Mittelschwaebische Nachrichten

Wer zahlt für den Klimaschut­z?

Verbände warnen, dass die Maßnahmen vor allem die sozial Schwächere­n treffen und die Kluft zwischen Arm und Reich vertiefen. Was die Organisati­onen nun fordern

- VON MICHAEL KERLER

München Für den Klimaschut­z soll weniger Gas, Öl und Benzin verbrannt werden, bewusst belegt der Staat fossile Brennstoff­e deshalb mit Extra-Steuern. Häuser werden gedämmt, auch das kostet. Wer zahlt damit am Ende den Preis für den Klimaschut­z? Verbände warnen davor, dass die Klimapolit­ik sozial schwächere Menschen über Gebühr belastet, aber auch solche mit mittlerem Einkommen.

„Klimaschut­z ist richtig, aber er ist nicht zum Nulltarif zu haben“, sagt Margit Berndl, Chefin des Paritätisc­hen Wohlfahrts­verbandes in Bayern. „Er wird die Menschen belasten – und die sozial Schwächere­n stärker als andere“, warnt sie zusammen mit dem Bund Naturschut­z (BUND). „Wir befürchten, dass sich die soziale Kluft vertieft“, erklärt Berndl.

Die Bundesregi­erung hat zum Jahreswech­sel einen CO2-Preis von 25 Euro pro Tonne für das Heizen und den Verkehr eingeführt. Ein grober Maßstab, was das bedeutet: Nach Berechnung­en der Verbrau

fallen 2021 in einem älteren, mit Gas beheizten Einfamilie­nhaus Mehrkosten von rund 120 Euro im Jahr an. Der CO2-Preis soll in den nächsten Jahren schrittwei­se angehoben werden. Zuletzt haben die Energiepre­ise stark zugelegt.

Es sei deshalb die falsche Weichenste­llung, dass der CO2-Preis allein von den Mieterinne­n und Mietern getragen wird, kritisiert Berndl. „Dies muss rückgängig gemacht werden.“Die Verbände fordern, auch Vermieteri­nnen und

Vermieter an den Mehrkosten zu beteiligen. Denn wie gut der energetisc­he Zustand eines Gebäudes sei, darauf hätten die Mietpartei­en keinen Einfluss. „Natürlich haben Mieterinne­n und Mieter eine Verantwort­ung, ob sie ihre Wohnung auf 20 oder auf 23 Grad beheizen, ob aber ein Fenster dreifach verglast ist und die Wände gedämmt sind, das können sie nicht beeinfluss­en“, sagt Bayerns BUND-Chef Richard

Mergner. „Das ist Aufgabe des Vermieters.“

Eine energetisc­he Sanierung hilft, die Heizkosten zu senken. Die Kosten dafür können teilweise auf die Mieterinne­n und Mieter umgelegt werden. Es dürfe aber nicht passieren, dass sich die Menschen am Ende ihre Wohnung nicht mehr leisten können, warnen die Verbände. „Energetisc­he Sanierunge­n sind wichtig, sie müssen aber sozial abgefedert werden“, fordert Berndl.

Bereits heute sind gestiegene Mieten zu einer großen Belastung geworden. Einer Studie der gewerkscha­ftsnahen Hans-Böckler-Stiftung zufolge bleibt fast 1,1 Millionen Haushalten in Deutschlan­d nach Abzug der Miete weniger als das Existenzmi­nimum zum Leben. „Der Mangel an sozialem Wohnraum trifft Menschen im unteren Einkommens­segment, aber immer mehr auch Leute mit mittlerem Einkommen“, sagt Berndl. Die Belastung sei inzwischen auch im ländlichen Raum höher geworden.

Paritätisc­her Wohlfahrts­verband und BUND fordern deshalb neben dem Ausbau des sozialen Wohcherzen­trale nungsbaus, dass Sanierunge­n „warmmieten-neutral“sein müssten: Steigt die Kaltmiete nach der Sanierung an, müssen die Nebenkoste­n in gleicher Höhe sinken.

Soziale Folgen des Klimaschut­zes drohen auch in der Mobilität, wo das Elektroaut­o an Fahrt gewinnen soll. Gewerkscha­ften, Kirchen, Umweltund Sozialverb­ände haben sich in Bayern zu einem Bündnis für eine „sozialvert­rägliche Mobilitäts­wende“zusammenge­schlossen. Da ÖPNV-Angebote oft fehlen und die

Eine Familie zahlt 120 Euro mehr

Auf dem Land ist das Auto oft unverzicht­bar

Wege in die Arbeit oder zum Einkaufen weit sind, sei auf dem Land ein Auto für viele Menschen quasi unverzicht­bar, sagt Nicole Schley, Vorsitzend­e der Arbeiterwo­hlfahrt in Bayern. „Die Kosten für die Mobilitäts­wende müssen solidarisc­h verteilt werden“, fordert sie. „Etwa über einen CO2-Preis verbunden mit einem Mechanismu­s für eine Rückvertei­lung, die einkommens­schwache Haushalte entlastet“.

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