Mittelschwaebische Nachrichten
Wie Sparende auf Strafzinsen reagieren
Immer mehr Menschen müssen ab einem gewissen Vermögen auf der Bank Gebühren zahlen. Manche würden am liebsten ihr Geld in bar abheben, anderen sind die Kosten gar nicht bewusst. Ein Fehler
Augsburg Eine alleinstehende Rentnerin aus Süddeutschland hat ihre Schäfchen ins Trockene gebracht: Auf ihrem Sparkonto hat sich mit den Jahren ein Betrag angehäuft, von dem sie unbeschwert leben kann. Als ihre Bank für das Verwahren des angesparten Geldes Zinsen verlangt, fühlt sie sich als jahrelange Kundin hintergangen, die beschwichtigenden Worte einer Bankangestellten helfen nicht weiter. Nein, sagt sie der Beraterin, sie wolle in ihrem hohen Alter nicht in langfristige Geldanlagen investieren. Es kommt zum Bruch zwischen der langjährigen Kundin und ihrem Bankinstitut. Die Rentnerin hebt ihr Erspartes ab, will es lieber in einem kostenpflichtigen Schließfach deponieren.
Das Thema Vermögen ist heikel; die Rentnerin will anonym bleiben. Doch dieser Fall zeigt: Wer heutzutage auf das klassische Sparen setzt, spart nicht per se, sondern zahlt im ungünstigsten Szenario sogar drauf. Denn immer mehr Banken verlangen ein sogenanntes Verwahrentgelt, auch Negativ- oder Minuszins genannt. Die Verbraucherzentrale Bayern (VZB) sieht Chancen und Probleme darin, dass Geld in sicheren Anlageformen wie Sparbuch, Tagesgeld und Festgeld mittlerweile kaum noch Zinsen bringt oder sogar Negativzinsen kostet. Zunächst einmal gebe es kein Recht auf eine dauerhafte Ansparlösung, sagt VZB-Finanzexperte Sascha Straub.
Viele Jahre habe das klassische Sparbuch gute Dienste erwiesen. Die Menschen müssten nun lernen, dass Sparen auch anders geht: „Man ist letztendlich gezwungen, sich umzuorientieren“, ist die nüchterne Antwort des Finanzexperten. In Deutschland beklage man sich schon lange darüber, dass die Aktienquote der Deutschen zu niedrig sei, so Straub. Vor allem bei einem Vermögen über der gesetzlichen Einlagensicherung von 100000 Euro sei es durchaus sinnvoll, sich über eine optimierte Geldanlage Gedanken zu machen. Ab dieser Summe werden bei vielen Banken die Minuszinsen fällig.
Für die Verbraucherzentrale wird dieses Geschäftsmodell erst problematisch, wenn die Gebührenschwelle für Tagesgeld- und Girokonten weiter sinkt. Einige Kreditinstitute nehmen von Neukunden schon ab dem ersten Euro Guthaben solche Entgelte. „Das hat nichts mehr mit Sparen zu tun“, sagt Finanzexperte Straub. Mehrere Gerichtsverfahren
derzeit, ob dies überhaupt zulässig sei.
Obwohl immer mehr Banken Negativzinsen von Sparern erheben, gibt es bei dem Thema große Wissenslücken. Fast ein Drittel (31 Prozent) der Menschen wisse nicht, was Negativzinsen seien oder sei bei dem Begriff unsicher. Das hat eine Umfrage des Vermögensverwalters Visualvest herausgefunden. Die Unwissenheit zeige sich gerade bei jungen und weiblichen Sparern, so die repräsentative Online-Umfrage. Demnach gaben 43 Prozent der 18bis 34-Jährigen und 41 Prozent der weiblichen Befragten an, die Bedeutung von Negativzinsen nicht zu kennen. Bei Männern seien es 19 Prozent. Nachdem die Befragten über die Bedeutung von Negativzinsen aufgeklärt wurden, wussten der Erhebung zufolge 27 Prozent nicht, ob sie Negativzinsen an ihre Bank zahlen.
Auch von Negativzinsen betroffene Sparer zeigen sich laut der Umfrage unzureichend über das Thema informiert: 54 Prozent von ihnen wissen nicht, wie hoch die Strafzinsen sind, die sie an ihre Bank zahlen. Derzeit oder künftig betroffen sind rund 14 Prozent. Für den Fall, dass ihr Geldhaus Negativzinsen einführt, wollen 72 Prozent der Befragten die Bank wechseln oder ihr Geld auf mehrere Konten verteilen. 16 Prozent der Sparer würden ihr Geld trotzdem auf ihrem Girokonto lassen. Bankwechsel werden als umständlich angesehen und andere Anlageformen sind vielen nicht bekannt. Investments in Wertpapiere sind demnach nur für eine Minderheit eine Alternative.
