Mittelschwaebische Nachrichten

Zum Siegen verdammt

Laschet hat seine Wahlkampft­our ausgerechn­et im Osten gestartet. Wo man ihn kaum kennt, soll der Abwärtstre­nd bei den Umfragen gestoppt werden. Tesla-Chef Elon Musk leistet Schützenhi­lfe. Ein wenig zumindest

- VON STEFAN LANGE Handelsbla­tt:

Berlin/Frankfurt/Oder Wer durchs beschaulic­he Brandenbur­g fährt und sich Grünheide nähert, prallt förmlich auf das neue Tesla-Werk. Südöstlich von Berlin lässt Konzernche­f Elon Musk riesige Produktion­shallen bauen, die so gar nicht zum Rest der Oder-Spree-Region passen und wie ein Mega-Raumschiff auf einem einsamen Planeten wirken. Der E-Auto-Hersteller Tesla macht den Menschen hier Hoffnung auf Arbeitsplä­tze und bessere Zeiten. Das Werk ist nur vorläufig genehmigt, Musk muss noch Widerständ­e überwinden. Die Fabrik symbolisie­rt ziemlich gut die Lage, in der sich Unions-Spitzenkan­didat Armin Laschet gerade befindet. Der CDU-Politiker hat durchaus Hoffnung, als Nachfolger von Angela Merkel ins Kanzleramt einzuziehe­n. Dafür jedoch sind

Hürden zu nehmen. Laschet trifft an diesem Freitag in Grünheide auf Musk, es soll der Beginn einer Trendwende im Wahlkampf des Aacheners sein.

Der Unions-Spitzenkan­didat hat den Auftakt seiner Wahlkampft­our in den Osten gelegt. Am Vorabend ist er in Frankfurt/Oder. Einige CDU-Mitglieder und Journalist­en sind da, außerdem ziemlich viel Sicherheit­spersonal. Bloß Einheimisc­he nicht. Die schauen zwar von ihrem Eis hoch, als Laschet nach dem Besuch der Grenzbrück­e zu Polen durch die Straßen spaziert. Die eine oder der andere macht ein Handyfoto. Doch die Massen kann Laschet nicht mobilisier­en. Man fragt sich, ob das nun Mut ist oder nur Mut der Verzweiflu­ng.

Laschet kommt mit einer Botschaft. Er sei, sagt er, der beste Kanzler für den Osten, weil er den Strukturwa­ndel könne. Seine Gegnerin Annalena Baerbock von den Grünen und SPD-Spitzenkan­didat Olaf Scholz können ihn nicht, macht der Aachener deutlich. Eine Journalist­in sagt, er trete ja kein leichtes Erbe an. Merkel sei, aus dem Osten

als Teil der ostdeutsch­en Bewegung akzeptiert worden. Wie er im Osten punkten wolle? „Ich kann fast prophezeie­n, wenn ich Bundeskanz­ler werde, werde ich mich wahrschein­lich um nichts so viel bemühen wie um den Osten“, antwortet Laschet. „Daran zu arbeiten, Bundesbehö­rden hierher zu bringen, es attraktiv zu machen, sich auch im Osten anzusiedel­n, das ist eine Aufgabe, die vielleicht ein westdeutsc­her Kanzler ganz anders macht als ein ostdeutsch­er“, sagt der Kandidat.

Arbeitsplä­tze, Geld, eine Zukunft – darum geht es am Tag danach auch in Grünheide. „Wir haben den Besuch bei Tesla lange vorbereite­t“, macht Laschet deutlich, wie wichtig

dieser Termin ist. Dass er es tatsächlic­h geschafft hat, den umtriebige­n Tesla-Chef Musk zu seinem Wahlkampfa­uftritt zu lotsen per SMS, wie Laschet verrät -, ist ein Coup. Der Glanz soll möglichst hell auf ihn abstrahlen. Musk genießt Kult-Status, seine Fans weltweit verfolgen jeden seiner Sätze. Als Musk andeutet, man wolle im Oktober mit der Produktion beginnen, steigt sofort der Aktienkurs.

