Mittelschwaebische Nachrichten
Organisierter Hass gegen den „Impfluencer“
Pandemie Die Polizei nimmt den Neu-Ulmer Hausarzt Christian Kröner als Beispiel, um auf Hetze im Internet aufmerksam zu machen. Wie der Mediziner darauf reagiert und warum er vorerst niemanden mehr gegen Corona impfen wird
NeuUlm Ihm gehe es etwas besser, aber nicht gut, sagt der Neu-Ulmer Hausarzt Dr. Christian Kröner. Der selbst ernannte und bundesweit bekannt gewordene „Impfluencer“durchlebte vor gut einem Monat „die Hölle“, wie er es bezeichnete. Weil der Kühlschrank in seiner Praxis im Neu-Ulmer Stadtteil Pfuhl monatelang um wenige Grad zu warm eingestellt war, drohten bis zu 5000 Impfdosen ihre Wirksamkeit verloren zu haben. Doch inzwischen lassen ihn die Ergebnisse von rund 1000 Antikörpertests etwas aufatmen. Nicht nachgelassen hat jedoch die Welle an Hass und Hetze im Netz gegen den Impf-Befürworter. Allerdings geht jetzt die Polizei in die Offensive und nutzt den Hausarzt als „Leuchtturm“.
Es kommt äußerst selten vor, dass Ermittlungsbehörden in einer Pressemitteilung den Namen eines Betroffenen erwähnen. Am Freitag aber tat das Polizeipräsidium Schwaben Süd/West das ganz bewusst. Mit dem Hausarzt Dr. Kröner „haben wir einen Leuchtturm“, erklärte Präsidiumssprecher Holger Stabik. „Wir wollen ein klares Statement setzen, dass wir kein Hate Speech tolerieren.“
Gemeint ist das, was dem Allge
immer wieder widerfährt, seit er mit einem Info-Zettel zur Corona-Impfung einen Internet-Hit gelandet hat: massive Anfeindungen – in sozialen Medien, aber auch per Brief, telefonisch oder per SMS. Ihm wurde sogar mit dem Tode gedroht, wenn er nicht mit dem Impfen aufhöre – insbesondere mit dem Impfen von Jugendlichen.
Als das nämlich im Zuge von bundesweiter Berichterstattung in gewissen Portalen die Runde machte, seien die Beleidigungen und Drohungen nachweislich angestiegen. „Die Hate-Speech-Welle bricht organisiert über ihn herein. Das passiert nicht zufällig“, sagt Stabik. Über Querdenker-Gruppen würden die Berichte verteilt. „Eine klare Geschichte“, so der Polizeisprecher. Kröner gehöre bundesweit zu drei oder vier Ärzten, die im Fokus der Impf-Gegner stünden und immer wieder angegangen werden.
Eine „Vielzahl von Verfassern“konnte bereits ermittelt werden. Es handle sich um Männer und Frauen im Alter zwischen 30 und 71 Jahren in ganz Deutschland und dem benachbarten Ausland. Der Kriminalpolizei liege eine dreistellige Anzahl an Strafanzeigen vor. Konkreter wollen die Ermittler nicht werden. „Wir wollen denen keine Plattform oder eine Erfolgsbilanz bieten“, sagt
„Wir wollen nur abraten, sich daran zu beteiligen. Wir lassen nicht locker, bis wir die haben.“Jedoch kann die Aktion der Polizei jetzt von den Übeltätern auch als Art Provokation verstanden werden und womöglich sogar das Gegenteil bewirken. Dass es sich beim Hausarzt um eine streitbare Person handelt, „ist uns bewusst“, sagt Stabik und betont: „Unser Ziel ist nicht, weitere Straftaten zu provozieren.“
Und Kröner? „Die wollten das, das kam nicht von mir“, sagt er. Jemeinmediziner doch sei er damit einverstanden gewesen. Inzwischen, sagt er, ist es „grad schon egal“. Einschüchtern lassen will sich der Hausarzt, der deswegen auch schon unter Polizeischutz stand, ohnehin nicht. Dass er am Sonntag nach über 7000 in seiner Praxis verabreichten Spritzen mit dem Impfen gegen Corona aufhört, habe damit nichts zu tun. Auch nicht mit der Kühlschrank-Panne. Wie es zu dieser kommen konnte, will er im Detail nicht erklären. Jedoch würden die Ergebnisse der AnStabik. tikörpertests zeigen, dass die meisten Impfungen wirksam waren. Zwar würden die Werte der Antikörper schwanken. Wie Thomas Mertens, Chef der Ständigen Impfkommission, aber im Gespräch mit unserer Redaktion sagte, reiche es zunächst aus, wenn überhaupt welche erzeugt wurden. Bei Impfungen mit Biontech und AstraZeneca würde bislang kein Problem vorliegen, meint Kröner. Lediglich bei Johnson & Johnson gebe es vereinzelt Fälle, wo keinerlei Antikörper gebildet wurden. Hier rät er zu einer Nachimpfung.
Dass am Sonntag in seiner Praxis mit den Corona-Impfungen zumindest vorerst Schluss ist, liege daran, dass die Nachfrage abnehme und das Angebot inzwischen breit verfügbar sei. Noch dazu „können wir alle nicht mehr“, sagt Kröner. „Wir sind platt. Es war alles etwas arg viel.“Im September will er seine Praxis für drei Wochen schließen, seine Mitarbeiter in den Urlaub schicken, um Hunderte Überstunden abzubauen. Jedoch rechnet er im Oktober schon mit einer Welle von Nachimpfungen. „Wer das abarbeiten soll, ist mir aktuell noch schleierhaft. Wir können so was nicht noch mal bewerkstelligen“, sagt er. Doch bis dahin wolle er einfach mal nur „normaler Hausarzt“sein.