Mittelschwaebische Nachrichten
Seit 60 Jahren spielt Willi Müller die Tuba
Leidenschaft Die Wiesenbacher Franz Alstetter und Willi Müller haben vor über 60 Jahren ihre musikalische Karriere begonnen. Jetzt erhielt Müller eine besondere Ehrung des ASM beim Ehrentag des Bezirks 11. Dessen Vorsitzender ist Franz Alstetter
Wiesenbach Wie die Musikprobe am Nikolaustag 1960 letztendlich verlief und wie es ihnen dabei ging – Willi Müller und Franz Alstetter überlegen kurz. Nein, ihr erster Ausbildungsabend sei ihnen nicht mehr so präsent. Wer könnte das nach so langer Zeit nicht nachvollziehen?
Von ihrem jeweiligen Instrument hätten sie keine Ahnung gehabt, daran können sie sich noch erinnern: „Wir wussten nicht, wie es funktioniert.“Was sich aus dieser Dezembernacht entwickelte? Ein Leben mit und für die Musik.
Mehr als sechs Jahrzehnte später nun blicken beide Männer auf ihre lange musikalische Karriere: Der eine, Franz Alstetter, stand nicht nur 21 Jahre als Vorsitzender an der Spitze der Kapelle, sondern übernahm parallel dazu auch noch das Amt als stellvertretender Vorsitzender des ASM-Bezirks 11 Krumbach-Tisogau. Seit 2018 ist er dessen Vorsitzender. Der andere, Willi Müller, erhielt gerade erst mit dem „Ehrenzeichen des ASM für 60 Jahre Musizieren in der Gemeinschaft“eine besondere Auszeichnung.
Müller spielt die Tuba. Mit seinen 77 Jahren ist er ab und an immer noch im Musikverein Wiesenbach aktiv. Da sind aber auch die „Rucksackmusikanten“, bei denen sich Musikanten aus verschiedenen Kapellen der Umgebung zusammenfinden – auch ihnen hält der ehemalige Landwirt die Treue. Musikalische Vorlieben habe er keine. „Ich spiele alles“, sagt Willi Müller. Dass er Polkas jedoch gerne mag, ist herauszuhören. Die Tuba, ein Schwergewicht unter den Instrumenten, gewählt zu haben, hat der Oberwiesenbacher seiner Lebtag lang nicht bereut. Nun ja, Wahl ist vielleicht nicht ganz das korrekte Wort. Obgleich Willi Müller seinerzeit durchaus den Bass spielen wollte. Zeit also für die erste Anekdote. Dazu bietet das Ambiente, der „Lektors Garten“genannte wunderschöne Garten der Gebrüder Müller in Oberwiesenbach, den idealen Rahmen. Mit am Tisch sitzen an diesem
Nachmittag neben Willi Müller sein Bruder Josef und Franz Alstetter. Ebenfalls dazugesellt hat sich außerdem Trommelspieler und ehemaliger Vereinskassierer Herbert Altstetter, der 1965 in die Kapelle eintrat. Die Rede kommt auf den damaligen Ausbilder, Wendelin Berger, einen heimatvertriebenen Ungarn-Deutschen, der die Jungmusiker ausbildete. Ein Mann mit anheimelnder Sprache. „Er bestimmte, welches Instrument wir spielen sollten“, schmunzelt Franz Alstetter.
Dabei habe ihm wiederum Vorsitzender Philipp Dreher eingesagt, „was gebraucht wird.“Zwischen zehn und zwölf Jahren seien sie gewesen, erzählt der 73-jährige Alstetter weiter, „Willi war älter, 16 Jahre.“So ein Bass sei ein relativ schweres Instrument, es gebe verschiedene Größen, „und Luft braucht man auch.“Josef Müller ergänzt: „Es kommt dabei schon ein bisschen auf die Konstitution an.“Nur mal so ein Vergleich: Nicht ganz 30 Liter Wasser passten in Willi Müllers Tuba, resümiert der Bezirksvorsitzende. Das ist nicht ohne, etwa bei Umzügen. Und welches Instrument ‚wählte’ Franz Alstetter? „Zusammen mit Leo Schiller waren wir die ersten Posaunisten.“Damit habe er auch spekuliert.
Anfang der 60er-Jahre war manches anders: Beispielsweise wurden die Proben der Jugendlichen „reihum in einem anderen Haus abgehalten“, erzählt Herbert Altstetter. „Oder beim Siadr in der Stube.“Siadr – das ist der Hausname der Familie Müller. Musikerinnen waren damals noch keine dabei. Erst 1964, sagt Altstetter, kam die erste Frau dazu. „Bei den Proben wurden die Jungmusiker ganz schön hergenommen“, überlegt Josef Müller, der bei den Übungsabenden zuhörte. „Der Schliff, den sie bekamen, war gut.“
Mit seiner Tuba, übrigens dem tiefsten aller Blechblasinstrumente, war Willi Müller bei allen großen und kleinen Auftritten der Wiesenbacher Musiker dabei. Obgleich er als Landwirt den Stall machen musste und viel Arbeit hatte: „Meistens war er an erster oder zweiter
Stelle, was die Teilnahme an Veranstaltungen und Proben anbelangt“, lobt Franz Alstetter dessen „Beharrlichkeit und Zuverlässigkeit.“Ein Umzug habe Vorrang gehabt, selbst wenn das Heu auf der Wiese lag. Die Musik hatte einfach Priorität. Das ist ein Aspekt. Da sind aber auch Begriffe wie „Heimat, Zusammengehörigkeit, Stolz“, die Müller, der aus einer musikalischen Familie stammt, mit seinem Verein verbindet.
Es gibt Kapellen, die so eingeschworen sind“, meint Herbert Altstetter. Kapellen wie die Wiesenbacher etwa. Zugrunde liege dem ein Gefühl der Gemeinsamkeit, des Miteinanders, der Identität als Gruppe. „Man will dabei sein und richtet sein Leben danach.“Paradebeispiel hierfür sei Willi Müller. „Miteinander tun und miteinander wollen, nur so geht es“, erklärt Franz Alstetter. Das mache das Geheimnis des Erfolgs aus. Die gemeinsame Tracht signalisiere nicht nur ihre Zusammengehörigkeit, sondern auch Stolz darauf, dazuzugehören. Jetzt muss aber noch Zeit für ein, zwei Erinnerungen sein. Etwa die Reise nach Südtirol zur Partnerkapelle nach St. MichaelEppan Mitte der 60er-Jahre. „Das war damals ein armer Landstrich“, befindet Franz Alstetter. Es sei zu dieser Zeit etwas Besonderes gewesen, nach Italien zu kommen.
Oder da war der Papstbesuch in Augsburg im Mai 1987, über den der Trommelspieler Altstetter erzählt. Klatschnass seien sie beim Konzert geworden, bei dem der Heilige Vater eigentlich zuhören sollte. Doch der blieb angesichts des Wetters lieber im Dom. „Willi“, sagt der 69-jährige ehemalige Vereinskassierer, „war immer dabei.“Solche Ausflüge mit der Kapelle seien wie Urlaub für ihn gewesen, antwortet dieser.
Als ihm beim Ehrentag des Bezirks 11 in Geismarkt die Auszeichnung überreicht wurde, habe er Rührung und Stolz empfunden, freut sich Willi Müller. Singen – er ist Mitglied im Kirchenchor und Gesangverein – und spielen wolle er, so lange es geht. „Es tut alles gut.“