Mittelschwaebische Nachrichten
Ohne Fans im Stadion verliert der Fußball seine Strahlkraft
Leitartikel Zum Bundesliga-Start kehren tausende Zuschauer zurück. Für die Klubs ist das wichtig. Denn Fußball hat nur dann bleibende Bedeutung, wenn er Gefühle auslöst
Erneut gibt der Profifußball den Vorreiter. Vorwiegend natürlich aus Eigennutz, so wie schon im vergangenen Jahr. Profitieren davon können aber auch viele Bereiche des öffentlichen Lebens. Wenn an diesem Wochenende die erste Bundesliga in die Saison startet, ist es nicht weniger als ein groß angelegter Feldversuch. Erstmals seit dem März 2020 dürfen deutschlandweit wieder tausende Fans in die Stadien. Bis zu 25 000 Zuschauerinnen und Zuschauer pro Partie sind zugelassen.
Anhand dieser Zahl und den dazugehörigen Regelungen werden in den kommenden Tagen und Wochen Diskussionen initiiert, die bald auch all jene betreffen, die es nicht ins Fußballstadion zieht – dafür aber in Museen, Restaurants oder Open-Air-Konzerte.
Die Bundesligisten deuten vielerorts an, sich nicht ausschließlich an den bekannten 35er-Inzidenzwert halten zu wollen. Es ist eine logische Haltung, schließlich kündigten Politikerinnen und Politiker schon vor geraumer Zeit an, weiterreichende Kennzahlen als Maßstab heranziehen zu wollen. Ein Versprechen, dessen Erfüllung sie bislang schuldig geblieben sind. Noch schärfer wird darüber diskutiert, wem alles denn nun Einlass ins Stadion gewährt wird. Genesenen und Geimpften? Getesteten? Eine Entscheidung, die die Bundesligisten unterschiedlich handhaben und somit jenen Widerstand provozieren, der nach der Ministerpräsidentenkonferenz am Dienstag auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen hervorgerufen wurde.
Die Bundesligisten immerhin haben in den vergangenen eineinhalb Jahren gezeigt, dass sie in der überwiegenden Mehrheit gewissenhaft mit ihrer Verantwortung umgegangen sind. Viele Beobachter hielten den Re-Start der Liga im vergangenen Jahr für einen armseligen Versuch, das eigene Geschäftsmodell irgendwie zu retten. Doch es waren neben ausgefeilten Hygienekonzepten die oftmals als tumbe Millionäre abgetanen Spieler, die den Ball am Laufen hielten. Auch den Fußballern ist es zu verdanken, dass andere Sportarten sowie kulturelle Veranstaltungen nach und nach wieder den Betrieb aufnehmen konnten.
Zuletzt zeigten die Olympischen Spiele sowie die Fußball-Europameisterschaft auf, dass auch Großveranstaltungen
nicht zu Superspreader-Events werden, wenn vernünftig mit den Hygieneregeln umgegangen wird. Es ist richtig und wichtig, jetzt auch wieder die Stadien der Bundesligisten allmählich zu füllen. Zuschauer sind integraler Bestandteil des Profifußballs. Für das Geschäftsmodell sind sie unerlässlich. Vielleicht nicht für Paris Saint-Germain, das sich Lionel Messi aus katarischen Quellen bezahlen lässt, aber für Klubs wie
Bielefeld oder Fürth. Auch in Dortmund oder bei den Bayern ist man von zumindest teilweise besetzten Rängen abhängig. Bedeutender ist aber noch die Teilhabe am Spiel. Das Wechselspiel zwischen Aktion auf dem Feld und unmittelbarer Reaktion in der Kurve. Der Fußball hat nur dann bleibende Bedeutung, wenn er Emotionen zulässt und auslöst. Dann spielt es auch keine allzu große Rolle, ob der FC Bayern seine zehnte Meisterschaft in Folge einfährt oder nicht. Die Fans werden weiterhin mit Hingabe ihre Mannschaft unterstützen. Die Frage nach dem Bundesliga-Titel ist eine reizvolle, aber bei weitem nicht die wichtigste. Das bewiesen in der vergangenen Saison vor allem die Hauptdarsteller. Der Fußball strahlte immer dann über das Feld hinaus, wenn er sich gesellschaftlichen Themen zuwandte. Wenn sich die Spieler gegen Rassismus und Diskriminierung Homosexueller eingesetzt haben. Der Fußball kann Vorbild sein. Fans verstärken diese Funktion. Es ist wichtig, dass sie in die Stadien zurückkehren.
Nicht jeder Verein will sich an die 35er-Inzidenz halten