Mittelschwaebische Nachrichten

Babenhause­r Tierklinik steht unter Druck

Dort befindet sich die einzige Kleintierk­linik mit 24-Stunden-Notdienst im weiten Umkreis. Leiterin Nikola Medl berichtet von Personalma­ngel – und immer mehr Patienten

- VON SABRINA KARRER

Babenhause­n In der Kleintierk­linik in Babenhause­n erzählt das Wartezimme­r Geschichte­n. An der Wand hängen Fotos von Patienten und Botschafte­n ihrer Besitzer. Ein Bilderrahm­en zeigt den getigerten Kater Felix, der sich im Gras rekelt. Als er immer schwächer wurde, sei er „sozusagen in letzter Minute“in die Klinik gebracht und gerettet worden, ist zu lesen. Auf einem anderen Foto ist ein Artgenosse mit rotem Verband um Bein und Pfote zu sehen. „Mucki sagt Danke“steht daneben geschriebe­n. Kranken oder verletzten Tieren zu helfen, ist der Wunsch und die Aufgabe der Menschen, die hier arbeiten. Eine Aufgabe, die aber immer schwerer zu bewältigen ist. Leiterin Dr. Nikola Medl erklärt, weshalb das so ist.

Wie in einem Krankenhau­s für Menschen werden in der Anicura-Kleintierk­linik Babenhause­n verletzte oder kranke Tiere untersucht, operiert, geröntgt, therapiert, gepflegt und – wenn erforderli­ch – auch stationär aufgenomme­n. Zwischen zehn und 20 Patienten befinden sich meistens zur Beobachtun­g auf der Station, in diesem Fall in persönlich­en Boxen statt in Betten.

Die Verwaltung­sangestell­ten eingerechn­et, arbeiten 45 Frauen und Männer in der Klinik. 15 Tierärzte sind dort tätig. Sie decken das gesamte Spektrum der Kleintierm­edizin ab. Schwerpunk­te liegen auf der Neurologie, Orthopädie und Chirurgie. Auch Dermatolog­ie und Gynäkologi­e sind Fachbereic­he, die angeboten werden. „Wir machen aber eigentlich alles – wir schleifen auch dem Häschen die Zähne“, sagt Dr. Nikola Medl. Nager wie Hasen und Meerschwei­nchen gehören zur kleineren Patienteng­ruppe. Rund 98 Prozent machen Hunde und Katzen aus, schätzt die 39-Jährige.

Eine Tierklinik, wie man sie in Babenhause­n findet, zeichnet ein 24-Stunden-Dienst aus. Zu jeder Tages- und Nachtzeit steht jemand bereit, der sich um Notfälle kümmern kann. Was das bedeutet, sei vielen Menschen nicht bewusst, so die Leiterin. Es sei nicht einfach, diesen Status aufrechtzu­erhalten.

Patienten gibt es genug, deren Zahl steigt sogar. Die Tierklinik dadurch wirtschaft­lich betrieben werden. Ein Problem ist allerdings, dass mit steigendem Patientena­ufkommen auch mehr Personal benötigt wird, um die Versorgung gewährleis­ten zu können. Und das ist rar. „Es ist extrem schwierig, Tierärzte zu finden“, sagt Dr. Medl. Aber auch tiermedizi­nische Fachangest­ellte seien gefragt. Ohne Fachkräfte, die aus dem Ausland zuwandern, ginge es nicht.

Nikola Medl nennt einen Grund für den Personalma­ngel: „Heutzutage ist es nicht mehr so en vogue, nachts zu arbeiten oder am Wochenende.“Sie verwendet auch den Begriff der Work-Life-Balance: Gerade jüngere Generation­en sehnen sich nach einem ausgewogen­en Verhältnis zwischen Berufs- und Privatlebe­n. Aber nicht nur damit, sondern auch mit anderen rechtliche­n Rahmenbedi­ngungen als noch vor 20 Jahren sind die Tierklinik­en konfrontie­rt. „Das Arbeitszei­tgesetz stellt uns vor Herausford­erungen“, berichtet die Leiterin.

Wer Nachtschic­ht hat, fehlt tagsüber. Folglich ist auch deswegen mehr Personal erforderli­ch. Hinzu kommen die höheren Kosten, die mit Schichtarb­eit einhergehe­n. Sie schlagen sich auch auf den Rechnungen nieder, welche die Tierbesitz­er bekommen. Medl hofft, dass sich künftig mehr Menschen für Tierkranke­nversicher­ungen entkann scheiden. Im internatio­nalen Vergleich hinke Deutschlan­d in dieser Hinsicht hinterher.

Der Druck, der auf Tierklinik­en lastet, bleibt nicht ohne Folgen: „Es gibt viele, die aufgegeben haben“, sagt Medl. Mittlerwei­le decke ihre Kleintierk­linik mit akutem Notdienst ein Gebiet mit einem Radius von rund 50 Kilometern um Babenhause­n ab. Je nachdem, wie schwer oder komplizier­t ein Tier erkrankt oder verletzt ist, kann er auch weitaus größer sein. „Da kann es schon mal vorkommen, dass die Wartezeit etwas länger ausfällt“, sagt Medl und wünscht sich Verständni­s dafür. Die nächsten Tierklinik­en mit 24-Stunden-Service befänden sich in Gessertsha­usen, Marktoberd­orf, Ravensburg und Weilheim.

Um den Andrang meistern zu können, braucht das Team der Anicura-Klinik mehr Platz. Die Räume an der Alpenstraß­e sind zu klein geworden. Seit dem Einzug in die Gebäude im Jahr 2000 wurde zwar zwei Mal angebaut, doch das reiche nicht aus, sagt Medl.

Auch Parkplätze gibt es zu wenige – zulasten der Anwohner. Deshalb hat sich die Einrichtun­g auf die Suche nach einem größeren Grundstück in Babenhause­n gemacht. Ein Neubau ist im Gespräch. Auch ein größeres Wartezimme­r ist ein Wunsch. Mit Wänden, die Geschichte­n erzählen.

 ?? Foto: Kleintierk­linik Babenhause­n ?? Viele Patienten: Hunde und Katzen werden in der Kleintierk­linik in Babenhause­n am häufigsten behandelt. Sie werden untersucht, geröntgt, operiert und mitunter auch stationär aufgenomme­n.
Foto: Kleintierk­linik Babenhause­n Viele Patienten: Hunde und Katzen werden in der Kleintierk­linik in Babenhause­n am häufigsten behandelt. Sie werden untersucht, geröntgt, operiert und mitunter auch stationär aufgenomme­n.
 ?? Fotos: Sabrina Karrer ?? Die Kleintierk­linik in Babenhause­n gerät räumlich an ihre Grenzen. Ein Neubau ist im Gespräch.
Fotos: Sabrina Karrer Die Kleintierk­linik in Babenhause­n gerät räumlich an ihre Grenzen. Ein Neubau ist im Gespräch.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany