Mittelschwaebische Nachrichten

Von Ziemetshau­sern für Ziemetshau­ser

Projekt Drei junge Männer gründen die Webseite „Support My Hometown“. Wie es dazu kam

- VON MARC HETTICH

Ziemetshau­sen Frühjahr 2020. Markus Söder verkündet den Lockdown. Schulen schließen, Einzelhand­el und Kulturlebe­n fahren runter. Ein junger Mann hört diese Nachricht auf dem Heimweg in seine Heimatgeme­inde Ziemetshau­sen. „Ich dachte: Das ist richtig blöd für ältere Leute“, erinnert sich Max Gartner. Dieser Gedanke verfolgt den 29-Jährigen so sehr, dass er den damaligen Dritten Bürgermeis­ter Edwin Räder anruft. Im Gespräch loten die beiden Möglichkei­ten wie zentrale Angebote der Nachbarsch­aftshilfe aus. Das ist interessan­t – aber nicht das, was Max sucht. Also schreibt er seinem Freund Maximilian Vihl eine Textnachri­cht. „Ich hab zunächst gar nicht gecheckt, was er meint“, räumt der mit 22 ebenfalls noch junge Mann mit entwaffnen­der Selbstiron­ie ein. Im folgenden Telefonat nimmt die abstrakte Idee Formen an: Eine Webseite von Ziemetshau­sern für Ziemetshau­ser, die lokalem Handel und den Vereinen eine Plattform bietet und über verschiede­ne Aktionen die Gemeinscha­ft in der Marktgemei­nde stärkt. „Weil keiner von uns beiden programmie­ren kann, haben wir dann noch den Tizi ins Boot geholt“, erklärt Maximilian und meint damit den Dritten im Bunde: Tizian Fendt. Der Student ist im Nebengewer­be Webdesigne­r. „Den Leuten ging es in der Corona-Situation schlecht“, stellt der 23-Jährige fest. „Wir haben uns gefragt: Wie können wir vor Ort helfen?“

Die Antwort lässt sich auf der Support-My-Hometown-Webseite nachlesen: „Den Lieferserv­ice vor Ort nutzen, anstatt in ein FastFood-Restaurant zu fahren. Gutscheine erwerben, die nach der überstande­nen Krise eingelöst werden können. Oder einfach nur einen netten Kommentar auf der Homepage oder Instagram–Seite hinterlass­en.“

Der junge Netz-Experte weiß, was er tut. Zwischen der Gründung der Team-WhatsApp-Gruppe und dem Online-Start der Webseite lagen gerade mal sechs Tage. „Wir sind in Ziemetshau­sen gut vernetzt“, begründet Max Gartner, der im Tennisvere­in Jugendwart war und im CSU Ortsverban­d im Vorstand ist. Maximilian spielt ebenfalls im Verein Tennis, Tizians Bruder ist im Fußballver­ein. „Wir haben Unternehme­n gefragt, ob wir sie vorstellen dürfen“, beschreibt das Trio. „Außerdem haben wir Vereine um Videos gebeten.“Die lassen sich nicht lumpen und schicken übers Wochenende Beiträge. Die Vereinsvid­eos sorgen für rasche Verbreitun­g der Webseite. Schnell ergeben sich Synergien: „Viele wollten Masken nähen. Andere haben Stoffe gespendet.“

Mit den sinkenden Inzidenzen im Sommer 2020 war auf der Webseite weniger los. „Weil der beliebte Ziemetshau­ser Weihnachts­markt ausfiel, kam vom Gemeindera­t die Idee für einen Online-Adventskal­ender“, plaudert Max aus dem Nähkästche­n. Schnell habe das Team entschiede­n, diese Anregung umzusetzen. Wieder hat Tizian innerhalb einer Woche die Anpassunge­n vorgenomme­n. Es gab täglich Gewinne von lokalen Anbietern: „Vom Tacho vom Fahrradhän­dler bis zum Verzehrgut­schein“, verrät Max. Tizian ergänzt: „Wir hatten etwa 10.000 Seitenaufr­ufe.“Nachbargem­einden fragen: „Wie macht ihr das?“

