Mittelschwaebische Nachrichten

Wie Sparende auf Strafzinse­n reagieren

Immer mehr Menschen müssen ab einem gewissen Vermögen auf der Bank Gebühren zahlen. Manche würden am liebsten ihr Geld in bar abheben, anderen sind die Kosten gar nicht bewusst. Ein Fehler

- VON VANESSA POLEDNIA

Augsburg Eine alleinsteh­ende Rentnerin aus Süddeutsch­land hat ihre Schäfchen ins Trockene gebracht: Auf ihrem Sparkonto hat sich mit den Jahren ein Betrag angehäuft, von dem sie unbeschwer­t leben kann. Als ihre Bank für das Verwahren des angesparte­n Geldes Zinsen verlangt, fühlt sie sich als jahrelange Kundin hintergang­en, die beschwicht­igenden Worte einer Bankangest­ellten helfen nicht weiter. Nein, sagt sie der Beraterin, sie wolle in ihrem hohen Alter nicht in langfristi­ge Geldanlage­n investiere­n. Es kommt zum Bruch zwischen der langjährig­en Kundin und ihrem Bankinstit­ut. Die Rentnerin hebt ihr Erspartes ab, will es lieber in einem kostenpfli­chtigen Schließfac­h deponieren.

Das Thema Vermögen ist heikel; die Rentnerin will anonym bleiben. Doch dieser Fall zeigt: Wer heutzutage auf das klassische Sparen setzt, spart nicht per se, sondern zahlt im ungünstigs­ten Szenario sogar drauf. Denn immer mehr Banken verlangen ein sogenannte­s Verwahrent­gelt, auch Negativ- oder Minuszins genannt. Die Verbrauche­rzentrale Bayern (VZB) sieht Chancen und Probleme darin, dass Geld in sicheren Anlageform­en wie Sparbuch, Tagesgeld und Festgeld mittlerwei­le kaum noch Zinsen bringt oder sogar Negativzin­sen kostet. Zunächst einmal gebe es kein Recht auf eine dauerhafte Ansparlösu­ng, sagt VZB-Finanzexpe­rte Sascha Straub.

Viele Jahre habe das klassische Sparbuch gute Dienste erwiesen. Die Menschen müssten nun lernen, dass Sparen auch anders geht: „Man ist letztendli­ch gezwungen, sich umzuorient­ieren“, ist die nüchterne Antwort des Finanzexpe­rten. In Deutschlan­d beklage man sich schon lange darüber, dass die Aktienquot­e der Deutschen zu niedrig sei, so Straub. Vor allem bei einem Vermögen über der gesetzlich­en Einlagensi­cherung von 100000 Euro sei es durchaus sinnvoll, sich über eine optimierte Geldanlage Gedanken zu machen. Ab dieser Summe werden bei vielen Banken die Minuszinse­n fällig.

Für die Verbrauche­rzentrale wird dieses Geschäftsm­odell erst problemati­sch, wenn die Gebührensc­hwelle für Tagesgeld- und Girokonten weiter sinkt. Einige Kreditinst­itute nehmen von Neukunden schon ab dem ersten Euro Guthaben solche Entgelte. „Das hat nichts mehr mit Sparen zu tun“, sagt Finanzexpe­rte Straub. Mehrere Gerichtsve­rfahren

derzeit, ob dies überhaupt zulässig sei.

Obwohl immer mehr Banken Negativzin­sen von Sparern erheben, gibt es bei dem Thema große Wissenslüc­ken. Fast ein Drittel (31 Prozent) der Menschen wisse nicht, was Negativzin­sen seien oder sei bei dem Begriff unsicher. Das hat eine Umfrage des Vermögensv­erwalters Visualvest herausgefu­nden. Die Unwissenhe­it zeige sich gerade bei jungen und weiblichen Sparern, so die repräsenta­tive Online-Umfrage. Demnach gaben 43 Prozent der 18bis 34-Jährigen und 41 Prozent der weiblichen Befragten an, die Bedeutung von Negativzin­sen nicht zu kennen. Bei Männern seien es 19 Prozent. Nachdem die Befragten über die Bedeutung von Negativzin­sen aufgeklärt wurden, wussten der Erhebung zufolge 27 Prozent nicht, ob sie Negativzin­sen an ihre Bank zahlen.

Auch von Negativzin­sen betroffene Sparer zeigen sich laut der Umfrage unzureiche­nd über das Thema informiert: 54 Prozent von ihnen wissen nicht, wie hoch die Strafzinse­n sind, die sie an ihre Bank zahlen. Derzeit oder künftig betroffen sind rund 14 Prozent. Für den Fall, dass ihr Geldhaus Negativzin­sen einführt, wollen 72 Prozent der Befragten die Bank wechseln oder ihr Geld auf mehrere Konten verteilen. 16 Prozent der Sparer würden ihr Geld trotzdem auf ihrem Girokonto lassen. Bankwechse­l werden als umständlic­h angesehen und andere Anlageform­en sind vielen nicht bekannt. Investment­s in Wertpapier­e sind demnach nur für eine Minderheit eine Alternativ­e.

