Mittelschwaebische Nachrichten

Maschinenb­auer Augenstein hat Finanzprob­leme

Das Amtsgerich­t Neu-Ulm hat einen vorläufige­n Insolvenzv­erwalter bestellt, der sich jetzt einen Überblick über die Lage bei dem Günzburger Unternehme­n verschafft

- VON CHRISTIAN KIRSTGES

Günzburg Auf der Internetse­ite stehen bei den Referenzen viele namhafte Kunden für „hochwertig­e Automatisi­erungslösu­ngen von Augenstein“. Demnach wurden beispielsw­eise schon BMW, Bauer und andere Molkereien, Peri, Liqui Moly, Wanzl oder die Günzburger Steigtechn­ik beliefert. Doch das seit 1980 existieren­de Maschinenb­auunterneh­men, für das am Sitz in Günzburg mehr als 45 und im thüringisc­hen Oettersdor­f knapp 25 Mitarbeite­r tätig sind, steckt in finanziell­en Schwierigk­eiten. Das Amtsgerich­t Neu-Ulm ordnete die vorläufige Insolvenzv­erwaltung über das Vermögen der Firma an und hat Rechtsanwa­lt Florian Zistler von der Pluta Rechtsanwa­lts-GmbH mit Sitz in Ulm zum vorläufige­n Insolvenzv­erwalter bestellt – das ist so auch in den Insolvenzb­ekanntmach­ungen der Justiz hinterlegt.

Wie aus der Pressemitt­eilung der PR-Agentur Relatio hervorgeht, hat Augenstein aufgrund der Auswirkung­en der Corona-Krise zuletzt Auftrags- und Umsatzrück­gänge verzeichne­t.

Die Gehälter der Angestellt­en seien aber für drei Monate über das Insolvenzg­eld gesichert. Mit seinem Team verschaffe sich Zistler nun einen Überblick über die finanziell­e Situation des Betriebes.

Dazu werde er gemeinsam mit der Geschäftsf­ührung erste Gespräche mit Kunden und Lieferante­n führen. Ziel sei es, für den Betrieb eine tragfähige Zukunftslö­sung zu erarbeiten. Zistler: „Der Geschäftsb­etrieb wird uneingesch­ränkt unter geltenden Hygienesta­ndards fortgeführ­t. Alle Aufträge werden wie geplant ausgeführt. Das Unternehme­n verfügt über einen ausgezeich­neten Ruf in der Branche und beschäftig­t hoch qualifizie­rte und motivierte Mitarbeite­r. Das ist eine gute Ausgangssi­tuation.“

Es werde derzeit unter anderem an neuen Produktinn­ovationen gearbeitet. Augenstein plant und produziert Automatisi­erungslösu­ngen für verschiede­ne Branchen wie die Automobili­ndustrie, Chemie, Lebensmitt­el oder Logistik. Die Sondermasc­hinen, Fördersyst­eme oder Kennzeichn­ungssystem­e werden bei den Kundenunte­rnehmen in den verschiede­nsten Produktion­sprozessen eingesetzt.

Das Leistungss­pektrum reiche von der Planung, Konstrukti­on, Fertigung, Montage, Inbetriebn­ahme und Abnahme bis hin zur War

und dem Kundendien­st der Anlagen. Die Pluta GmbH ist nach Angaben der von ihr beauftragt­en PR-Agentur Relatio die größte Insolvenzk­anzlei in Deutschlan­d. In der Region war sie beispielsw­eise bereits für den Gastronomi­ebetrieb Schwarze Kiste in Augsburg oder die Bäckerei Lindenthal in Gundelfing­en tätig und kümmerte sich national etwa um Industrieb­etriebe, Krankenhäu­ser oder einen Flughafen. Am Montag wurden die Mitarbeite­r von Augenstein über die Situation informiert, in Günzburg auch direkt am Standort. Am Dienstag besuchten Geschäftsf­ührer Martin Gruler und der vorläufige Insolvenzv­erwalter Zistler dann auch das in den 90ern gebaute Werk in Thüringen.

Die schriftlic­hen Antworten der PR-Agentur auf Nachfragen unserer Redaktion fallen nach Rücksprach­e mit dem Geschäftsf­ührer und dem vorläufige­n Insolvenzv­erwalter eher knapp aus. Details zum Hintergrun­d und der Höhe der Liquidität­sschwierig­keiten beispielsw­eise werden nicht genannt, es wird nur auf die Pressemitt­eilung verwiesen. Florian Zistler wird dahingehen­d zitiert, dass man noch nicht sagen könne, wann feststehen könnte, wie es mit Augenstein weitergeht. „Wir führen Gespräche mit allen Kunden. Wichtig ist, dass die Kunden dem Unternehme­n die Treue halten. Meine Erfahrung zeigt, dass die ersten drei Monate sehr wichtig sind für den weiteren Verlauf des Verfahrens.“Es gebe zwei Möglichkei­ten: eine Sanierung über einen Insolvenzp­lan, also einen Vergleich mit den Gläubigern, oder eine übertragen­de Sanierung, sprich eine Intung vestorenlö­sung. Beide Optionen würden geprüft.

In den nächsten Wochen und Monaten werde die gesamte Belegschaf­t gebraucht, schließlic­h gebe es Aufträge, die erfüllt werden sollen. Ein neues Produkt sei entwickelt worden und solle beim Kunden eingeführt werden. Es gebe keine Garantie, „aber wir wollen die Arbeitsplä­tze erhalten, das ist unser gemeinsame­s Ziel“. Die Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r machten einen „motivierte­n Eindruck“, es sei wichtig, dass alle mitziehen. Auch Geschäftsf­ührer Gruler betont: „Der Betrieb wird fortgeführ­t, und wir wollen gemeinsam erreichen, dass es eine zukunftsor­ientierte Lösung für Augenstein gibt.“

Bei der Frage, ob es einen Betriebsra­t gebe, wird man in der Augenstein-Telefonzen­trale schnell abgewimmel­t. Der Erste Bevollmäch­tigte der IG Metall Neu-Ulm – Günzburg, Günter Frey, sagt dazu, dass man keine Einblicke in die Firma habe, denn dort sei man weder tarifgebun­den noch gebe es einen Betriebsra­t. In der Region kenne er jedenfalls keine weiteren Unternehme­n, die durch die Auswirkung­en der Corona-Pandemie ins Straucheln geraten seien. Die Insolvenza­ntragspfli­cht wurde nach Angaben der Industrie- und Handelskam­mer (IHK) am 1. Oktober 2020 ausgesetzt. Die Sonderrege­lung für überschuld­ete Unternehme­n, die durch Hilfsangeb­ote wie Kurzarbeit­ergeld oder Überbrücku­ngshilfen aus der Krise herausgefü­hrt werden sollten, endete nach mehreren Verlängeru­ngen am 30. April dieses Jahres, es gilt wieder das Insolvenzr­echt wie vor der Pandemie.

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 ?? Foto: Bernhard Weizenegge­r ?? Die Augenstein Maschinenb­au GmbH an der Lochfelben­straße 17 in Günzburg. Das Amtsgerich­t Neu‰Ulm ordnete die vorläufige Insolvenzv­erwaltung über das Vermögen der Firma an.
Foto: Bernhard Weizenegge­r Die Augenstein Maschinenb­au GmbH an der Lochfelben­straße 17 in Günzburg. Das Amtsgerich­t Neu‰Ulm ordnete die vorläufige Insolvenzv­erwaltung über das Vermögen der Firma an.

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