen, dass die Berliner ihm Geld schulden würden, von seiverletzt ner Seite seien keine Zahlungen offen. Die Vorwürfe gegen ihn wegen Betrugs und Untreue seien „schlichtweg falsch“.
Wut-Baggerfahrer Matija P. wirft seinen Auftraggebern beim Blumberger Wohnkomplex nun vor, um seine finanzielle Notlage nach dem Bau des Seniorenzentrums gewusst und diese zu ihrem Vorteil ausgenutzt zu haben. „Jedes Mal, wenn eine Zahlung im Raum stand, haben sie mich irgendeinen Wisch Papier unterschreiben lassen und immer mehr an Luxusausstattung gefordert. Ich habe geliefert, weil ich ja mit dem Rücken zur Wand stand“, sagt P. im Gespräch.
Monatelang sei er dann mit Verweis auf die bevorstehende Bauabnahme vertröstet worden – bis zu jenem 28. Juli, an dem er bundesweit als Wut-Baggerfahrer bekannt werden sollte. Am Ende des Arbeitstages, nachdem auch die Bauabnahme durch das Bauamt erfolgt sei, habe P. gegen 18 Uhr das Geld für die Zusatzleistungen eingefordert. Ingo Fangerow, Geschäftsführer der Blumberger Sonnenblick Grundwert GmbH, habe davon nichts wissen wollen und soll P. gefragt haben, ob er etwas geraucht habe. „Der Sinn des monatelangen Vertröstens war, den Wohnkomplex zu beziehen, ohne eine Unterschrift von mir als Bauleiter abzunehmen. Das ist die übliche Masche von Bauträgern. Dann hätte ich lebenslang auf eigene Kosten Mängel beseitigen müssen“, sagt P. Daraufhin sei er mit „1000 Gedanken im Kopf“nach Hause gegangen in seine Blumberger Arbeitswohnung, um gegen 19.30 Uhr auf die Baustelle zurückzukommen und den Bagger zu starten ...
„Ich werde dargestellt wie ein Tier. Dabei bin ich ein ganz normaler Mensch.“Baggerfahrer Matija P.