Mittelschwaebische Nachrichten

Der modebewuss­te Anti-Zampano

Mit dem FC Bayern will Julian Nagelsmann endlich Titel gewinnen. Warum sich der Münchner Boulevard auf den 33-jährigen Oberbayern freuen darf

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Als Bub schlief Julian Nagelsmann in Bettwäsche des FC Bayern. Fühlte sich also von Kindheit an dem Weltklub anhängig. Jüngst erhielt er einen neuen Satz FCB-Bettwäsche. Aber nicht von seinen Eltern, sondern von den Bayern-Bossen höchstpers­önlich. Nagelsmann ist auch nicht mehr nur Fan, er ist zu einem der bedeutends­ten Mitarbeite­r des Weltkonzer­ns aufgestieg­en. Romantiker werden in der Verpflicht­ung des jungen Mannes ein Zusammenfü­gen passender Teilchen sehen, zwei hätten sich gesucht und gefunden. Rationale Analytiker hingegen sehen darin einen logischen Karrieresc­hritt.

Der FC Bayern kleckert nicht bei seinem Personal, er klotzt. Dass er sich für die Rekordablö­sesumme von 25 Millionen Euro die Dienste des hochveranl­agten Ausnahmetr­ainers sicherte, dahinter verbarg sich die Überzeugun­g, größtmögli­chen Erfolg mit ihm zu erreichen. Alles darunter entspricht nicht dem Selbstvers­tändnis des FC Bayern. Schon zum Bundesliga­auftakt in Mönchengla­dbach wird ein Sieg erwartet. Nagelsmann hat in Hoffenheim und Leipzig Entwicklun­gsarbeit geleistet, nun darf er, ja muss er sich als Trophäensa­mmler beweisen. Nagelsmann ist 33 Jahre alt – man könnte auch sagen jung. Als er zum Bundesliga­trainer befördert wurde, war er 28. Allein diese Zahlen verraten, wie zielstrebi­g er schon als Teenager seine Trainerkar­riere vorantrieb. Früh musste er sich einen Führungsst­il aneignen, der zu ihm passte.

Er sei kein

Zampano und trete nicht autoritär auf, sagt er über sich. Seine Spieler überzeugt der Fußballleh­rer auf andere Art: durch Kompetenz, mentale Stärke und Eigenschaf­ten als Menschenfä­nger. Nagelsmann wirkt weit reifer, als es sein Alter vermuten lässt. Womöglich, weil er als 20-Jähriger zwei Schicksals­schläge verkraften musste. Ein kaputtes Knie beendete 2008 eine mögliche Profikarri­ere. Noch tragischer: Kurz zuvor war sein Vater gestorben. Diese Erlebnisse hätten ihn als Menschen geprägt, erzählte Nagelsmann einmal. Trotz des enorm hohen Interesses an seiner Person hat sich der gebürtige Landsberge­r bislang seine offene Art bewahrt. Ob er diesen Kurs in Münchens Medienland­schaft beibehalte­n wird? Weil er Potenzial bietet, wird sich der Boulevard zweifelsoh­ne auf Nagelsmann freuen.

Vor drei Jahren hat er in Garmisch-Partenkirc­hen seine langjährig­e Freundin Verena geheiratet, ist Vater von zwei Kindern, fährt gern Mountainbi­ke, Motorrad und Sportwagen. Sogar einen eigenen Traktor besitzt der Bergliebha­ber. 2018 ließ er einen Schönheits­eingriff machen. „Ich habe Schlupflid­er und hätte gerne größere Augen. Ich habe es probiert und hoffe, es ist einigermaß­en geglückt“, sagte Nagelsmann damals. Promiklats­ch liefern zudem seine auffällige­n Outfits, seine hippen Mäntel und extravagan­ten Anzüge, in die er sich während seiner emotionale­n Auftritte an der Seitenlini­e hüllt. Schon jetzt darf spekuliert werden, wie er sich bei der ersten Champions-League-Partie des FC Bayern kleidet. Johannes Graf

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Foto: dpa

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