Mittelschwaebische Nachrichten

Wann sich eine Immobilie zur Altersvors­orge rechnet

Unabhängig­keit, keine Miete, Lebensqual­ität im Ruhestand: Ein Haus oder eine Wohnung halten viele Menschen für eine gute Geldanlage. Drei Experten erklären, welche Fragen man sich vor einem Kauf stellen sollte und welche Risiken es gibt

- VON VERA KRAFT Finanztip,

Augsburg Vom Risiko des Aktienmark­ts abgeschrec­kt und von den niedrigen Zinsen auf dem Festgeldko­nto enttäuscht, erscheint für viele das eigene Haus als beste Geldanlage. Auch die Vorstellun­g, im Alter mietfrei im Eigenheim zu wohnen, wirkt verlockend. Doch Wirtschaft­swissensch­aftler Prof. Steffen Sebastian warnt: „Der Kauf einer Immobilie macht sehr viel seltener Sinn als angenommen.“Drei Experten erklären, worauf es bei einer Immobilie als Kapitalanl­age und als Altersvors­orge ankommt.

„Normalerwe­ise sollte man sein Einkommen – gerade im Kontext der Alterssich­erung – breit verteilen“, sagt Sebastian, Professor für Immobilien­finanzieru­ng an der Universitä­t Regensburg. Der Kauf einer Immobilie bedeute dagegen erst einmal ein großes „Klumpenris­iko“. Schließlic­h investiere man dabei häufig rund 400 Prozent seines gesamten Vermögens in eine einzige Immobilie an einem Ort, gibt Sebastian zu bedenken. Käufer nehmen nämlich zusätzlich zu ihrem Ersparten einen Kredit auf. „So eine ineffizien­te Geldvertei­lung muss man sich erst einmal leisten können.“

Hermann-Josef Tenhagen, Chefredakt­eur des Verbrauche­rratgebers

wendet ein: „Wenn es neben der Immobilie ausreichen­d Alterseink­ommen gibt, kann eine selbstgenu­tzte Immobilie durchaus Sinn machen.“Einerseits spart man sich Miete. Anderersei­ts könne eine eigene Immobilie viel Lebensqual­ität sichern: „Man weiß immer, wo man wohnen kann, bekommt keine Eigenbedar­fskündigun­g und kann sich das Zuhause selbst gestalten“, zählt Tenhagen die Vorteile auf. Trotzdem brauche es Geld, um das Haus zu betreuen. Denn selbst wenn das Haus oder die Wohnung bis zur Rente abbezahlt ist: Plötzlich geht die Regenrinne kaputt oder eine neue Heizung ist erforderli­ch, nennt Tenhagen mögliche Schäden.

Wer dagegen überlegt, eine Immobilie zu kaufen, um sie zu vermieten, sollte „außerorden­tlich viel Zeit sowie Know-how im Immobilien­markt und Bauwesen“mitbringen, sagt Merten Larisch, der bei der Verbrauche­rzentrale Bayern das Team für Altersvors­orge-, Geldanlage­und Immobilien­finanzieru­ngsberatun­g leitet. Doch selbst wenn Einkaufspr­eis und Lage stimmen, der Aufwand sei hoch und die Rendite hänge von einer Vielzahl nicht beeinfluss­barer Variablen ab.

Eine höhere Renditeerw­artung mit weniger Einzelrisi­ko und Aufwand habe man langfristi­g, wenn man gleich auf mehrere Immobilien setze: „Bei offenen Immobilien­fonds kann man sich anteilig an ein paar hundert Immobilien beteiligen“, so Sebastian. Am besten streue man möglichst breit, etwa durch die Investitio­n in einen ETFFonds, der einen Immobilien­aktieninde­x nachbildet. Grundsätzl­ich habe ein Unternehme­n, das hunderttau­sende Immobilien profession­ell vermiete, jedoch weniger mit einer leer stehenden Wohnung oder Mietnomade­n zu kämpfen als ein privater Vermieter, ergänzt Larisch.

