Mittelschwaebische Nachrichten

Organisier­ter Hass gegen den „Impfluence­r“

Pandemie Die Polizei nimmt den Neu-Ulmer Hausarzt Christian Kröner als Beispiel, um auf Hetze im Internet aufmerksam zu machen. Wie der Mediziner darauf reagiert und warum er vorerst niemanden mehr gegen Corona impfen wird

- VON MICHAEL KROHA

Neu‰Ulm Ihm gehe es etwas besser, aber nicht gut, sagt der Neu-Ulmer Hausarzt Dr. Christian Kröner. Der selbst ernannte und bundesweit bekannt gewordene „Impfluence­r“durchlebte vor gut einem Monat „die Hölle“, wie er es bezeichnet­e. Weil der Kühlschran­k in seiner Praxis im Neu-Ulmer Stadtteil Pfuhl monatelang um wenige Grad zu warm eingestell­t war, drohten bis zu 5000 Impfdosen ihre Wirksamkei­t verloren zu haben. Doch inzwischen lassen ihn die Ergebnisse von rund 1000 Antikörper­tests etwas aufatmen. Nicht nachgelass­en hat jedoch die Welle an Hass und Hetze im Netz gegen den Impf-Befürworte­r. Allerdings geht jetzt die Polizei in die Offensive und nutzt den Hausarzt als „Leuchtturm“.

Es kommt äußerst selten vor, dass Ermittlung­sbehörden in einer Pressemitt­eilung den Namen eines Betroffene­n erwähnen. Am Freitag aber tat das Polizeiprä­sidium Schwaben Süd/West das ganz bewusst. Mit dem Hausarzt Dr. Kröner „haben wir einen Leuchtturm“, erklärte Präsidiums­sprecher Holger Stabik. „Wir wollen ein klares Statement setzen, dass wir kein Hate Speech tolerieren.“

Gemeint ist das, was dem Allge

immer wieder widerfährt, seit er mit einem Info-Zettel zur Corona-Impfung einen Internet-Hit gelandet hat: massive Anfeindung­en – in sozialen Medien, aber auch per Brief, telefonisc­h oder per SMS. Ihm wurde sogar mit dem Tode gedroht, wenn er nicht mit dem Impfen aufhöre – insbesonde­re mit dem Impfen von Jugendlich­en.

Als das nämlich im Zuge von bundesweit­er Berichters­tattung in gewissen Portalen die Runde machte, seien die Beleidigun­gen und Drohungen nachweisli­ch angestiege­n. „Die Hate-Speech-Welle bricht organisier­t über ihn herein. Das passiert nicht zufällig“, sagt Stabik. Über Querdenker-Gruppen würden die Berichte verteilt. „Eine klare Geschichte“, so der Polizeispr­echer. Kröner gehöre bundesweit zu drei oder vier Ärzten, die im Fokus der Impf-Gegner stünden und immer wieder angegangen werden.

Eine „Vielzahl von Verfassern“konnte bereits ermittelt werden. Es handle sich um Männer und Frauen im Alter zwischen 30 und 71 Jahren in ganz Deutschlan­d und dem benachbart­en Ausland. Der Kriminalpo­lizei liege eine dreistelli­ge Anzahl an Strafanzei­gen vor. Konkreter wollen die Ermittler nicht werden. „Wir wollen denen keine Plattform oder eine Erfolgsbil­anz bieten“, sagt

„Wir wollen nur abraten, sich daran zu beteiligen. Wir lassen nicht locker, bis wir die haben.“Jedoch kann die Aktion der Polizei jetzt von den Übeltätern auch als Art Provokatio­n verstanden werden und womöglich sogar das Gegenteil bewirken. Dass es sich beim Hausarzt um eine streitbare Person handelt, „ist uns bewusst“, sagt Stabik und betont: „Unser Ziel ist nicht, weitere Straftaten zu provoziere­n.“

Und Kröner? „Die wollten das, das kam nicht von mir“, sagt er. Jemeinmedi­ziner doch sei er damit einverstan­den gewesen. Inzwischen, sagt er, ist es „grad schon egal“. Einschücht­ern lassen will sich der Hausarzt, der deswegen auch schon unter Polizeisch­utz stand, ohnehin nicht. Dass er am Sonntag nach über 7000 in seiner Praxis verabreich­ten Spritzen mit dem Impfen gegen Corona aufhört, habe damit nichts zu tun. Auch nicht mit der Kühlschran­k-Panne. Wie es zu dieser kommen konnte, will er im Detail nicht erklären. Jedoch würden die Ergebnisse der AnStabik. tikörperte­sts zeigen, dass die meisten Impfungen wirksam waren. Zwar würden die Werte der Antikörper schwanken. Wie Thomas Mertens, Chef der Ständigen Impfkommis­sion, aber im Gespräch mit unserer Redaktion sagte, reiche es zunächst aus, wenn überhaupt welche erzeugt wurden. Bei Impfungen mit Biontech und AstraZenec­a würde bislang kein Problem vorliegen, meint Kröner. Lediglich bei Johnson & Johnson gebe es vereinzelt Fälle, wo keinerlei Antikörper gebildet wurden. Hier rät er zu einer Nachimpfun­g.

Dass am Sonntag in seiner Praxis mit den Corona-Impfungen zumindest vorerst Schluss ist, liege daran, dass die Nachfrage abnehme und das Angebot inzwischen breit verfügbar sei. Noch dazu „können wir alle nicht mehr“, sagt Kröner. „Wir sind platt. Es war alles etwas arg viel.“Im September will er seine Praxis für drei Wochen schließen, seine Mitarbeite­r in den Urlaub schicken, um Hunderte Überstunde­n abzubauen. Jedoch rechnet er im Oktober schon mit einer Welle von Nachimpfun­gen. „Wer das abarbeiten soll, ist mir aktuell noch schleierha­ft. Wir können so was nicht noch mal bewerkstel­ligen“, sagt er. Doch bis dahin wolle er einfach mal nur „normaler Hausarzt“sein.

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Foto: Alexander Kaya Vorerst ist Schluss mit Corona‰Impfungen in Kröners Praxis. Mit den Anfeindung­en gegen ihn habe das nichts zu tun, betont der Mediziner.

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