Mittelschwaebische Nachrichten
Autofahrer liefert sich Verfolgungsfahrt mit der Polizei
Der Mann hat bereits eine ganze Reihe von Einträgen im Bundeszentralregister – und kommt zur Verhandlung in Günzburg zu spät. Ob er eine letzte Chance bekommt?
Günzburg „Es geht hier für Sie um einiges. Da zählt auch der erste Eindruck. Und Pünktlichkeit ist nicht schwierig“, hatte Richterin Julia Lang zu Beginn der Verhandlung am Donnerstag am Günzburger Amtsgericht das verspätete Eintreffen des Beschuldigten gerügt. Die Anklageschrift des Staatsanwalts war umfangreich.
Der zum damaligen Zeitpunkt 22-Jährige aus dem nördlichen Landkreis war im August vergangenen Jahres auf seinem Roller nachts in Günzburg mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit unterwegs gewesen. Die Aufforderung einer Polizeistreife, die die Verfolgung aufgenommen hatte, anzuhalten, ignorierte er. Vielmehr versuchte er, sich einer Kontrolle zu entziehen, indem er sich mit der Polizei ein regelrechtes Fahrzeugrennen lieferte. Der Roller verfügte weder über eine Haftpflichtversicherung, noch war der Angeklagte im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis. Weiter wurde er beschuldigt, im Dezember 2020 bei einer Auseinandersetzung einer
Person eine Bierflasche aus Glas auf den Kopf geschlagen zu haben. Anfang des Jahres kam es zu einem erneuten Vorfall: Dieses Mal war er mit einem Auto – wieder ohne Versicherung und ohne Führerschein – unterwegs. Nachdem die Polizei die Fahrzeugschlüssel sichergestellt hatte, besorgte sich der Angeklagte den Ersatzschlüssel und fuhr nach Hause.
Auf Initiative seines Verteidigers wurde zunächst ein Rechtsgespräch geführt. Bei dem Angeklagten sei seine Vorgeschichte mit diversen psychischen Erkrankungen zu berücksichtigen. Eine Therapie habe er bisher nicht angetreten, da mehrere Ärzte verschiedene Diagnosen festgestellt hätten. Er habe ein gestörtes Verhältnis zu seinem Rechtsempfinden und massive Probleme im Sozialverhalten. Eine bewährungsfähige Strafe käme nur unter strengen Auflagen in Betracht und nur im Falle eines qualifizierten Geständnisses.
„Es war dumm von mir“, räumte der Angeklagte, der bereits eine Haftstrafe verbüßt hatte, ein und erklärte, dass sich alles so zugetragen habe. „Ist Ihnen klar, dass sie ohne eine Fahrerlaubnis keine fahrerlaubnispflichtigen Fahrzeuge führen dürfen?“, fragte ihn Richterin Julia Lang, nachdem dieser bereits in der Vergangenheit ohne Führerschein im Straßenverkehr unterwegs gewesen war. Gleichzeitig verwies sie auf die bereits vorhandenen umfangreichen Eintragungen im Bundeszentralregister, darunter Diebstahl, Urkundenfälschung, unerlaubtes Führen einer Schusswaffe, versuchte Nötigung, wie auch Angriff auf Vollstreckungsbeamte. „Es ist nicht mehr fünf vor zwölf, es ist kurz nach zwölf“, so die Richterin.
Der Angeklagte sei mehrfach vorbestraft, die ihm zur Last gelegten Tatbestände hätten ganz anders ausgehen können, so der Staatsanwalt. Die Dreistigkeit, nach der Sicherstellung des Fahrzeugschlüssels mit dem Ersatzschlüssel weiterzufahren, zeuge von krimineller Energie. Mit einer Geldstrafe komme man hier nicht weiter. Die Frage, ob eine Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen sei, könne man nur mit Hängen und Würgen noch mit „ja“beantworten. Der Angeklagte habe Kontakt mit einem Berufsbildungswerk aufgenommen, um eine in der Vergangenheit begonnene, aber wieder abgebrochene Ausbildung fortzusetzen. Sein Verteidiger erklärte: Er habe ein Geständnis abgelegt und er bereue seine Taten. Er brauche aber ein begleitendes Umfeld für das Wohnen und für seine Ausbildung. Dann gebe es auch eine positive Sozialprognose für die Zukunft. Unter Einbeziehung eines bereits vorangegangenen Urteils wurde der Angeklagte zu einer zweijährigen Gesamtfreiheitsstrafe, ausgesetzt auf vier Jahre zur Bewährung, verurteilt. Vor Ablauf von zwei Jahren wird ihm keine Fahrerlaubnis erteilt. Weiter wurde ihm das Leisten von 100 Stunden gemeinnütziger Arbeit auferlegt, wie auch die Inanspruchnahme von Maßnahmen beim Berufsbildungswerk oder von der Agentur für Arbeit. Die Bewährung sei mit viel gutem Willen erfolgt. Sollte in den kommenden vier Jahren etwas passieren, werde er seine Ausbildung in der Justizvollzugsanstalt absolvieren, legte ihm Richterin Julia Lang ans Herz. „Ich möchte mich für die gegebene Chance bedanken und werde sie auch wahrnehmen“, versicherte der Angeklagte.