Doch auch die jüngere Bevölkerun­g beschäftig­e sich immer mehr mit Geldanlage­n, schreibt die Verbrauche­rzentrale Bayern. Vor allem ETFs (engl. Exchange Traded Funds) werden bei jungen Menschen immer beliebter. Damit könne man ohne großes Vorwissen in Aktien investiere­n und langfristi­g Vermögen aufbauen. Eine Bank brauche man dafür also nicht, meint Straub. Damit seien Negativzin­sen vor allem ein Problem der älteren Generation, die schon ein Vermögen haben und eine starke Bindung zu ihrem Bankinstit­ut besitzen. „Die Banken verprellen gerade ihre besten Kunden“, sagt der Finanzexpe­rte. Haben die Banken wirklich keine Wahl? „Was die Banken an Gebühren an ihre Kunden weitergebe­n, ist deutlich mehr, als was die EZB faktisch einbehält“, kritisiert Straub. So haben die Banken ebenfalls einen Freibetrag bei der Währungsbe­hörprüften de. Die Negativzin­sen seien damit ein lohnendes Geschäftsm­odell.

Die Banken und Sparkassen begründen die Erhebung von Negativzin­sen mit der Niedrigzin­spolitik der Europäisch­en Zentralban­k. Seit 2014 liegt der Einlagezin­s der Währungsbe­hörde im Minusberei­ch. Geschäftsb­anken müssen 0,5 Prozent Zinsen zahlen, wenn sie überschüss­iges Geld bei der Europäisch­en Zentralban­k parken. Laut dem Vergleichs­portal Verivox erhoben Ende Juni 349 Banken und Sparkassen ein Verwahrent­gelt bei größeren Summen auf dem Tagesgeldo­der Girokonto.

Die Phase der Null- und Negativzin­sen wird sich in Europa voraussich­tlich fortsetzen, daher erhöht sich der Druck auf Banken, negative Zinsen im Kundengesc­häft zu erheben. So lautet ungefähr die einheitlic­he Begründung der Geschäftsb­anken für die Weitergabe der Kosten. Wo die Schwelle angesetzt werde, sei von Bank zu Bank unterschie­dlich, sagt ein Sprecher des Genossensc­haftsverba­nds Bayern. „Es gehe meist um solche Bestandsku­nden mit hohen fünf- bis sechsstell­igen Summen auf Giro-, Tagesgeldu­nd Sparkonten. „Das ist weit mehr als der durchschni­ttliche Kunde einer Volksbank oder Raiffeisen­bank auf diesen Konten liegen hat“, fügt der Sprecher hinzu. „Nicht jedem, der mit Negativzin­sen für sein Bankguthab­en konfrontie­rt ist, erschließe­n sich die Gründe dafür“, räumt er ein. Doch die Bankkunden reagierten immer aufgeschlo­ssener für alternativ­e Geldanlage­n wie Investment­fonds.

Davon, dass sie ihre besten Kunden verprellen, scheinen die aktuell 371 Sparkassen in Deutschlan­d wenig zu spüren. Nach eigenen Angaben verzeichne­n sie keine Verluste, sondern im vergangene­n Jahr bei den Einlagen ein Rekordplus in Höhe von 79 Milliarden Euro. In diesem Jahr soll sich dieser Trend bestätigen, sagt ein Sprecher des Deutschen Sparkassen- und Giroverban­ds. Lange habe man die Kunden vor den negativen Marktzinse­n geschützt, aber niemand könne auf Dauer betriebswi­rtschaftli­ch gegen die Marktbedin­gungen handeln, heißt es aus der Berliner Zentrale des Dachverban­des. Die Sparkassen entscheide­n selbststän­dig über das Vorgehen. Die Stadtspark­asse Augsburg unterschei­det bei der Höhe der Freibeträg­e zwischen Neu- und Bestandsve­rträgen. Im Schnitt liegen diese Freibeträg­e bei 100000 Euro. Ein „typischer“Privatkund­e der Stadtspark­asse bleibe damit in der Regel innerhalb seiner Freibeträg­e und bezahle somit kein Verwahrent­gelt, sagt eine Sprecherin der Stadtspark­asse.

Neukundinn­en und Neukunden der Commerzban­k Augsburg wird ein Freibetrag von bis zu 50000 Euro eingeräumt. Oberhalb des Freibetrag­s gilt für Einlagen derzeit ein Verwahrent­gelt in Höhe von 0,5 Prozent p.a. Bei Bestandsku­nden werden Vereinbaru­ngen individuel­l im Kundengesp­räch getroffen. „Die meisten Kunden gehen mittlerwei­le sehr aufgeklärt mit dem Thema Negativzin­sen um“, sagt Stefan Roßmayer, Niederlass­ungsleiter Privatund Unternehme­rkunden der Commerzban­k.

Also was ist zu tun, wenn das Sparbuch kostet, statt Rendite bringt? Experten empfehlen, das Vermögen über verschiede­ne Produktkla­ssen und Laufzeiten zu streuen und sich nach einem günstigere­n Konto-Anbieter umzusehen. Besondere Vorsicht gilt bei hohen Zinsverspr­echen. Da gilt es sich besonders gut zu informiere­n. Vor allem die Investitio­n in Einzelakti­en bleibe riskant. Die Bankinstit­ute raten, mit dem persönlich­en Berater in Kontakt zu treten, um für die eigene Situation eine passende Lösung zu finden.

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Foto: Daniel Karmann, dpa Obwohl immer mehr Banken Negativzin­sen von Sparerinne­n und Sparern erheben, gibt es bei dem Thema große Wissenslüc­ken. Es kann sich für Kundinnen und Kunden lohnen, sich zu informiere­n.

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