Mittelschwaebische Nachrichten
Ehrenamtliche kämpfen noch immer mit Corona
Pandemie Die Kinder- und Jugendarbeit liegt am Boden, dazu kommt die fehlende Planungssicherheit. Das sind die Forderungen beim Ehrenamtsgespräch mit Max Deisenhofer
Burgau Die Situation scheint weitgehend entspannt. Das Leben hat sich annähernd normalisiert, die Menschen machen Urlaub, die CoronaInzidenzen bewegen sich auf vergleichsweise niedrigem Niveau. Ehrenamtliche Vertreter von Vereinen, Verbänden und Organisationen sehen die Lage nicht ganz so locker. Sie blicken mit einem mulmigen Gefühl dem Herbst entgegen.
Sollte es erneut Corona-Beschränkungen geben, werde das weiter vor allem zulasten der Kinderund Jugendarbeit gehen. „Die liegt schon jetzt am Boden“, erklärten sechs Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei einer Gesprächsrunde mit dem Grünen-Landtagsabgeordneten Maximilian Deisenhofer. Die Politik müsse deshalb für mehr Planungssicherheit und klarere Vorgaben sorgen. Auf Einladung Deisenhofers waren Florian Dolde (Feuerwehr Burtenbach), Thomas Drexel (THW Krumbach), Jürgen Fischer (Wasserwacht Thannhausen), Christine Mehleit (Helferkreis und Pfadfinder Burgau), Anja Wiest (Bezirksjugendleiterin im AllgäuSchwäbischen Musikbund) und gewissermaßen als Hausherr Helmut Wagner (Kraftsport und Fitness TSV Burgau) zu der Gesprächsrunde ins Sportheim des TSV Burgau gekommen.
Wegen Corona habe sich der Helferkreis deutlich verkleinert, berichtete Christine Mehleit. Der TSV-Abteilung Kraftsport und Fitness seien bereits zahlreiche Mitglieder abgesprungen, erklärte Helmut Wagner. Die Mitglieder sehen das Fitness-Center vor allem als Dienstleister – doch wo kein Ange
da keine Mitgliedschaft. Bei den anderen Vereinen, Verbänden und Organisationen sei die Zahl der Aktiven und Mitglieder dagegen stabil geblieben, berichteten deren Sprecherinnen und Sprecher. Im ländlichen Raum sei die Verbundenheit mit dem Verein zum Glück mehr als die reine Mitgliedschaft. Gelitten aber habe neben den geselligen Veranstaltungen in hohem Maße die Kinder- und Jugendarbeit.
Die Schwimmkurse der Wasserwacht für Kinder mussten laut Jürgen Fischer auf ein Mindestmaß abgespeckt werden, das gilt auch für die Nachwuchsarbeit bei den Feuerwehren, die Übungsstunden bei den Musikvereinen, das Training und die Spiele bei den Jugendabteilungen der Fußballvereine oder die Aktivitäten der Pfadfinder. Manche Corona-Regel sei nicht nachvollziehbar gewesen, hieß es in der Runde mehrfach. Die einen durften dieses und jenes, die anderen nicht. „Im Großraumbüro konnte man arbeiten“, erklärte Florian Dolde. Aktivitäten von Kindern und Jugendlichen sogar im Freien seien dagegen untersagt oder stark eingeschränkt worden. Das sei Kindern und Jugendlichen kaum zu vermitteln, sondern „super frustrierend“, wie Anja Wiest sagte.
Die Politik denkt darüber nach, Mitglieder und ehrenamtliche Aktive mit Gutscheinen bei der Stange zu halten. Geld sei weniger das Problem, hieß es in der Runde. Wichtiger seien Planungssicherheit mit Blick auf den Herbst, die tatsächliche Wertschätzung und Unterstütbot, zung des Ehrenamts sowie klare Vorgaben. Häufig seien kurzfristig unterschiedlichste Anweisungen vom Bund, vom Land und von den verschiedenen Dachverbänden eingegangen, erklärte Helmut Wagner. Das habe die Zuständigen vor Ort nicht selten ans Limit geführt. Von drohenden Sanktionen bei kleinsten Versäumnissen sei noch nicht geredet, wie Christine Mehleit sagte. Sie und ihr Burgauer Helferkreis für Asylsuchende fühlten sich auch vom Landratsamt im Stich gelassen. Trotz mehrfacher Bitten sei es bislang nicht möglich gewesen, einen Raum für den Deutschunterricht für geflüchtete Kinder zu bekommen. Zu Beginn der Pandemie ging manches durcheinander. So hätten lange Zeit ausreichend Masken gefehlt, dafür seien Feuerwehr und
THW mit Desinfektionsmitteln regelrecht überschüttet worden, berichteten Florian Dolde und Thomas Drexel. Dagegen musste Helmut Wagner voriges Jahr rund 3000 Euro aufbringen, um ausreichend Desinfektionsmittel für seine TSVAbteilung zu besorgen. Ein konkretes Ergebnis der Runde war: Dolde und Drexel sagten Wagner zu, ihre überschüssigen Desinfektionsmittel an den TSV Burgau zu übergeben.
Maximilian Deisenhofer versicherte abschließend, die Sorgen, Wünsche und Forderungen der Gesprächsrunde in der Landtagsfraktion der Grünen vorzutragen.
Die ist in Bayern freilich in der Opposition. Vielleicht hören auch die Regierungsparteien und die kommunalen Behörden die Signale von der Basis.