Doch auch die jüngere Bevölkerung beschäftige sich immer mehr mit Geldanlagen, schreibt die Verbraucherzentrale Bayern. Vor allem ETFs (engl. Exchange Traded Funds) werden bei jungen Menschen immer beliebter. Damit könne man ohne großes Vorwissen in Aktien investieren und langfristig Vermögen aufbauen. Eine Bank brauche man dafür also nicht, meint Straub. Damit seien Negativzinsen vor allem ein Problem der älteren Generation, die schon ein Vermögen haben und eine starke Bindung zu ihrem Bankinstitut besitzen. „Die Banken verprellen gerade ihre besten Kunden“, sagt der Finanzexperte. Haben die Banken wirklich keine Wahl? „Was die Banken an Gebühren an ihre Kunden weitergeben, ist deutlich mehr, als was die EZB faktisch einbehält“, kritisiert Straub. So haben die Banken ebenfalls einen Freibetrag bei der Währungsbehörprüften de. Die Negativzinsen seien damit ein lohnendes Geschäftsmodell.
Die Banken und Sparkassen begründen die Erhebung von Negativzinsen mit der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank. Seit 2014 liegt der Einlagezins der Währungsbehörde im Minusbereich. Geschäftsbanken müssen 0,5 Prozent Zinsen zahlen, wenn sie überschüssiges Geld bei der Europäischen Zentralbank parken. Laut dem Vergleichsportal Verivox erhoben Ende Juni 349 Banken und Sparkassen ein Verwahrentgelt bei größeren Summen auf dem Tagesgeldoder Girokonto.
Die Phase der Null- und Negativzinsen wird sich in Europa voraussichtlich fortsetzen, daher erhöht sich der Druck auf Banken, negative Zinsen im Kundengeschäft zu erheben. So lautet ungefähr die einheitliche Begründung der Geschäftsbanken für die Weitergabe der Kosten. Wo die Schwelle angesetzt werde, sei von Bank zu Bank unterschiedlich, sagt ein Sprecher des Genossenschaftsverbands Bayern. „Es gehe meist um solche Bestandskunden mit hohen fünf- bis sechsstelligen Summen auf Giro-, Tagesgeldund Sparkonten. „Das ist weit mehr als der durchschnittliche Kunde einer Volksbank oder Raiffeisenbank auf diesen Konten liegen hat“, fügt der Sprecher hinzu. „Nicht jedem, der mit Negativzinsen für sein Bankguthaben konfrontiert ist, erschließen sich die Gründe dafür“, räumt er ein. Doch die Bankkunden reagierten immer aufgeschlossener für alternative Geldanlagen wie Investmentfonds.
Davon, dass sie ihre besten Kunden verprellen, scheinen die aktuell 371 Sparkassen in Deutschland wenig zu spüren. Nach eigenen Angaben verzeichnen sie keine Verluste, sondern im vergangenen Jahr bei den Einlagen ein Rekordplus in Höhe von 79 Milliarden Euro. In diesem Jahr soll sich dieser Trend bestätigen, sagt ein Sprecher des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands. Lange habe man die Kunden vor den negativen Marktzinsen geschützt, aber niemand könne auf Dauer betriebswirtschaftlich gegen die Marktbedingungen handeln, heißt es aus der Berliner Zentrale des Dachverbandes. Die Sparkassen entscheiden selbstständig über das Vorgehen. Die Stadtsparkasse Augsburg unterscheidet bei der Höhe der Freibeträge zwischen Neu- und Bestandsverträgen. Im Schnitt liegen diese Freibeträge bei 100000 Euro. Ein „typischer“Privatkunde der Stadtsparkasse bleibe damit in der Regel innerhalb seiner Freibeträge und bezahle somit kein Verwahrentgelt, sagt eine Sprecherin der Stadtsparkasse.
Neukundinnen und Neukunden der Commerzbank Augsburg wird ein Freibetrag von bis zu 50000 Euro eingeräumt. Oberhalb des Freibetrags gilt für Einlagen derzeit ein Verwahrentgelt in Höhe von 0,5 Prozent p.a. Bei Bestandskunden werden Vereinbarungen individuell im Kundengespräch getroffen. „Die meisten Kunden gehen mittlerweile sehr aufgeklärt mit dem Thema Negativzinsen um“, sagt Stefan Roßmayer, Niederlassungsleiter Privatund Unternehmerkunden der Commerzbank.
Also was ist zu tun, wenn das Sparbuch kostet, statt Rendite bringt? Experten empfehlen, das Vermögen über verschiedene Produktklassen und Laufzeiten zu streuen und sich nach einem günstigeren Konto-Anbieter umzusehen. Besondere Vorsicht gilt bei hohen Zinsversprechen. Da gilt es sich besonders gut zu informieren. Vor allem die Investition in Einzelaktien bleibe riskant. Die Bankinstitute raten, mit dem persönlichen Berater in Kontakt zu treten, um für die eigene Situation eine passende Lösung zu finden.