Mittelschwaebische Nachrichten
Ein Museum schippert durch das Ruhrgebiet
Jean Tinguely liebte die Maschinen des Industriezeitalters. An den Künstler erinnert nun eine Schiffstour
Basel In seinem Manifest „Für Statik“erklärte der Schweizer Bildhauer Jean Tinguely 1959 sein Programm. „Es bewegt sich alles, Stillstand gibt es nicht“, so begann das Pamphlet, das er als Flugblatt damals über Düsseldorf abgeworfen haben soll. Die Geräusche und Bewegungen von Maschinen faszinierten ihn – und deshalb baute er Skulpturen, die genau das tun: sich bewegen und Geräusche machen.
Das Tinguely gewidmete Museum in Basel hat sich 30 Jahre nach dem Tod des Künstlers am 30. August 1991 und zu seinem eigenen 25-jährigen Bestehen etwas mit viel Bewegung und Musik ausgedacht. Und es kommt ganz im Sinne des Meisters zu den Menschen: Ab 16. August ist das Tinguely-Museum in Gelsenkirchen und danach in Duisburg, Krefeld, Düsseldorf, Koblenz, Frankfurt und Mannheim zu Gast, und zwar mit dem fürs Kunsterleben umgebauten Frachtschiff MS Evolutie.
Tinguely (1925-1991) lebte lange in Basel, wo er sich mit wundersamen Brunnenelementen, die sich bewegen und aus allen möglichen Röhrchen Wasser sprühen, verewigt hat. Er sei aber viel im Ruhrgebiet gewesen, sagt der Direktor des Basler Museums, Roland Wetzel. „Die Faszination für ihn war die Schönheit des industriellen Alltags und wie man dies verarbeiten kann.“Tinguely verspürte Unbehagen mit der abstrakten Kunst Mitte der 50er Jahre und wollte ihr bewusst etwas entgegensetzen. So arbeitete er mit industriellen Materialien.
Zu sehen ist das auf der MS Evolutie. An Bord sind unter anderem Modelle von Tinguelys kinetischen Werken zu erleben, Kunst, bei der die mechanische Bewegung wesentlicher Bestandteil ist. An Bord ist auch ein Teilnachbau der Zeichenmaschine Méta-Matic No. 17, die Tinguely 1959 in Paris präsentierte. Sie bläst immer wieder einen Ballon auf, der dann mit lautem Knall platzt. Besucherinnen und Besucher können auch mit Fotografien und Schriften durch Tinguelys Werk stöbern. Das Schiff hat bereits viel besuchte Stationen in Paris, Antwerpen, Maastricht und Amsterdam hinter sich.
„Tinguelys Kunst ist sehr zugänglich“, sagt Museumsdirektor Wetzel. „Es sind Objekte, mit denen junge Leute zur Kunst hingeführt werden. Tinguelys Kunst ist spielerisch, sie ist Freude.“Die Stationen der Jubiläumsreise sind bewusst gewählt. In Gelsenkirchen etwa schuf Tinguely kinetische Wandobjekte für das 1959 eröffnete Musiktheater. Das LehmbruckMuseum in Duisburg verlieh dem
Schweizer als einem von bisher nur elf Preisträgern (seit 1966) den Wilhelm-Lehmbruck-Preis für einen herausragenden Beitrag zur Entwicklung der Skulptur. Das Haus Lange in Krefeld wiederum würdigte Tinguely 1960 mit einer Einzelausstellung. Zum Museumskatalog gehörte eine detaillierte Bauanleitung zur Herstellung eines Tinguely-Reliefs „Maschinenbild Haus Lange“. Wer es nachbaute und ein Foto einschickte, bekam eine Signatur von Tinguely, die es als Originalwerk kennzeichnet.
So ist jede Station der Reise, an der das Schiff für jeweils zwei Tage hält, mit Tinguelys Leben verbunden. Neben der Ausstellung an Bord und Workshops, die dort angeboten werden, bringt das Museum auch drei Performances mit. Eine davon stammt von der Künstlerin Nevin Aladag. Bei „Body Instruments“trägt ein Proband spezielle Musikinstrumente am Körper und auf dem Kopf und läuft durch die Stadt, wobei durch die Körperbewegungen Klänge entstehen.