Mittelschwaebische Nachrichten
Wer zahlt für den Klimaschutz?
Verbände warnen, dass die Maßnahmen vor allem die sozial Schwächeren treffen und die Kluft zwischen Arm und Reich vertiefen. Was die Organisationen nun fordern
München Für den Klimaschutz soll weniger Gas, Öl und Benzin verbrannt werden, bewusst belegt der Staat fossile Brennstoffe deshalb mit Extra-Steuern. Häuser werden gedämmt, auch das kostet. Wer zahlt damit am Ende den Preis für den Klimaschutz? Verbände warnen davor, dass die Klimapolitik sozial schwächere Menschen über Gebühr belastet, aber auch solche mit mittlerem Einkommen.
„Klimaschutz ist richtig, aber er ist nicht zum Nulltarif zu haben“, sagt Margit Berndl, Chefin des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes in Bayern. „Er wird die Menschen belasten – und die sozial Schwächeren stärker als andere“, warnt sie zusammen mit dem Bund Naturschutz (BUND). „Wir befürchten, dass sich die soziale Kluft vertieft“, erklärt Berndl.
Die Bundesregierung hat zum Jahreswechsel einen CO2-Preis von 25 Euro pro Tonne für das Heizen und den Verkehr eingeführt. Ein grober Maßstab, was das bedeutet: Nach Berechnungen der Verbrau
fallen 2021 in einem älteren, mit Gas beheizten Einfamilienhaus Mehrkosten von rund 120 Euro im Jahr an. Der CO2-Preis soll in den nächsten Jahren schrittweise angehoben werden. Zuletzt haben die Energiepreise stark zugelegt.
Es sei deshalb die falsche Weichenstellung, dass der CO2-Preis allein von den Mieterinnen und Mietern getragen wird, kritisiert Berndl. „Dies muss rückgängig gemacht werden.“Die Verbände fordern, auch Vermieterinnen und
Vermieter an den Mehrkosten zu beteiligen. Denn wie gut der energetische Zustand eines Gebäudes sei, darauf hätten die Mietparteien keinen Einfluss. „Natürlich haben Mieterinnen und Mieter eine Verantwortung, ob sie ihre Wohnung auf 20 oder auf 23 Grad beheizen, ob aber ein Fenster dreifach verglast ist und die Wände gedämmt sind, das können sie nicht beeinflussen“, sagt Bayerns BUND-Chef Richard
Mergner. „Das ist Aufgabe des Vermieters.“
Eine energetische Sanierung hilft, die Heizkosten zu senken. Die Kosten dafür können teilweise auf die Mieterinnen und Mieter umgelegt werden. Es dürfe aber nicht passieren, dass sich die Menschen am Ende ihre Wohnung nicht mehr leisten können, warnen die Verbände. „Energetische Sanierungen sind wichtig, sie müssen aber sozial abgefedert werden“, fordert Berndl.
Bereits heute sind gestiegene Mieten zu einer großen Belastung geworden. Einer Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung zufolge bleibt fast 1,1 Millionen Haushalten in Deutschland nach Abzug der Miete weniger als das Existenzminimum zum Leben. „Der Mangel an sozialem Wohnraum trifft Menschen im unteren Einkommenssegment, aber immer mehr auch Leute mit mittlerem Einkommen“, sagt Berndl. Die Belastung sei inzwischen auch im ländlichen Raum höher geworden.
Paritätischer Wohlfahrtsverband und BUND fordern deshalb neben dem Ausbau des sozialen Wohcherzentrale nungsbaus, dass Sanierungen „warmmieten-neutral“sein müssten: Steigt die Kaltmiete nach der Sanierung an, müssen die Nebenkosten in gleicher Höhe sinken.
Soziale Folgen des Klimaschutzes drohen auch in der Mobilität, wo das Elektroauto an Fahrt gewinnen soll. Gewerkschaften, Kirchen, Umweltund Sozialverbände haben sich in Bayern zu einem Bündnis für eine „sozialverträgliche Mobilitätswende“zusammengeschlossen. Da ÖPNV-Angebote oft fehlen und die
Eine Familie zahlt 120 Euro mehr
Auf dem Land ist das Auto oft unverzichtbar
Wege in die Arbeit oder zum Einkaufen weit sind, sei auf dem Land ein Auto für viele Menschen quasi unverzichtbar, sagt Nicole Schley, Vorsitzende der Arbeiterwohlfahrt in Bayern. „Die Kosten für die Mobilitätswende müssen solidarisch verteilt werden“, fordert sie. „Etwa über einen CO2-Preis verbunden mit einem Mechanismus für eine Rückverteilung, die einkommensschwache Haushalte entlastet“.