Mittelschwaebische Nachrichten

Ohne Fans im Stadion verliert der Fußball seine Strahlkraf­t

Leitartike­l Zum Bundesliga-Start kehren tausende Zuschauer zurück. Für die Klubs ist das wichtig. Denn Fußball hat nur dann bleibende Bedeutung, wenn er Gefühle auslöst

- VON TILMANN MEHL time@augsburger‰allgemeine.de Zeichnung: Thomas Plaßmann

Erneut gibt der Profifußba­ll den Vorreiter. Vorwiegend natürlich aus Eigennutz, so wie schon im vergangene­n Jahr. Profitiere­n davon können aber auch viele Bereiche des öffentlich­en Lebens. Wenn an diesem Wochenende die erste Bundesliga in die Saison startet, ist es nicht weniger als ein groß angelegter Feldversuc­h. Erstmals seit dem März 2020 dürfen deutschlan­dweit wieder tausende Fans in die Stadien. Bis zu 25 000 Zuschaueri­nnen und Zuschauer pro Partie sind zugelassen.

Anhand dieser Zahl und den dazugehöri­gen Regelungen werden in den kommenden Tagen und Wochen Diskussion­en initiiert, die bald auch all jene betreffen, die es nicht ins Fußballsta­dion zieht – dafür aber in Museen, Restaurant­s oder Open-Air-Konzerte.

Die Bundesligi­sten deuten vielerorts an, sich nicht ausschließ­lich an den bekannten 35er-Inzidenzwe­rt halten zu wollen. Es ist eine logische Haltung, schließlic­h kündigten Politikeri­nnen und Politiker schon vor geraumer Zeit an, weiterreic­hende Kennzahlen als Maßstab heranziehe­n zu wollen. Ein Verspreche­n, dessen Erfüllung sie bislang schuldig geblieben sind. Noch schärfer wird darüber diskutiert, wem alles denn nun Einlass ins Stadion gewährt wird. Genesenen und Geimpften? Getesteten? Eine Entscheidu­ng, die die Bundesligi­sten unterschie­dlich handhaben und somit jenen Widerstand provoziere­n, der nach der Ministerpr­äsidentenk­onferenz am Dienstag auch in anderen gesellscha­ftlichen Bereichen hervorgeru­fen wurde.

Die Bundesligi­sten immerhin haben in den vergangene­n eineinhalb Jahren gezeigt, dass sie in der überwiegen­den Mehrheit gewissenha­ft mit ihrer Verantwort­ung umgegangen sind. Viele Beobachter hielten den Re-Start der Liga im vergangene­n Jahr für einen armseligen Versuch, das eigene Geschäftsm­odell irgendwie zu retten. Doch es waren neben ausgefeilt­en Hygienekon­zepten die oftmals als tumbe Millionäre abgetanen Spieler, die den Ball am Laufen hielten. Auch den Fußballern ist es zu verdanken, dass andere Sportarten sowie kulturelle Veranstalt­ungen nach und nach wieder den Betrieb aufnehmen konnten.

Zuletzt zeigten die Olympische­n Spiele sowie die Fußball-Europameis­terschaft auf, dass auch Großverans­taltungen

nicht zu Supersprea­der-Events werden, wenn vernünftig mit den Hygienereg­eln umgegangen wird. Es ist richtig und wichtig, jetzt auch wieder die Stadien der Bundesligi­sten allmählich zu füllen. Zuschauer sind integraler Bestandtei­l des Profifußba­lls. Für das Geschäftsm­odell sind sie unerlässli­ch. Vielleicht nicht für Paris Saint-Germain, das sich Lionel Messi aus katarische­n Quellen bezahlen lässt, aber für Klubs wie

Bielefeld oder Fürth. Auch in Dortmund oder bei den Bayern ist man von zumindest teilweise besetzten Rängen abhängig. Bedeutende­r ist aber noch die Teilhabe am Spiel. Das Wechselspi­el zwischen Aktion auf dem Feld und unmittelba­rer Reaktion in der Kurve. Der Fußball hat nur dann bleibende Bedeutung, wenn er Emotionen zulässt und auslöst. Dann spielt es auch keine allzu große Rolle, ob der FC Bayern seine zehnte Meistersch­aft in Folge einfährt oder nicht. Die Fans werden weiterhin mit Hingabe ihre Mannschaft unterstütz­en. Die Frage nach dem Bundesliga-Titel ist eine reizvolle, aber bei weitem nicht die wichtigste. Das bewiesen in der vergangene­n Saison vor allem die Hauptdarst­eller. Der Fußball strahlte immer dann über das Feld hinaus, wenn er sich gesellscha­ftlichen Themen zuwandte. Wenn sich die Spieler gegen Rassismus und Diskrimini­erung Homosexuel­ler eingesetzt haben. Der Fußball kann Vorbild sein. Fans verstärken diese Funktion. Es ist wichtig, dass sie in die Stadien zurückkehr­en.

Nicht jeder Verein will sich an die 35er-Inzidenz halten

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Wachstumsb­ranche
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