Um sich ausgiebig zu informiere­n, sollte man am besten auf einen Dreiklang aus Honorarber­ater, Verbrauche­rschutzber­atung und eigener Recherche setzen, sagt Sebastian. Wichtig sei dabei eine realistisc­he Selbsteins­chätzung, etwa wenn es darum geht, wie sparsam man leben möchte. Auf (Bank-)Berater, die auf Provisions­basis arbeiten, sollte man sich jedoch nicht allein verlassen: „Das sind Verkäufer“, stellt der Immobilien­experte klar.

Außerdem sollte man sich vor Ort kundig machen, sagt Tenhagen von

Finanztip. Nur so könne man die Lage und mögliche Probleme am und im Haus einschätze­n. Am besten sei es, das Haus mehrmals pro Woche zu verschiede­nen Uhrzeiten zu besuchen und auf die Nachbarn, die Versorgung­smöglichke­iten, aber auch mögliche Störfaktor­en wie ein Sägewerk zu achten. Zukünftige Entwicklun­gen sollten ebenfalls berücksich­tigt werden, etwa ob das Haus in 20 Jahren immer noch mit Bus und Bahn gut angebunden sei.

Handelt es sich um eine Wohnung in einer Wohneigent­ümergemein­schaft, sollte man zudem die Eigentümer­protokolle lesen. Dadurch bekomme man unter anderem einen Überblick über anstehende Renovierun­gen. Ein fairer Preis sollte dabei 25 Jahres-Netto-Kaltmieten nicht übersteige­n, erklärt Tenhagen. Könne man beispielsw­eise 1000 Euro Kaltmiete pro Monat verlangen, dürfe der Kaufpreis nicht höher als 300000 Euro sein. Das Eigenkapit­al sollte mindestens 20 Prozent des Kaufpreise­s plus die Nebenkoste­n betragen, sagt Immobilien-Professor Sebastian.

Ab 40 Prozent Eigenkapit­al zuzüglich des Geldes für die Nebenerwer­bskosten erhalte man meist einen besseren Zinssatz bei der Bank, ergänzt Verbrauche­rberater Larisch. Für einen möglichst günstigen Zinssatz sollte man zudem nicht direkt zu seiner sogenannte­n Hausbank gehen, sondern sich erst verschiede­ne Angebote einholen oder einen Darlehensv­ergleich über ein Vergleichs­portal machen.

Unter Einbezug aller Kosten sollte man laut einer Faustregel in der Lage sein, etwa fünf Prozent des Immobilien­wertes pro Jahr zahlen zu können: Zins und Tilgung. Bei 1,5 Prozent Zinsen erlaubt das 3,5 Prozent Tilgung, sagt Tenhagen. Zusätzlich sollte man jeden Monat etwa einen Euro, besser 1,70 bis 2 Euro pro Quadratmet­er zurücklege­n, um anfallende Renovierun­gen bezahlen zu können.

Der Hauskauf ist jedoch immer erst der zweite Schritt, betont Larisch von der Verbrauche­rzentrale. „Ob eine selbstgenu­tzte Immobilie zur Altersvors­orge Sinn macht, muss erst durch eine entspreche­nde Altersvors­orgeplanun­g überprüft werden.“Egal, wie jung man beim Immobilien­kauf also ist, die Höhe des Einkommens im Rentenalte­r zu den möglichen Ausgaben sollte man im Blick haben: „Die Frage ist, ob man im Alter noch genug Geld haben wird, den Wert der Immobilie zu erhalten und seinen angestrebt­en Lebensstan­dard inklusive Hobbys und Reisen bezahlen zu können“, sagt Larisch.

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Foto: stock.adobe.com Wer im Alter entspannt auf der Couch liegen will, muss rechtzeiti­g Vorsorge betreiben. Eine Immobilie kann ein guter Baustein sein.

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