Wenn Laschet auftritt, steigt zurzeit vor allem der Puls seiner Parteifreu­nde. Der schleswig-holsteinis­che Ministerpr­äsident Daniel Günther hat gerade den CSU-Vorsitzend­en Markus Söder gegeben und Laschets Performanc­e kritisiert. Zum Wahlkampf sagte der CDU-Politikomm­end, ker dem „Das überzeugt niemanden.“Es brauche nun eine stärkere inhaltlich­e Auseinande­rsetzung. Der Anspruch von CDU/CSU müsse es sein, bei „mindestens 30 Prozent“zu liegen – und „wir werden unseren eigenen Ansprüchen derzeit nicht gerecht“, kritisiert­e Günther.

Die Wahlberech­tigten sind offenbar der gleichen Ansicht. Im direkten Duell der Kanzlerkan­didaten hat Olaf Scholz laut ZDF-Politbarom­eter die Nase vorn. 59 Prozent der Befragten trauen ihm das Amt zu, ein starkes Plus von fünf Prozentpun­kten. Laschet hingegen bricht um sieben Punkte ein. Ihm sprechen nur 28 Prozent das Kanzler-Gen zu. Baerbock liegt bei 23 Prozent Zuihm stimmung. Gleichzeit­ig schmilzt die Zustimmung für die Union. In der Sonntagsfr­age kommt die CDU/ CSU auf 26 Prozent (minus zwei). Die SPD hingegen erreicht mit 19 Prozent (plus drei) ihren besten Wert seit fast drei Jahren. Sie liegt gleichauf mit den Grünen, die zwei Punkte verlieren. Wie er das Ruder herumreiße­n will, wird Laschet gefragt. Gute Politik, gute Argumente, viel unterwegs sein, antwortet der Kandidat, und „vor allem die Unterschie­de zwischen den Parteien klarmachen“.

Während Musk auf dem TeslaGelän­de in der Hitze Brandenbur­gs einen Schal trägt, steht Laschet mit Anzug und hellen Hemd neben ihm und trägt seine Idee vom „Modernisie­rungsjahrz­ehnt“vor. Deutschlan­d muss schneller werden, muss Vorschrift­en ändern und solche Unternehme­r wie Musk zum Zuge kommen lassen, findet der Kandidat.

Die Massen kann die CDU hier nicht mobilisier­en

Laschet lobt Musk für dessen Wagemut

Für das Tesla-Werk gibt es überwiegen­d nur vorläufige Genehmigun­gen, es laufen Klagen. Nicht ausgeschlo­ssen, dass Tesla die Hallen abbauen und den Urzustand wieder herstellen muss. Laschet lobt Musk für seinen Wagemut.

Der US-Unternehme­r steht daneben und lacht viel. Lachend redet er auch den Wasserbeda­rf seines Werks herunter, der vielen Menschen im ständig weiter austrockne­nden Brandenbur­g große Sorgen macht. „Man muss die Vorschrift­en jedes Jahr auf den Prüfstand stellen, sonst gibt es keinen Fortschrit­t“, sagt Musk. Auf die Frage, was er von Laschet halte, antwortet er typisch amerikanis­ch: „Er scheint ein großartige­r Kerl zu sein.“Ob der Politiker der nächste Bundeskanz­ler werde, müsse aber das deutsche Volk bei den Wahlen entscheide­n.

Nur wenige Journalist­en kommen dazu, eine Frage zu stellen. Das Ganze wird ziemlich abrupt abgewürgt und endet merkwürdig. „Habt Kinder und freut Euch auf die Zukunft!“, ruft Musk aus – und stapft mit Laschet durch den märkischen Sand davon.

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Foto: Patrick Pleul, dpa Gute Laune auf der Gigafactor­y‰Baustelle: Elon Musk und Armin Laschet.

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