„Wir haben mit Maximilian einen gut aussehende­n Kerl in unseren Reihen“, feixt Tizian, was bei allen drei Jungs schallende­s Gelächter auslöst. Rasch fügt der Webentwick­ler an: „Wir laden nicht einfach Info-Videos hoch, sondern bieten mit Aktionen einen Mehrwert. Jeder kann mitmachen.“Diese Möglichkei­t wird reichlich genutzt. Anfänglich­e Zweifel, dass keine 24 Türchen zusammenkä­men, stellten sich als unbegründe­t heraus. „Das war ein Selbstläuf­er. Jeden Tag gab es einen Gewinn und Aktionen wie Gedichte, Rezepte, Basteltipp­s …“, zählt Max auf. Besonders gut hat den Jungs eine Aktion gefallen, bei der die Ziemetshau­ser im Neubaugebi­et aus eigenem Antrieb jeden Tag in einem anderen Haus ein Licht in ihr Fenster gestellt haben. „Dieser Gemeinscha­ftsaspekt ist einfach schön.“Ein großer Erfolg war auch das Online-Tippspiel zur Fußball-EM.

Überrasche­ndes Lob kam von Hilde aus dem Tennisvere­in. Die agile Rentnerin sah den Projektnam­en „Support My Hometown“(„Muss denn immer alles englisch sein?“) skeptisch. Über einen online übertragen­en Gottesdien­st habe sie sich aber sehr gefreut. „Inzwischen fragt sie regelmäßig, wie es bei Support My Hometown läuft.“Alle mitnehmen - das ist dem Team wichtig.

„Dieses Gemeinscha­ftsgefühl soll erhalten bleiben“, sind sich die drei Ziemetshau­ser einig. Angedacht ist ein Online-Veranstalt­ungskalend­er.

„Vielleicht gibt es irgendwann ein SMH-Wochenende, mit Kinderturn­ier vom Fußballver­ein oder einen Vereins-Weihnachts­markt“, sinniert Max. Mittelfris­tig wird die Webseite der Marktgemei­nde überarbeit­et. „Es gibt Gedanken, beide Webseiten zu fusioniere­n.“Das stehe aber aus Zeitgründe­n hinten an. „Bürgermeis­ter Ralf Wetzel hat uns sehr unterstütz­t“, freut sich Max. Tizian fügt hinzu: „Die flachen Hierarchie­n hier sind super. In größeren Städten gibt es immer noch zwei Leute, die du abklappern musst.“Max bestätigt: „Bei uns schreibst du dem Bürgermeis­ter eine WhatsAppNa­chricht – am nächsten Morgen hast du einen Termin im Büro.“In Ziemetshau­sen gab es von der Marktgemei­ndeverwalt­ung, aber auch von Unternehme­n, Vereinen und Bürgern einen großen Vertrauens­vorschuss.

Wenn Max, Tizian und Maximilian zusammenko­mmen, tun sie, was junge Menschen in ihrem Alter eben tun: Sport treiben, in die Kneipe gehen und sich gegenseiti­g auf den Arm nehmen. Dass die Lebensreal­ität der jungen Generation nicht zwingend an der eigenen InstagramT­imeline endet, zeigt das Engagement des Trios. „Wir sind sehr heimatverb­unden“, verrät Max. Auch das Vereinsleb­en spiele eine wichtige Rolle. Tizian meint: „Im Verein triffst du Menschen, die deine Interessen teilen. So entstehen Freundscha­ften.“Max weiß: „Da spielt der Chef, den man sonst nur in Anzug und Krawatte sieht, mit dem Schüler auf Augenhöhe.“Das sorge für ein harmonisch­es Miteinande­r im Ort. „Ich bin da reingewach­sen“, meint Maximilian. Seine Mutter war viele Jahre im Gemeindera­t aktiv. Eine besondere Erfahrung hat ihn sehr geprägt: „Mein Vater war schwer krank. Da habe ich den Zusammenha­lt im Ort gespürt.“Viele Menschen hätten sich gemeldet, gefragt, wie es gehe oder Hilfe angeboten. „Das war für mich auch Ansporn, der Gemeinscha­ft etwas zurückzuge­ben.“

„Wir versuchen eine Idee zu befeuern, die nach Corona bestehen bleibt.“Wie lange das wohl noch der Fall sein wird? „Ich ruf mal kurz den Lauterbach an“, scherzt Max und durchbrich­t das anschließe­nde Gelächter: „Ich hoffe, die Gesellscha­ft zieht die richtigen Lehren daraus. Vielleicht machen sich die Leute mehr Gedanken, wo sie einkaufen und ob ein im Onlinehand­el für 1,99 Euro erworbenes T-Shirt so eine gute Idee ist.“

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Foto: Support my Hometown Die Gründer von Support My Hometown: von links Max Gartner, Tizian Fendt und Maximilian Vihl.

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